Frankfurt/Amsterdam, 19. Nov (awp/awp/sda/reu) - Wegen vermuteter Tricksereien bei Aktiengeschäften ("Cum-Ex") haben Ermittler am Dienstag die Geschäftsräume der niederländischen Grossbank ABN Amro in Frankfurt durchsucht. Zudem hätten sie Informationen von der Zentrale in Amsterdam gefordert, erklärte ABN Amro.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hatte zuvor mitgeteilt, dass sie im Rahmen von Cum-Ex-Ermittlungen zwölf Wohnungen und Büros in Hessen und Bayern sowie eine Wohnung in den Niederlanden durchsucht wurden. Im Visier hat sie sechs Beschuldigte im Alter zwischen 50 und 57 Jahren. Sie sollen einen Steuerschaden von zusammen 53,3 Millionen Euro verursacht haben. Zu den Namen der Beschuldigten äusserten sich die Ermittler wie üblich nicht. An den Durchsuchungen in Hessen und Bayern seien sechs Staatsanwälte und über 100 Beamte der Steuerfahndungsstellen beteiligt gewesen.

Bei "Cum-Ex" liessen sich Anleger einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mit Hilfe ihrer Bank mindestens zwei Mal erstatten. Dadurch sind dem Fiskus in Deutschland laut Bundesfinanzministerium mehr als fünf Milliarden Euro entgangen, bevor die Gesetzeslücke 2012 geschlossen wurde. Andere Schätzungen gehen von einem weit höheren Steuerschaden aus. In den vergangenen Jahren haben Cum-Ex-Razzien wiederholt für Aufmerksamkeit gesorgt. Allein die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt nun in elf Verfahrenskomplexen, wie Oberstaatsanwalt Alexander Badle sagte. Der mutmassliche Steuerschaden liegt bei mehr als 850 Millionen Euro.

Die sechs Beschuldigten sollen in den Jahren 2008 und 2009 als Mittäter Aktiengeschäfte um den Dividendenstichtag mit einem Investitionsvolumen im dreistelligen Millionenbereich getätigt haben. Sie liessen sich dann Steuern erstatten, die tatsächlich nie gezahlt wurden. Aufgrund falscher Bescheinigungen sollen Steuererstattung von insgesamt 53,3 Millionen Euro ausgezahlt worden sein. Das Geld sei mittlerweile an die Finanzbehörden zurückgezahlt worden.

Bei den Beschuldigten handelt es sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft um zwei ehemalige Geschäftsführer einer früher in Frankfurt ansässigen Firma. Zwei weitere Beschuldigte waren im Tatzeitraum Prokuristen bei einer Frankfurter Investmentbank, über die Aktienleerverkäufe abgewickelt worden sein sollen. Zwei weitere Beschuldigte waren Geschäftsführer von Unternehmen mit Sitz in Frankfurt und in Gibraltar, wie die Ermittler mitteilten. Bei der Bank handelt es sich offensichtlich um ABN Amro. Die Generalstaatsanwaltschaft wollte sich dazu nicht äussern.

ABN Amro erklärte, mit den Ermittlern zu kooperieren. Im vergangenen Jahr hatte die Bank eingeräumt, dass sie direkt und indirekt in Cum-Ex-Transaktionen involviert war. Aber sie sei nur in einem begrenzten Umfang in den Skandal verwickelt.