NEW YORK/SAN JOSE (dpa-AFX) - Wo Europas größter Softwarehersteller SAP erst noch hin will, da hat es sich der US-Konzern Adobe schon gemütlich gemacht: Mit Mietangeboten haben die Amerikaner - vor allem bekannt für ihre Fotobearbeitung Photoshop und die PDF-Software Acrobat - der Branche vorgemacht, wie man auch ohne den Verkauf teurer Software-Lizenzen Geld verdienen kann. Das honoriert auch der Markt: Die Aktie läuft von Rekord zu Rekord. Was im Unternehmen los ist, was Analysten sagen und welches Geschäft Aktionäre mit ihren Papieren gemacht haben.

WAS IM UNTERNEHMEN LOS IST:

Im Erlösmodell mit Software-Abonnements macht den Amerikanern kaum jemand etwas vor. Shantanu Narayen ist seit 2007 Vorstandschef der Kalifornier und stellte das Geschäft von hohen Einzelerlösen für Softwarebündel auf Abo-Zahlungen um. Allerdings verlief die Umstellung nicht ohne Schmerzen. Im Jahr 2013 musste der Spezialist für Software zur Mediengestaltung einen herben Umsatzdämpfer einstecken, weil die Abo-Erlöse wegbrechende Lizenzzahlungen noch nicht kompensieren konnten.

Seitdem hat Adobe sein Geschäft aber mehr als verdoppelt. Im Ende November abgelaufenen Geschäftsjahr 2018/19 erlöste das Unternehmen nahezu 10 Milliarden US-Dollar mit Software-Abonnements für Webdesign, Foto- und Videobearbeitung. Zum Vergleich: Cloudprimus Salesforce will im noch laufenden Geschäftsjahr (Ende Januar) bis zu 17 Milliarden Dollar erlösen, SAP wollte 2019 im Cloudgeschäft bis zu 7 Milliarden Euro Umsatz machen (7,8 Mrd Dollar). Mit Lizenzerlösen, Wartung und Beratung kam Adobe im vergangenen Jahr auf über 11 Milliarden Dollar, fast ein Viertel mehr als im Vorjahr.

Adobe hat neben den Produkten für Kreative früh auf Programme für Marketing und Vertrieb gesetzt. Diese sind für Rivalen wie Salesforce und SAP ein wichtiger Wachstumsbringer. Dabei spielt auch die Sammlung und Analyse von Daten im Netz eine große Rolle, die Werbetreibenden größere Verkaufserfolge sichern soll. Die Aussichten bei der Verzahnung von Kundendaten und Vertriebssteuerung hat etwa SAP dazu bewegt, rund 8 Milliarden Dollar für den jüngsten großen Zukauf Qualtrics auszugeben.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Auch wenn die Analysten beim Kurs mehrheitlich nur noch wenig Luft nach oben sehen, empfiehlt keiner der bei Bloomberg erfassten Branchenexperten den Verkauf der Aktie. 20 raten zum Kauf, 12 zum Halten der Papiere. Das durchschnittliche Kursziel liegt mit 341 US-Dollar aber nur noch leicht über den am Markt aktuell aufgerufenen knapp 334 Dollar.

Für Kreative und Werbetreibende seien Produkte von Adobe weiter die erste Wahl, urteilten die Experten der DZ Bank nach den Jahreszahlen Mitte Dezember. Das Wachstum der wiederkehrenden Erlöse sei zum Jahresausklang weiter "gesund" ausgefallen, schrieb UBS-Analystin Jennifer Lowe. Barclays-Experte Saket Kalia wähnt den Konzern mit geschätzten operativen Margen von 41 bis 42 Prozent im angelaufenen Geschäftsjahr als "besten seiner Klasse" bei der angestrebten Wachstumsrate.

Brent Thill von Jefferies wertete das vierte Quartal das Softwareherstellers als ein "Feuerwerk". Die bestätigte Prognose für das laufende Geschäftsjahr sehe nun vor allem für die Sparte Digital Media vorsichtig aus. Alle Cloudgeschäfte profitierten vom Trend zur Digitalisierung - sprich dem zunehmenden Einsatz von Software in allen Wertschöpfungsprozessen. Adobe bleibe ein bevorzugter Aktientitel, weil mehr als 90 Prozent der Umsätze wiederkehrend seien und mehr als 20 Prozent Wachstum bei rund 40 Prozent Marge zu Buche stünden. Adobes Führungsposition am Markt sei zudem gut gesichert.

WIE DIE AKTIE ZULETZT GELAUFEN IST:

In einem Wort: prächtig. Direkt am ersten Handelstag des neuen Jahres markierte das Papier ein neues Rekordhoch bei 334,36 US-Dollar. Aber der gute Lauf kam nicht erst in jüngster Zeit, seit Jahren kennt der Kurs der Adobe-Aktie fast nur eine Richtung.

Im vergangenen Jahr legte die Aktie um knapp 46 Prozent zu - das war im Softwarebranchenindex des S&P 500 nur das Mittelfeld. Seit Ende 2016 haben Aktionäre bis dato ein Plus von 224 Prozent im Depot. Seit Ende 2012 hat sich der Kurs fast verneunfacht, aus dem heutigen Softwaresektor des S&P 500 hat nur der kleinere IT- und Softwaredienstleister Servicenow besser abgeschnitten, bei dem kürzlich Ex-SAP-Chef Bill McDermott anheuerte. Der Softwareriese Microsoft legte seitdem um knapp 500 Prozent zu.

Adobe ist an der Börse knapp 162 Milliarden Dollar wert - umgerechnet sind das rund 144 Milliarden Euro. SAP ist derzeit knapp mehr wert mit 147 Milliarden Euro. An Microsoft mit 1,2 Billionen Dollar Börsenwert (1,1 Mrd Euro) kommen aber alle großen Softwarekonzerne selbst zusammengenommen kaum heran. Salesforce bringt 154 Milliarden Dollar (129 Mrd Euro) auf die Waage, Oracle immerhin 173 Milliarden Dollar (155 Mrd Euro)./men/stw/fba