FRANKFURT (awp international) - Der jahrelange Sinkflug der Überschüsse bei deutschen Lebensversicherungen sollte sich einer Studie zufolge 2019 deutlich abschwächen. "Wir erwarten in der Breite keine weiteren starken Kürzungen bei der Überschussdeklaration", erklärte Henning Kühl, Chefaktuar des Lebensversicherungs-Aufkäufers Policen Direkt, am Montag in Frankfurt.

"Besonders finanzstarken Versicherern trauen wir zu, dass sie ihre Überschüsse konstant halten und auch Schlussüberschüsse zahlen." 2017 habe sich die Lage der Branche zwar erneut verschärft. Jetzt aber winkt eine milliardenschwere Erleichterung beim Aufbau von Reserven.

In den kommenden Wochen werden die deutschen Lebensversicherer wieder bekanntgeben, wie viel Zinsen sie ihren Kunden im nächsten Jahr gutschreiben. Die laufende Verzinsung aus Garantiezins und Überschussbeteiligung der klassischen Lebens- und Rentenversicherungsverträge war in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken, weil die Versicherer wegen der allgemeinen Niedrigzinsen am Finanzmarkt immer geringere Erträge erzielten.

Kunden mit alten Verträgen, die noch Garantiezinsen von bis zu vier Prozent vorsehen, konnten und können zwar damit rechnen, diese auch zu erhalten. Allerdings mussten die Versicherer für diese hohen Garantieverpflichtungen seit 2011 eine Zinszusatzreserve (ZZR) aufbauen. Diese führte dazu, dass für andere Kunden mit geringeren Garantien im Vertrag noch weniger Rendite blieb als ohnehin.

Allerdings hat die Bundesregierung vor wenigen Tagen beschlossen, die Regeln für den Aufbau der ZZR bereits ab 2018 deutlich abzumildern. In den Jahren 2011 bis 2017 war der Puffer auf fast 60 Milliarden Euro angeschwollen. Nach der alten Berechnungsmethode wären nach früheren Angaben der Kölner Ratingagentur Assekurata noch einmal 22 Milliarden Euro hinzugekommen. Nach der neuen Berechnungsmethode dürften es 7 bis 8 Milliarden Euro werden.

Policen Direkt zufolge war die Situation der Branche 2017 erneut brenzliger geworden. Bei 39 von 84 Unternehmen der Branche reichen die Erträge aus Kapitalanlagen demnach nicht aus, um die Garantiezinsen und die vorgeschriebene Reserve zu decken, heisst es in der Studie. Ein Jahr zuvor hatten erst 30 Lebensversicherer dieses Problem. Diese mussten sich aus anderen Ertragsquellen wie sinkenden Verwaltungskosten oder Risikogewinnen bedienen, die dann zu grossen Teilen den Kunden zugutekommen. Allerdings fehlten diese für zusätzliche Ausschüttungen.

Um so wichtiger sei die jetzt beschlossene Erleichterung bei der Zinszusatzreserve (ZZR), erklärt Versicherungsmathematiker Kühl. "Für viele wäre das mittelfristig existenzbedrohend geworden."

2017 standen die einzelnen Lebensversicherer laut Policen Direkt höchst unterschiedlich da. So beliefen sich die Erträge beim Marktführer Allianz auf fast 126 Prozent der Verpflichtungen. Die Generali Lebensversicherung lag mit gut 90 Prozent unter der entscheidenden 100-Prozent-Marke. Die Ergo-Tochter Victoria kam auf gut 99 Prozent, die Ergo Leben lag mit 112 Prozent im grünen Bereich.

Der italienische Versicherer Generali hatte im Sommer entschieden, seine Tochter Generali Leben mit rund vier Millionen Verträgen an den Abwickler Viridium zu verkaufen. Dieser soll die Verträge bis zum Ablauf weiterführen. Die Finanzaufsicht Bafin muss den Deal aber noch genehmigen. Die Allianz hat einen solchen Schritt ausgeschlossen, ihr Neugeschäft aber wie viele andere Versicherer weitgehend auf neuartige Verträge ohne klassischen Garantiezins umgestellt. Der Düsseldorfer Versicherer Ergo, der zum weltgrössten Rückversicherer Munich Re gehört, hat sich nach einiger Überlegung entschieden, die klassische Lebensversicherung mit Garantiezins im eigenen Haus abzuwickeln./stw/elm/jha/