DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Der möglicherweise bald in den Dax einziehende Essenslieferdienst Delivery Hero lässt Anleger über den Zeitpunkt für einen Sprung in die Gewinnzone im Ungewissen. Auf die Frage des "Handelsblatt" (Freitagausgabe), wann das Unternehmen profitabel werde, antwortete Firmenchef Niklas Östberg: "Ich weiß es wirklich nicht. Als ich letztes Mal ein Datum genannt habe, habe ich mich geirrt."

Man habe nicht damit gerechnet, dass Konzerne wie Uber alle ihre Anstrengungen in das Ausliefern von Mahlzeiten legen würden. "Ich möchte mich nicht mehr auf ein fixes Ziel festlegen, damit wir flexibel bleiben, im Ernstfall mit aller Kraft unsere Position zu verteidigen", betonte Östberg. "Was ich sehe: Der Markt erwartet, dass wir in zwei bis drei Jahren so weit sind." Schließlich sei der größte Teil des Geschäfts bereits profitabel.

An der Börse kamen die Aussagen nicht gut an. Das sei natürlich nicht das, was Investoren hören wollten, hieß es am Markt. Als einer der schwächsten Werte im MDax sackten die Aktien am Vormittag um 6,6 Prozent auf 90,76 Euro ab. Seit Jahresbeginn haben die Papiere aber immer noch rund 30 Prozent an Wert gewonnen, Delivery Hero wird schon längere Zeit als ein Gewinner der Corona-Krise gehandelt.

Mit Blick auf das Erreichen der Gewinnschwelle verwies Konzernchef Östberg gegenüber dem "Handelsblatt" auf den Online-Giganten Amazon: "Amazon hat 16 Jahre gebraucht bis zu Gewinnen. Wir werden schneller sein, denn wir sind in vielen europäischen Ländern und im Nahen Osten bereits profitabel." Er gestand allerdings ein, dass das Asiengeschäft umso verlustträchtiger sei. Der Verkauf der Deutschland-Sparte an Takeway.com habe dabei geholfen, die Expansion in Asien zu finanzieren.

"Dort leben 750 Millionen Menschen, daher lohnt sich das Investment", so Östberg. Mit einer steigenden Zahl von Bestellungen sinke der prozentuale Anteil der Ausgaben für Werbung und andere Fixkosten. Wenn das Unternehmen es also schaffe mehr Kunden zu gewinnen, könne Delivery Hero relativ schnell Gewinne schreiben. Einen Einstieg in große Märkte wie die USA, China oder Japan lehnt der gebürtige Schwede jedoch ab: "Wir wollen keinen Preiskampf, daher gehen wir nicht in verteilte Märkte."

Auch einer Zukauf-Strategie erteilte der Konzernchef im Interview vorläufig eine Absage. Die kürzlich über eine Wandelanleihe aufgenommenen 1,5 Milliarden Euro will Östberg vor allem in organisches Wachstum investieren. Sollte sich allerdings eine "besonders gute Gelegenheit" bieten, schließt der Delivery-Hero-Chef auch eine weitere Übernahme nicht aus. Zuletzt hatte das Unternehmen den südkoreanischen Marktführer Woowa für 3,6 Milliarden Euro übernommen. Die Zustimmung der Behörden steht zwar noch aus, Östberg erwartet sie aber im laufenden Halbjahr.

Unter den Marktbeobachtern herrscht derweil weiterhin großes Vertrauen in die Entwicklung von Delivery Hero. Von 14 von der Nachrichtenagentur Bloomberg gelisteten Experten empfehlen elf den Kauf und drei ein Halten der Papiere. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 103,21 Euro und damit fast 14 Prozent über dem aktuellen Kurs. Am Markt geht man trotz des Corona-Rückenwinds bei den Bestellungen jedoch weiterhin von steigenden Verlusten im Gesamtjahr aus, sowohl operativ als auch unter dem Strich.

Delivery Hero selbst strebt einen Jahresumsatz von 2,4 bis 2,6 Milliarden Euro an, hatte der Konzern Ende April bekanntgegeben. Das wäre ein Plus von rund 70 Prozent zum Vorjahr. Das operative Ergebnis (bereinigtes Ebitda) soll nach wie vor zwischen minus 14 und minus 18 Prozent des Umsatzes betragen - das Unternehmen dürfte also weiter rote Zahlen schreiben. Darin sind aber bereits Kosten von 50 Millionen Euro für die Coronavirus-Krise enthalten, mit denen Delivery Hero im Nahen Osten und Nordafrika rechnet./ssc/niw/fba