Bellinzona (awp) - Im Prozess der Luganeser Privatklinik Sant'Anna gegen vier Journalisten der Tessiner Sonntagszeitung "Il caffè della domenica" hat die Klägerin eine Niederlage erlitten. Das Strafgericht Bellinzona hat die vier Beschuldigten in allen Anklagepunkten freigesprochen. Der Richter betonte in seiner Begründung die Rolle der Presse als Wachhund für die Demokratie, wie die Zeitung "Corriere del Ticino" am Freitag auf ihrer Homepage schrieb.

Hintergrund der Affäre ist ein schwerer Arztfehler in der Klinik aus dem Genolier-Swiss-Medical-Network (GSMN), die zur Aevis Victoria-Gruppe gehört, den das Sonntagsmagazin aufgedeckt hatte. Im Juli 2014 waren einer 67-jährigen Patientin bei einer Operation beide Brüste vollständig entfernt worden, obwohl sie nur an einem kleinen Tumor unter einer Brustwarze litt. Die Patientin wurde informiert, dass der Eingriff nötig gewesen sei.

Erst nachdem sie sich an die Aufsichtskommission gewandt hatte, erfuhr sie die Tatsachen. Die Klinik musste zugeben, dass Patientinnen im Operationssaal verwechselt wurden. Der Chirurg wurde von seinen Aufgaben entbunden.

Die Reporter und die Redaktion des "Caffè" hatten im Mai 2016 über diesen Fehler berichtet, vermuteten jedoch, dass bei diesem gravierenden Vorfall nicht nur der behandelnde Arzt eine Verantwortung getragen haben könnte, sondern auch strukturelle Probleme in der Klinik selbst der Auslöser waren.

Im Sommer 2016 erstattete die Klinik, ohne vorherig Gegendarstellungen zu verlangen, Strafanzeige gegen die Reporter und Journalisten wegen Diffamierung und unlauteren Wettbewerbs. Verwaltungsratspräsident und Ex FDP-Präsident Fulvio Pelli kündigte an einer Medienkonferenz im September 2016 Widerstand gegen die Journalisten an.

Nun urteilte das Strafgericht Bellinzona anders: Für den Richter des Prozesses kann von einer Diffamierung nicht die Rede sein. Denn zur Zeit der Veröffentlichung des Arktikels liessen gewisse Erkenntnisse wie etwa der Bericht der Gesundheitsüberwachungskommission vermuten, dass etwas Unvorhergesehenes an jenem Tag passiert sei, sagte der Richter. Die Presse habe die Rolle des Wachhunds der Demokratie. "Und ein guter Wachhund muss auch ausserhalb des Hauses herumlaufen, bellen und manchmal beissen können." Zudem ist das Spital auch mit der Klage des unlauteren Wettbewerbs gescheitert.

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