- von Alexander Hübner

Siemens schlägt sich in der Corona-Krise bisher besser als befürchtet.

Der Münchner Technologiekonzern musste von April bis Juni bei Umsatz und Auftragseingang relativ leichte Einbußen hinnehmen, weil sich die Zug-Sparte und das Software-Geschäft krisenfest zeigten. Der operative Gewinn im Industriegeschäft (Ebita) stieg im dritten Quartal - am Höhepunkt der Pandemie - sogar überraschend um acht Prozent auf 1,79 Milliarden Euro, wie Siemens am Donnerstag mitteilte. Der scheidende Vorstandschef Joe Kaeser sprach von einer "sanften Landung". Er rechne damit, dass Umsätze und Orders im vierten Quartal des Geschäftsjahres 2019/20 (Ende September) wieder besser ausfielen als im dritten. "Ich bin zuversichtlich, dass wir auch im vierten Quartal eine gute Leistung zeigen können." Analysten und Börsianer zeigten sich angetan: Die Siemens-Aktie legte um bis zu 4,6 Prozent auf 117,20 Euro zu und näherte sich ihrem Jahreshoch vom Dezember. Seit Mitte März hat sich der Börsenwert des Konzerns verdoppelt.

"Unsere Performance ist besser - zum Teil wesentlich besser - als wir das vor drei Monaten erwartet hätten", sagte Kaesers Stellvertreter Roland Busch, der ihm Anfang Februar 2021 an der Spitze von Siemens folgt. Die Lieferketten seien weitgehend intakt geblieben. Auch Kurzarbeit und um 70 Prozent gesunkene Reisekosten trugen zu dem höheren operativen Ergebnis bei. Unter dem Strich halbierte sich der Gewinn allerdings auf 535 Millionen von 1,14 Milliarden Euro. Dafür verantwortlich waren vor allem die Verluste der spanischen Windkraft-Tochter Siemens Gamesa. Sie wird als Teil der Energietechnik-Sparte Siemens Energy am 28. September an die Börse gebracht.

Siemens Energy dürfte damit im Quartal vor dem Börsengang tiefrote Zahlen geschrieben haben, auch wenn der Rest der Sparte operativ "leicht positiv" abschnitt. Mit der Abspaltung gibt der Konzern die Mehrheit der Anteile ab, 55 Prozent bekommen die Siemens-Aktionäre ins Depot gebucht. Die Kosten der Abspaltung dürften den Gewinn im Gesamtjahr "wesentlich belasten". Deshalb gibt Siemens auch weiterhin keine Gewinnprognose ab. Der Umsatz werde wegen der Corona-Pandemie "moderat", also um drei bis fünf Prozent, unter Vorjahr liegen. Nach neun Monaten steht ein Minus von zwei Prozent zu Buche.

MUSTERKNABE SOFTWARE

Von April bis Juni ging der Umsatz um fünf Prozent auf 13,5 Milliarden Euro zurück, der Auftragseingang um sieben Prozent auf 14,4 Milliarden. Das Geschäft mit Industrie-Software, wo der Umsatz um zehn Prozent stieg, sei der "Star-Performer" gewesen, schrieben die Analysten von Jefferies. Das Geschäft mit Zügen, wo Siemens kürzlich einen Milliardenauftrag der Deutschen Bahn bekommen hatte, legte zu, kämpfte aber am stärksten mit den Corona-Einschränkungen, die den Gewinn vorübergehend unter Druck setzten. Busch bekräftigte, die Sparte bleibe "integraler Bestandteil" von Siemens.

Eine Fusion mit dem französischen Rivalen Alstom war am Widerstand der EU-Wettbewerbshüter gescheitert, die den Franzosen kürzlich aber grünes Licht für die Übernahme der Zug-Sparte von Bombardier gaben. "Ich bin absolut im Reinen damit", sagte Busch. Die Genehmigung sei wohl der prekären Lage des angeschlagenen kanadischen Konzerns geschuldet. Siemens Mobility stehe auch alleine gut da.

Doch die Zukunft von Siemens gehört dem Software-Geschäft - nicht nur in der Automatisierungs-Sparte Digital Industries (DI), sondern auch in der Gebäude- und Infrastruktur-Technik (SI). "Wir werden uns natürlich weiter umsehen am Markt, was Akquisitionen angeht", sagte Busch. Die Ratingagenturen hatten allerdings zuletzt die steigende Verschuldung infolge des 16,4 Milliarden Dollar schweren Zukaufs der Erlanger Medizintechnik-Tochter Healthineers kritisiert, die den US-Rivalen Varian schlucken will. Für Kaeser ist die Übernahme ein Beleg für die Richtigkeit seiner Strategie, den Konzern aufzuspalten: "Ein derartiger transformatorischer Schritt (wäre) in der früheren Konglomeratsstruktur der alten Siemens AG nicht möglich gewesen."

Der nächste, kleinere Schritt soll im nächsten Jahr folgen: die Abspaltung der Getriebetochter Flender, die wie Siemens Energy an der Börse gelistet werden soll. Kaeser schließt aber nicht aus, dass das Unternehmen aus Bocholt vorher verkauft werden könnte, etwa an einen Finanzinvestor. "Wir haben einen Plan. Wenn jemand meint, er habe einen besseren Plan, hören wir uns das natürlich an."