(neu: Hintergrund, Vergleich zu Boeing, Detailzahlen, Aktienreaktion)

TOULOUSE (dpa-AFX) - Milliardenstrafen wegen Korruptionsvorwürfen haben dem europäischen Flugzeugbauer Airbus 2019 sein Rekordjahr verhagelt. Während der Konzern seinem US-Rivalen Boeing die Rolle als weltgrößter Flugzeughersteller abjagte, verbuchte er wegen der hohen Strafen unter dem Strich einen Verlust von knapp 1,4 Milliarden Euro. Verschlechterte Exportchancen für den Militärtransporter A400M trugen ihr Übriges dazu bei. Derweil setzt sich der neue Airbus-Chef Guillaume Faury für sein erstes ganzes Jahr an der Konzernspitze eher vorsichtige Ziele.

So soll der Konzern im Jahr 2020 etwa 880 Verkehrsflugzeuge an seine Kunden ausliefern und damit nur 17 mehr als im Vorjahr, wie Airbus am Donnerstag in Toulouse mitteilte. Dabei hatte Faurys Vorgänger Tom Enders für 2019 ursprünglich sogar bis zu 890 Maschinen als Ziel ausgegeben. Den um Sondereffekte bereinigten Gewinn vor Zinsen und Steuern will Faury nun von knapp 7 Milliarden auf rund 7,5 Milliarden Euro steigen. Analysten hatten für 2020 jedoch im Schnitt schon mit fast 8 Milliarden Euro gerechnet.

Am Finanzmarkt kamen die Nachrichten schlecht an. An der Pariser Börse verlor die Aktie am Morgen mehr als 2 Prozent. Das bedeutete den letzten Platz im Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50.

Dank der gewachsenen Flugzeugproduktion steigerte Airbus seinen Umsatz im abgelaufenen Jahr um elf Prozent auf 70,5 Milliarden Euro. Während die Erlöse im Verkehrsflugzeug-Geschäft um 14 Prozent zulegten, musste die Rüstungs- und Raumfahrtsparte Airbus Defence and Space einen leichten Rückgang hinnehmen. Der operative Gewinn (Ebit) brach vor allem wegen der Milliardenstrafen konzernweit um fast drei Viertel auf 1,3 Milliarden Euro ein.

Das lag auch daran, dass sich Airbus kaum noch Chancen ausrechnet, seinen Militärtransporter A400M in nächster Zeit nach Saudi-Arabien zu verkaufen. Daher verbuchte das Unternehmen Ende 2019 eine Sonderbelastung von 1,2 Milliarden Euro. Die Exportaussichten für das Flugzeug gestalteten sich immer schwieriger, berichtete das Management und nannte dazu vor allem das deutsche Ausfuhrverbot für Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien als Grund.

Die Maschine, die wegen technischer Probleme, Verzögerungen und Pannen jahrelang für Negativschlagzeilen sorgte, hatte bei Airbus und den Käuferstaaten bereits zuvor Mehrkosten in Milliardenhöhe verursacht. Saudi-Arabien hat die A400M bisher nicht bestellt. Allerdings hatte sich die Airbus-Führung dort offenbar große Chancen ausgerechnet, die durch das seit der Ermordung des Journalisten Kashoggi verhängte Exportverbot zunichte gemacht werden.

Die in diesem Zusammenhang verbuchte Milliardenbelastung führte dazu, dass Airbus 2019 letztlich tiefer in die roten Zahlen sackte als sein kriselnder US-Konkurrent Boeing, der infolge des anhaltenden Flugverbots für seinen Mittelstreckenjet 737 Max seit März 2019 in einer schweren Krise steckt. Trotz milliardenschwerer Sonderbelastungen verlor Boeing 2019 unter dem Strich nur 636 Millionen Dollar (583 Mio Euro). Im Vorjahr hatte Boeing noch 10,5 Milliarden Dollar (9,6 Mrd Euro) verdient, Airbus gut drei Milliarden Euro.

