SALZGITTER/FRANKFURT (dpa-AFX) - Ohne Abgase durch den Taunus fahren - für Fahrgäste von vier Regionalbahnstrecken bei Frankfurt wird das in einigen Jahren Wirklichkeit. Zum Fahrplanwechsel 2022/2023 hat der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) eine Flotte von 27 Zügen bestellt, die von Brennstoffzellen angetrieben werden. Einen entsprechenden Großauftrag mit einem Gesamtvolumen von rund 500 Millionen Euro hat die RMV-Tochter "fahma" erteilt. Der Auftrag beinhaltet auch die Versorgung mit Wasserstoff am Industriepark Höchst, die Instandhaltung sowie Reservezüge für die nächsten 25 Jahre, wie die beteiligten Unternehmen am Dienstag in Frankfurt mitteilten.

Dem RMV zufolge wird damit die größte Brennstoffzellen-Flotte der Welt auf Hessens Schienen gestellt. RMV-Chef Knut Ringat bezeichnete das Projekt als "Riesenschritt in Richtung einer Mobilität ohne Schadstoffe". Technisch fußt der eingesetzte Triebwagen "iLint 54" mit 160 Sitzplätzen auf einem vielfach erprobten Dieselmodell des Herstellers Alstom. Für den Hersteller aus Salzgitter bedeutet die Bestellung aus Hessen den zweiten Großauftrag für seinen Brennstoffzellenzug. Rund um Bremervörde rollen bereits zwei Demonstrationszüge, bis Ende 2021 sollen dann 14 Einheiten für die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen einsatzbereit sein.

Zumindest im direkten Betrieb eines solchen Zuges fallen keine klimaschädlichen Emissionen an, weil in einer Brennstoffzelle Wasserstoff kontrolliert mit Sauerstoff reagiert und so Strom für den Elektromotor liefert. Bei dem Prozess entstehen Strom, Wärme und als Abfallprodukt Wasserdampf. Zwei schwere Batterien speichern zusätzlich die Bremsenergie und überschüssigen Strom aus der Zelle.

Allerdings kommt reiner Wasserstoff in der Natur nicht vor, sondern muss mit hohem Energieaufwand aus Verbindungen wie Wasser oder Methan gelöst werden. Für den Betrieb in Hessen ist geplant, auf Wasserstoff zurückzugreifen, der im Industriepark Höchst als Nebenprodukt chemischer Prozesse anfällt. "Wir starten dafür keine Extra-Produktion", stellte eine RMV-Sprecherin klar. Die Tankstelle für die Züge soll auf dem Gelände in Frankfurt-Höchst in Kooperation mit dem Industriepark-Betreiber Infraserv gebaut werden.

In den Chemieanlagen am Main gibt es langjährige Erfahrungen mit dem hochexplosiven Gas, das bei der Produktion organischer Grundstoffe massenhaft anfällt. Bislang wird der Wasserstoff beispielsweise in der Düngerproduktion weiterverwendet oder schlicht zur Stromgewinnung verbrannt. Bei der Chlor-Alkali-Elektrolyse zur Produktion wird allerdings zunächst reichlich Energie aufgewendet, weswegen der so gewonnene Wasserstoff nicht als klimaneutral gelten kann.

Man spricht auch von "schwarzem Wasserstoff". "Grünen Wasserstoff" bekommt man erst, wenn das Gas mit dem Einsatz erneuerbarer Energien erzeugt wird. Vor allem die Windenergiebranche setzt große Hoffnungen in das Power-to-Gas-Verfahren, bei dem Wasser mit Hilfe des Windstroms in Sauerstoff und speicherbaren Wasserstoff aufgespalten wird.

Der Bahnbetrieb mit Brennstoffzelle sei eine schnell umsetzbare Alternative zur Elektrifizierung der Nebenstrecken, sagte Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne). Die Europäische Union und der Bund unterstützen das Vorhaben. Der Bund trägt nach den Worten von Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann 40 Prozent der Mehrkosten im Vergleich zu einem Dieselzug und fördert anteilig den Ausbau der Wasserstoff-Tankstelle im Industriepark.

Die Züge sollen nach RMV-Angaben auf den Strecken von Frankfurt nach Bad Soden, Königstein und in den Taunus-Ort Brandoberndorf sowie von Friedrichsdorf nach Friedberg eingesetzt werden. Diese werden bislang von der Hessischen Landesbahn (HLB) gefahren, der Betrieb mit den Brennstoffzellen-Zügen ist aber neu ausgeschrieben. Eine Entscheidung falle voraussichtlich zum Jahreswechsel 2020/2021, erklärte eine Verbundsprecherin. Die Fahrgäste dürften modernste Technik inklusive eines kostenfreien W-LAN erwarten./ceb/DP/mis