(Neu: Aktienkurs, Analystenstimmen, weitere Details und Hintergründe.)

PREMSTÄTTEN/MÜNCHEN (dpa-AFX) - Jetzt also doch: Der österreichische Halbleiterkonzern AMS macht mit seiner Offerte für den deutschen Beleuchtungshersteller Osram ernst. Die Österreicher wollen den Osram-Anteilseignern 38,50 Euro je Aktie bieten. Das sind zehn Prozent mehr als die beiden US-Finanzinvestoren Bain Capital und Carlyle zahlen wollen, wie das vergleichsweise kleine Unternehmen aus Premstätten in der Steiermark mitteilte. Zudem liegt das AMS-Gebot knapp 22 Prozent über dem Xetra-Schluss der Osram-Aktie vom Freitag. AMS hatte bereits Mitte Juli einmal einen Vorstoß gewagt, diesen aber schnell wieder beendet.

Ein Osram-Sprecher bestätigte auf Nachfrage, dass der Konzern die Unterlagen von AMS über das Übernahmeinteresse erhalten habe. Diese würden derzeit ausgewertet, anschließend werde sich Osram dazu äußern. Einen genauen Zeitpunkt nannte er jedoch nicht. AMS ist laut eigener Aussage bereit, Osram bis zum 15. August ein konkretes Übernahmeangebot mit Beginn der Angebotsfrist vor dem 5. September dieses Jahres zu unterbreiten. Voraussetzung sei allerdings die Aufhebung des Stillhalteabkommens durch den Lichtkonzern, welches verhindere, dass AMS ein Übernahmeangebot für Osram abgeben könne. Nun ist laut AMS Osram am Zug.

Bei den Osram-Anlegern sorgten die Nachrichten für Begeisterung. Die Osram-Aktie zog nach Handelsbeginn um rund elf Prozent an und lag zuletzt noch rund 9 Prozent im Plus bei 34,40 Euro. Dagegen gerieten die AMS-Anteilsscheine nach Bekanntwerden der Offerte unter Druck und verloren zwischenzeitlich fast 10 Prozent an Wert. Auch deshalb, da die in Zürich gelistete AMS im Zuge der Übernahme eine Kapitalerhöhung plant, die die Anteile der bisherigen Aktionäre verwässern würde.

Mit dem Gebot wird Osram mit 4,3 Milliarden Euro inklusive Schulden bewertet. Die Österreicher haben sich den Angaben zufolge eine Brückenfinanzierung von 4,2 Milliarden Euro gesichert. Einen Teil davon will das Unternehmen über die Ausgabe von neuen Aktien zurückzahlen. Dafür soll das Kapital um 1,5 Milliarden Euro erhöht werden. AMS selbst ist an der Börse etwas mehr als 4,1 Milliarden Schweizer Franken oder umgerechnet rund 3,8 Milliarden Euro wert. Die Österreicher wollen durch den Zusammenschluss mit Osram einen "weltweit führenden Anbieter von Sensoriklösungen und Photonik" schmieden, der einen Umsatz von rund 5 Milliarden Euro erwirtschaften soll.

Aus Sicht von Analyst Christian Sandherr von der Privatbank Hauck & Aufhäuser wäre der Kauf des Lichttechnikspezialisten Osram durch AMS strategisch sinnvoll und würde den Gewinn je Aktie nach einer Integration steigern. Allerdings würden vorübergehend die Schuldenquote und die operativen Risiken durch die starke Ausrichtung von Osram auf die Autobranche steigen, gibt Sandherr zu bedenken. Da die angebotenen 38,50 Euro aber wohl unter dem Einstiegspreis einiger großer Anteilseigner lägen, könnte AMS eventuell gezwungen sein, die Offerte zu erhöhen, vermutet der Analyst.

Die Österreicher hatten Mitte Juli bereits Interesse an Osram angemeldet, sich dann aber wieder zurückgezogen. Damals hieß es, der Konzern sehe nach einer Evaluierung "keine ausreichende Basis" für eine Fortsetzung der Gespräche. Kurz danach teilte AMS aber auch mit, dass eine Übernahme noch nicht vom Tisch ist. Osram selbst hatte sich gegen den AMS-Vorstoß gewehrt und favorisiert das bereits laufende Gebot von Bain Capital und Carlyle. Die beiden Unternehmen bieten 35 Euro je Anteil.

