Zürich (awp) - Beim Stromkonzern Alpiq sorgt eine Vertragsklausel beim Ausstieg von Electricité de France (EDF) aus dem Aktionariat für Unruhe. Offenbar handelt es sich aber nicht um so genannte Earn-out-Mechanismen wie in einem Medienbericht kolportiert. Am Markt wird aktuell nicht von einem deutlich höheren Preis als 70 Franken je Aktie ausgegangen.

Am vergangenen Freitag war bekanntgeworden, dass Alpiq vollständig in Schweizer Hände übergeht: EDF verkauft ihre Alpiq-Beteiligung von 25 Prozent an die Aktionäre Primeo Energie und EOS. Diese wiederum wollen die Aktien an eine Schweizer Anlagegesellschaft weiterreichen. Der neue Grossaktionär heisst CSA Energie-Infrastruktur, ein von der Credit Suisse verwalteter Fonds, in den 135 Schweizer Pensionskassen investiert sind.

Ausserdem sollen die Publikumsaktien dekotiert werden; 12 Prozent befinden sich derzeit im Streubesitz.

Als Kaufpreis wurden am Freitag 70 Franken je Alpiq-Aktie genannt. Die "Finanz und Wirtschaft" schrieb am Mittwoch allerdings, dass EDF mehr erhalten dürfte. Dabei zitierte die Zeitung aus einer Medienmitteilung des französischen Stromkonzerns, worin es hiess: "Die Vereinbarung zum Kauf der Aktien beinhaltet mögliche Earn-out-Mechanismen."

Konkret bedeute dies, dass weitere Zahlungen an EDF fällig würden, sofern Alpiq in der kommenden Zeit gewisse Erfolgsgrössen erreiche, so das Blatt.

Ungenaue Übersetzung

Nimmt man allerdings die französische Version des Stromkonzerns aus dem Nachbarland zur Hand, fällt die etwas andere Formulierung auf: "Der Kaufvertrag sieht Mechanismen vor betreffend möglicher Preiserhöhungen." ("Le contrat d'acquisition prévoit des mécanismes relatifs à d'éventuels compléments de prix.") Von Earn-out ist nicht die Rede.

Alpiq selbst wollte den Bericht nicht kommentieren und verwies auf die Aktionäre, welche den Vertrag geschlossen haben. Ein Sprecher der Kommunikationsagentur IRF, welche Primeo Energie, EOS und CSA vertritt, verwies auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP auf den "kleinen, aber wichtigen Unterschied" zwischen der englischen Version der EDF-Mitteilung und dem Original.

Der Sprecher betonte zudem erneut, dass die Kernaktionäre von Alpiq alle Aktionäre "fair" behandeln wollen. Zukünftige Pläne in Bezug auf die Publikumsaktionäre würden derzeit diskutiert. Eine Anfrage von AWP an EDF blieb bislang unbeantwortet.

Indiz für keine weitere Preisanpassung

ZKB-Analyst Sven Bucher kommentiert den von EDF erwähnten Preismechanismus wie folgt: Es gehe hierbei scheinbar darum, dass bei einem Weiterverkauf oder anderen Transaktionen zu einem höheren Preis EDF ebenfalls von einer Preiserhöhung profitieren würde. Dies sei ein weiteres Indiz dafür, dass die Schweizer Konsortialaktionäre inklusive CSA wohl freiwillig keinen Preis über 70 Franken pro Aktie für den im Publikum befindlichen Anteil bezahlen wollen. Sonst müssten sie auch EDF entsprechend entschädigen.

Es war bereits am vergangenen Freitag mehr oder weniger klargestellt worden, dass der Preis, zu dem EDF ihren Anteil verkauft, auch Richtgrösse für die Kleinaktionäre sein dürfte. Weitere Angaben zum Rückkauf der Publikumsaktien sollen zwar erst nach Abschluss der Transaktion erfolgen. Dominik Bollier als Vertreter der künftigen Aktionärin CSA Energie-Infrastruktur betonte allerdings: "Es wäre falsch, auf einen höheren Preis zu spekulieren." Und: Sicherlich würden aber "alle Aktionäre gleich behandelt".

Unklar blieb am Freitag noch, wer die Publikumsaktien zurückkaufen wird, also ob dies Alpiq oder jemand von den Aktionären sein wird. Das sei derzeit "in Verhandlung", hiess es lediglich.

Squeeze-out wahrscheinlich

Nach Ansicht von Energieexperte Bucher ist davon auszugehen, dass nach der Dekotierung und bei Erreichung der Schwelle von 90 Prozent ein Squeeze-out versucht wird. Letztlich bestehe die Möglichkeit für einen höheren Preis für die Publikumsaktionäre durch langwierige rechtliche Verfahren. Wenn es den Kernaktionären nicht gelingt, die 90-Prozent-Schwelle zu erreichen, könnten die Publikumsaktionäre allenfalls von einem Preisanstieg im ausserbörslichen Handel profitieren.

An der Börse schossen die Aktien von Alpiq nach der Ankündigung vom Freitag in die Höhe und schlossen am Ende des Tages nicht überraschend bei genau 70 Franken (+7,4 Prozent). In den darauffolgenden Tage stieg die Aktie jedoch über diese Marke und notiert am (heutigen) Donnerstag gegen 12.50 Uhr bereits bei 74,10 Franken.

In verschiedenen Medienberichten wurden von Publikumsaktionären 140 Franken (Martin Ebner) und 100 Franken (EIC Energy Infrastructure Fund) als angemessen bezeichnet. Auch Analysten zeigten sich vom Preis überrascht. Der "Handwechsel" des 25-Prozent-Aktienpakets sei nicht unerwartet gewesen, schrieb etwa Research Partners nach der Ankündigung. "Dennoch sind der Ablauf und vor allem die Ankündigung, die Alpiq-Aktie mittelfristig dekotieren zu wollen, überraschend und der Transaktionspreis von 70 Franken je Aktie beziehungsweise 489 Millionen Franken unerwartet niedrig."

Und auch die ZKB schrieb damals: "Wir waren davon ausgegangen, dass EDF nur zu einem höheren Preis als 70 Franken verkaufen würde."

ys/ra