Ein drohendes Verbot von Dividendenausschüttungen in der Corona-Krise entzweit die europäischen Versicherer und ihre Aufseher.

Die deutsche Finanzaufsicht BaFin wehrt sich gegen die Forderung der EU-Versicherungsbehörde EIOPA, Dividenden auszusetzen und Aktienrückkäufe zu stoppen, so lange die Folgen der Krise nicht absehbar sind. Ein pauschales Ausschüttungsverbot halte sie "derzeit nicht für geboten", erklärte die Bonner Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die Allianz, die Münchener Rück und die HDI-Muttergesellschaft Talanx bekräftigten ihre Absicht, ihre Gewinne für das abgelaufene Jahr wie geplant über Dividenden an die Aktionäre weiterzureichen. "Die Allianz ist in guter Verfassung", sagte ein Sprecher des europäischen Marktführers.

Die Behörden in anderen EU-Ländern wollen dagegen zumeist der EIOPA-Linie folgen. Diese hatte die Versicherer - wie die EZB zuvor die Banken - aufgefordert, auf Aktienrückkäufe und Dividendenzahlungen zu verzichten. Zudem sollten Boni möglichst aufgeschoben werden. Die nationalen Aufsichtsbehörden sind an die Weisung des Regulierers aber nicht gebunden. Die Frankfurter EIOPA koordiniert nur die Aufsicht in den 27 EU-Ländern und legt die Eigenkapitalregeln fest. Auch Großbritannien unterliegt bis Ende des Jahres noch dem Regelwerk.

BaFin-Exekutivdirektor Frank Grund sagte, ob eine Dividende gezahlt werde und wie hoch sie ausfallen könne, müsse für jeden Versicherer einzeln betrachtet werden. Dabei müssten auch Risiken infolge der Corona-Pandemie berücksichtigt werden. "Wir stehen in engem Dialog mit den Unternehmen und erwarten eine überzeugende Begründung, falls sie Dividenden ausschütten wollen", so Grund. Die großen deutschen Versicherer haben dicke Kapitalpolster - zum Teil mehr als doppelt so hoch wie verlangt - und investieren eher wenig in Aktien, sind damit also von der Talfahrt an den Börsen nicht stark betroffen.

Die Allianz und Talanx glauben, die BaFin überzeugen zu können. Ein Talanx-Sprecher sagte, der Dividendenvorschlag über 1,50 Euro je Aktie solle der Hauptversammlung vorgelegt werden. Die Allianz hält sogar an ihrem 1,5 Milliarden Euro schweren Aktienrückkauf fest. Die Münchener Rück hat bereits grünes Licht von der Aufsicht, wie geplant 9,80 Euro je Aktie auszuschütten. "Wir sind sehr solide kapitalisiert und auch nach einer Dividendenzahlung komfortabel innerhalb unserer optimalen Solvenzquote von 175 bis 220 Prozent", sagte ein Sprecher. "Die BaFin hat keine Bedenken geäußert." Der Rückversicherer hatte die Gewinnprognose zurückgenommen, nachdem die Olympischen Sommerspiele in Tokio wegen der Coronakrise verschoben und viele Events abgesagt wurden, die er gegen Ausfall versichert hat.

DREI VERSICHERER SCHÜTTEN ZEHN MILLIARDEN EURO AUS

Außerhalb Deutschlands gaben die Aktien von Versicherern und Rückversicherern kräftig nach. Die EIOPA nehme ihren Aktien ihre größte Anziehungskraft, sagten Analysten von JPMorgan Cazenove. Nach Berechnungen von Berenberg schütten allein die drei Branchengrößen Allianz, Axa und Generali mehr als zehn Milliarden Euro aus. Die niederländische Notenbank, die auch die Versicherer beaufsichtigt, stellte sich "aufs Äußerste" hinter die EIOPA. Die Papiere von Aegon brachen um 8,5 Prozent ein, die des Rivalen NN 6,5 Prozent. Frankreichs größter Versicherer AXA verschob seine Hauptversammlung auf den 30. Juni, um mit den Aufsehern vorher über die Dividende sprechen zu können.

Aufseher in Großbritannien und der Schweiz äußerten sich vorsichtiger. Die Bank von England ermahnte die Branche, wegen der Unsicherheit "umsichtig" bei Dividenden oder Boni zu sein. Die schweizerische FINMA empfiehlt den Versicherern abzuwägen: "Starke Institute, die freiwillig ihre Ausschüttungen beschränken oder verschieben, werden länger stark bleiben." Das sei kein Zeichen von Schwäche. Swiss Re und Swiss Life bekräftigten am Freitag ihre Dividendenpläne, die Zurich-Hauptversammlung hat die Ausschüttung am Mittwoch bereits beschlossen.