Zuletzt hatte es aber starken Widerstand gegen das Gebot der beiden US-Unternehmen gegeben. So hatte sich in der vergangenen Woche mit der Allianz-Tochter AGI die größte Osram-Anteilseignerin gegen die Offerte gestellt und angedroht, ihr Paket von rund neun Prozent der Anteile nicht anbieten zu wollen. Am Freitag lehnte zudem die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) das Gebot ab. "Der Barabfindungspreis ist aus Sicht der SdK nicht angemessen." Ein Sprecher der beiden US-Finanzinvestoren wollte die jüngsten Entwicklungen auf Nachfrage nicht kommentieren.

Bisher haben nur wenig Aktionäre ihre Anteile angedient. Sie haben aber auch noch bis 5. September Zeit zum Überlegen, dann läuft die Annahmefrist ab. Für gewöhnlich werden bei Übernahmeprozessen die Anteile erst kurz vor Ablauf der Frist angeboten. Die US-Investoren haben sich jedoch selbst eine hohe Hürde gesetzt: Falls weniger als 70 Prozent der Aktionäre zustimmen, wollen sie die Übernahme abblasen.

Osram steht zum Verkauf, weil der Konzern in den vergangenen eineinhalb Jahren in schwieriges Fahrwasser geraten ist. Das Unternehmen produziert mittlerweile hauptsächlich LEDs und Optoelektronik. Die wichtigsten Kunden sind Auto- und Smartphonehersteller. Da in beiden Branchen die Geschäfte derzeit schlecht laufen, ist der Beleuchtungshersteller hart getroffen.

Die weiterhin schwachen Automärkte und hohe Umbaukosten hatten das Traditionsunternehmen im abgelaufenen dritten Geschäftsquartal in die Verlustzone rutschen lassen. Konzernchef Olaf Berlien musste einräumen, dass der Zeitraum zwischen April und Juni für den MDax-Konzern noch keine Belebung des Geschäfts zeigte.

Im Frühjahr hatte Osram mit einer Gewinnwarnung für große Unruhe unter den Investoren gesorgt und seine Serie von schlechten Nachrichten aus dem Jahr 2018 fortgesetzt. Momentan läuft ein Sparprogramm, durch das Osram die jährlichen Kosten bis zum Jahr 2021 um mehr als 200 Millionen Euro senken will.

IG Metall und Osram-Betriebsrat lehnen eine feindliche Übernahme ab, weil sie eine Zerschlagung des Beleuchtungskonzerns fürchten. Die Arbeitnehmervertreter haben dagegen keine grundsätzlichen Einwände gegen das US-Angebot, Bain Capital und Carlyle haben den Erhalt von Standorten und Arbeitsplätzen zugesichert. Hier hatte AMS jetzt auch ein Entgegenkommen angedeutet. Es gebe die Bereitschaft zu einer verbindlichen Vereinbarung mit Schutzklauseln und Zusagen für Mitarbeiter sowie weitere Investitionen in Deutschland, hieß es in der Mitteilung vom Sonntag.

Wenig interessiert zeigt sich AMS jedoch am Osram-Geschäftsbereich Digital, der den Aussagen des Unternehmens zufolge "nicht als Kernbereich" angesehen wird. Der Fokus solle künftig auf der LED-Sparte Opto Semiconductors und dem Automotive-Geschäft liegen, kombiniert mit den Kerngeschäftsfeldern von AMS. Osrams Hauptsitz in München soll als "bedeutsamer Standort" erhalten bleiben, wichtige Unternehmensfunktionen zwischen der bayerischen Landeshauptstadt und dem AMS-Hauptsitz in Premstätten aufgeteilt werden.

AMS sieht durch eine Übernahme allerdings auch viel Potenzial durch Kostensenkungen. So sollen die jährlichen Aufwendungen um 240 Millionen Euro sinken. Die eine Hälfte soll vor allem aus der Zusammenlegung von Fabriken kommen - die andere Hälfte durch Einsparungen in der Verwaltung, der IT sowie in Forschung und Entwicklung. Zudem erhofft sich AMS durch den Kauf von Osram positive Effekte auf den Umsatz in Höhe von 60 Millionen Euro. Um die Synergieeffekte von insgesamt 300 Millionen Euro zu erreichen, seien einmalige Kosten von 400 Millionen Euro notwendig.

AMS geht davon aus, den Osram-Deal in der ersten Hälfte des Jahres 2020 abschließen zu können. Die Mindestannahmeschwelle durch die Aktionäre soll wie beim Angebot der US-Finanzinvestoren bei 70 Prozent liegen./eas/nas/men