Die Behörde müsse nach den beiden Flugzeugabstürzen in Äthiopien und Indonesien ihre Aufsichtspraxis weiterentwickeln, schrieb der kommissarische FAA-Chef Dan Elwell in seiner Erklärung, die er bei einer Anhörung im US-Senat am Mittwoch abgeben wollte und die Reuters vorlag. Die Federal Aviation Authority (FAA) sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, sie habe bei der Genehmigung des neuen Boeing-Modells nicht sorgfältig gearbeitet. Bei der Anhörung in Washington (20.00 Uhr MEZ) wollen die Politiker von Elwell erfahren, wie der Genehmigungsprozess, bei dem der Flugzeughersteller Boeing selbst einen großen Teil der Arbeit leistet, verändert wird.

Schon seit dem ersten 737-MAX-Absturz im Oktober in Indonesien untersuchen das Justiz- und das Verkehrsministerium in den USA das Zulassungsverfahren des Modells, das wegen des zweiten Absturzes kurz nach dem Start in Äthiopien Anfang März vorerst aus dem Verkehr gezogen worden ist. Experten vermuten als Unfallursache für die Abstürze, denen 346 Menschen zum Opfer fielen, Fehler im Kontrollsystem MCAS. Es sorgt dafür, dass die Flugzeugnase automatisch gesenkt wird, wenn ein Strömungsabriss droht. Nach einem Bericht der "Seattle Times" wurde auch diese Funktion von Boeing-Ingenieuren selbst für die FAA geprüft. Elwell erklärte gegenüber dem Senat, an den knapp 300 Testflügen für das MCAS seien Ingenieure und Testpiloten der Behörde beteiligt gewesen. Die jetzt kritisierte Praxis einer engen Zusammenarbeit von Aufsicht und Beaufsichtigtem bei der FAA hatte der US-Kongress selbst befürwortet. Im vergangenen Jahr wies die Politik die Behörde an, mit externen Fachleuten zu arbeiten, um die Genehmigung zu beschleunigen.

Boeing will ebenfalls am Mittwoch rund 200 Piloten und Vertreter von Fluggesellschaften über das schon vor dem Absturz in Äthiopien entwickelte Software-Update zum MCAS-System informieren. Die Piloten sollen künftig in den Automatismus eingreifen können, das MCAS soll bei stark abweichenden Daten der beiden Sensoren am Flugzeug abgeschaltet werden, wie Reuters von Insidern erfuhr. US-Pilotenverbände hatten nach dem ersten Absturz erklärt, Boeing habe sie über das System nicht aufgeklärt. Es müsse sichergestellt werden, dass so etwas nicht noch einmal passiert, erklärte die Vereinigung von American-Airlines-Piloten.

Neue Hiobsbotschaften kamen am Dienstag (Ortszeit) aus Florida, wo eine Boeing 737 MAX 8 der Southwest Airlines eine Notlandung hinlegen musste. Nach Angaben der Fluggesellschaft trat kurz nach dem Start ein Triebwerksproblem auf. Ein Zusammenhang mit dem Computersystem der 737 MAX habe nicht bestanden. Die Crew habe das Protokoll befolgt und sei sicher zum Flughafen in Orlando zurückgekehrt. Da es sich um einen Überführungsflug gehandelt habe, seien auch keine Passagiere an Bord gewesen. Southwest, größter Einzelkunde für das Modell, kassierte inzwischen auch die Quartalsprognose. Die Airline hat 31 Maschinen des Typs 737 MAX im Betrieb, die derzeit alle am Boden bleiben müssen.

LUFTHANSA STEHT ZU BOEING

Lufthansa-Chef Carsten Spohr nutzte unterdessen eine Preisverleihung an die Kranich-Airline in New York zu einer Vertrauenserklärung gegenüber Boeing. Die Lufthansa hat die 737 MAX bisher nicht im Einsatz, zieht aber Spohr zufolge deren Anschaffung trotz der jüngsten Katastrophen in Betracht. "Wir haben unser Vertrauen in Boeing nicht verloren", sagte Spohr. Der US-Flugzeughersteller werde das derzeitige Problem in den Griff bekommen. Im kommenden Jahr werde die Lufthansa über die Anschaffung einer dreistelligen Zahl von Kurzstreckenfliegern zur Erneuerung ihrer Flotte entscheiden. Zur Auswahl stehen neben der 737 MAX der Airbus A320neo, der A220 (ehemals Bombardier C-Series) und ein Embraer-Modell.

Mit Blick auf die Aufarbeitung der Unglücksursachen ergänzte Spohr: "Ich glaube, dieses Land wird nicht ruhen, bis man herausgefunden hat, was wirklich passiert ist und was verbessert werden muss." Er rechne damit, dass die Behörden in Europa und sonstwo außerhalb der USA Boeing-Flugzeuge künftig genauer prüften. Bisher erkennen FAA und die europäische Aufsicht EASA die Freigaben von Boeing- und Airbus-Modellen gegenseitig an.