Analysten hatten die Belastung bei der A400M offenbar nicht auf dem Zettel gehabt. Ihren Schätzungen zufolge wäre Airbus trotz der Milliardenstrafen noch in den schwarzen Zahlen geblieben. Und mit der geplanten Dividende für 2019 blieb der Konzern hinter den Erwartungen zurück. Die Ausschüttung soll zwar von 1,65 auf 1,80 Euro je Aktie steigen. Analysten hatten im Schnitt mit mehr als 2 Euro gerechnet.

All dies überschattet nun das im Rennen mit Boeing eigentlich erfolgreiche Jahr 2019. Im Kampf um die Marktführerschaft hatte Airbus erstmals seit Jahren Boeing den Titel abgejagt. Der US-Konzern steckt wegen der Probleme bei seinem modernisierten Mittelstreckenjet 737 Max in einer schweren Krise. Nach zwei Abstürzen mit insgesamt 346 Toten hatten Behörden in aller Welt Passagierflüge mit dem Flugzeugtyp untersagt.

Boeing rechnet inzwischen damit, dass die Maschinen noch bis Mitte 2020 am Boden bleiben müssen. Das Flugzeug ist der meistgefragte Passagierjet des US-Konzerns und sollte für rund zwei Drittel der jährlichen Auslieferungen stehen. Mit der Neuauflage der seit den 1960er Jahren gebauten Boeing 737 mit größeren sparsameren Triebwerken hatte der Hersteller auf den Erfolg des Airbus-Konkurrenzmodells A320neo reagiert, das sich aber noch deutlich besser verkaufte als die "Max".

Allerdings muss Airbus wegen fragwürdiger Geschäftspraktiken beim Verkauf von Verkehrsflugzeugen und Satelliten tief in die Tasche greifen. Der Löwenanteil der Strafen von 3,6 Milliarden Euro geht mit 2,1 Milliarden an Frankreich, der Rest an Großbritannien und die USA. Auslöser der Ermittlungen war eine Selbstanzeige des Unternehmens.

Zudem verkündete Airbus am Donnerstag, dass sich der in eine Finanzkrise geratene Bombardier-Konzern bei seinem letzten großen Flugzeugprogramm aussteigt. Airbus und die kanadische Provinz Québec übernehmen Bombardiers verbliebenen Anteil an den Gemeinschaftsunternehmen für den Kurz- und Mittelstreckenjet A220. Der Airbus-Anteil steigt damit von gut 50 auf 75 Prozent. Airbus zahlt Bombardier dafür 591 Millionen US-Dollar. Québec stockt seinen Anteil auf 25 Prozent auf, ohne weiteres Geld zu zahlen.

Der kanadische Bombardier-Konzern hatte sein Engagement bei dem Jet schon infrage gestellt. Die Kanadier hatten das Flugzeug ursprünglich als Bombardier C-Serie entwickelt, sich dabei aber finanziell übernommen. Mitte 2018 war Airbus als Retter bei dem Projekt eingestiegen. Das Flugzeug wird seither unter dem Namen Airbus A220 vermarktet.

Airbus will das Volumen deutlich hochfahren, um dann deutlich günstiger produzieren zu können. Doch Bombardier wollte oder konnte kein weiteres Geld nachschießen. Denn der Flugzeug- und Zughersteller aus Kanada steckt in einer schweren Krise. Schon im Januar hatte er Aktionäre mit einer Gewinnwarnung geschockt und seine Beteiligung am A220-Gemeinschaftsunternehmen in Frage gestellt.

Laut "Handelsblatt" könnten sich die Kanadier nun auch von ihrem Eisenbahngeschäft trennen. Dem Bericht zufolge will der französische Alstom die gesamte Sparte der Kanadier für sieben Milliarden Euro übernehmen./stw/nau/mis/jha/