Die EU-Wettbewerbshüter gaben den geplanten Zusammenschluss am Montag unter Auflagen frei. Unter anderem muss der amerikanische Fusionspartner Praxair dazu sein gesamtes Europa-Geschäft verkaufen. Einen Käufer dafür hatte er mit der japanischen Taiyo Nippon Sanso bereits gefunden. Doch ob Linde und Praxair tatsächlich am Weltmarktführer Air Liquide aus Frankreich vorbeiziehen dürfen, hängt von den US-Behörden ab. Die Münchner machen sich große Sorgen, dass die Amerikaner mehr Unternehmensverkäufe fordern könnten als die beiden Partner wollen.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erklärte in Brüssel, nach den ursprünglichen Fusionsplänen hätten den Kunden von Linde und Praxair Preiserhöhungen gedroht, weil in Europa damit aus vier dominierenden Gase-Anbietern drei geworden wären. Neben Linde, Praxair und Air Liquide ist auch die amerikanische Air Products auf dem Markt vertreten. Künftig soll Taiyo Nippon Sanso eine gewichtigere Rolle spielen und den großen Drei Paroli bieten können, etwa wenn es um die Produktion großer Gasanlagen geht. Die Japaner zahlen fünf Milliarden Euro für das Europa-Geschäft von Praxair. Die EU-Kommission behält sich aber vor, die Eignung des Käufers zu prüfen.

Überdies müssen Linde und Praxair ihre Verträge zum Bezug von Helium verkaufen, so weit sie den begehrten Rohstoff nicht selbst brauchen, um den europäischen Markt zu bedienen. Gase wie Helium und Sauerstoff werden für die verschiedensten Anwendungen in der Industrie und der Medizin gebraucht: Sauerstoff etwa für die Stahlproduktion, Helium zum Betrieb von MRT-Scannern. Zudem muss Praxair aus dem Gemeinschaftsunternehmen SIAD in Italien aussteigen.

SCHMERZGRENZE 3,7 MILLIARDEN EURO

Linde und Praxair hatten bereits bei der Bekanntgabe ihrer Fusion mit Auflagen in Form eines Verkaufs von Unternehmen und Geschäftsteilen gerechnet. Wenn diese aber einen Umsatz von 3,7 Milliarden Euro Jahresumsatz oder einen operativen Gewinn von 1,1 Milliarden Euro überschreiten, haben beide das Recht, aus der Vereinbarung auszusteigen, wenn sie der Ansicht sind, dass sich die Fusion dann nicht mehr lohnt.

Das Europa-Geschäft von Praxair, das an die Japaner verkauft werden soll, und das US-Geschäft von Linde, das an den deutschen Rivalen Messer und den Finanzinvestor CVC gehen soll, summieren sich auf rund 2,7 Milliarden Euro und einen operativen Gewinn von etwa 700 Millionen. Doch hatte Linde Anfang August nach Gesprächen erkennen lassen, dass der US-Kartellbehörde FTC diese Zugeständnisse nicht ausreichen könnten oder der Käufer ihr nicht genehm ist. Nun sollen die Gespräche weitergehen "mit dem Ziel, ein für die Beteiligten akzeptables Ergebnis zu erreichen".

Die EU-Kommission erklärte am Montag, sie habe bei ihrer Entscheidung eng mit den Kollegen von der FTC und in Kanada zusammengearbeitet. Die FTC selbst hat sich bisher nicht geäußert.

Linde und Praxair stehen dabei unter Zeitdruck: Die Fusion muss bis spätestens 24. Oktober über die Bühne gehen, weil die Aktionäre nach deutschem Recht binnen zwölf Monaten Klarheit über deren Gelingen haben müssen. Die zum Umtausch eigereichten Linde-Aktien legten am Montag um 2,4 Prozent auf 194 Euro zu, Praxair gewannen 1,1 Prozent auf 157,82 Dollar.