CUPERTINO (dpa-AFX) - Apple reißt seine Kunden nicht mehr vom Hocker: Bei der Präsentation der Neuheiten am Dienstag stellte Firmenchef Tim Cook zwar interessante Kamera-Funktionen vor, doch bahnbrechende Überraschungen gab es nach Meinung von Analysten nicht. Die iPhone-Verkäufe gehen seit Monaten zurück, und der Aktienkurs erholt sich noch von seinem Absturz Ende vergangenen Jahres. Wie lautet die Strategie des Tech-Riesen aus Kalifornien? Was in Cupertino los ist, was die Analysten sagen und wohin sich die Aktie entwickelt:

WAS BEI APPLE LOS IST:

Früher machte das Unternehmen mit dem Apfel-Logo die Massen verrückt. Fans campierten vor den Apple Stores, um als erste das neueste iPhone in Händen zu halten. Das Schlangestehen gehörte zum guten Ton für eingefleischte Liebhaber. Der Hype hat abgenommen, und das hat einen Grund: Der Konzern entwickelt seine Produkte zwar konsequent weiter, echte Überraschungen gibt es allerdings nicht mehr. So auch bei der Präsentation am Dienstag: drei neue iPhones mit besseren Kameras, widerstandsfähigerem Glas für die Displays, eine neue Apple Watch, bei der das Display dauerhaft eingeschaltet ist, und ein iPad mit größerem Bildschirm.

Vor zwölf Jahren hatte der damalige Chef und Firmengründer Steve Jobs das erste iPhone präsentiert - damals eine mobile Revolution. Später kamen das iPad und zuletzt 2015 die Apple Watch hinzu. Seitdem ist es ruhiger geworden. Die neue Strategie geht wohl in eine andere Richtung: weg von Innovationen in Sachen Hardware, hin zu Online-Diensten und Abo-Modellen. Erst in diesem Jahr startete Apple ein Online-Portal für Zeitungen und Zeitschriften und brachte dazu seine eigene Kreditkarte heraus. Noch in diesem Herbst kommt der neue Streaming-Dienst "Apple-TV+", der Netflix Konkurrenz machen soll, aber mit 4,99 Euro pro Monat in Deutschland deutlich günstiger sein wird. Netflix verlangt mindestens 7,99 Euro. Am Dienstag kündigte Apple auch den Start des Spiele-Abos Arcade mit exklusiven Inhalten an.

Der Konzern sorgt vor, während die Einnahmen beim iPhone zurückgehen. Das Telefon ist zwar nach wie vor das wichtigste Apple-Produkt, sein Anteil am Geschäft sinkt aber. Waren es einst rund zwei Drittel, macht der Umsatz mit Smartphones jetzt nur noch etwa 50 Prozent aus. Nach Berechnungen der Marktforschungsfirma Canalys verkaufte Apple im vergangenen Quartal 36 Millionen iPhones und damit 13 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Das Wachstum im Smartphone-Markt hat sich stark in Schwellenländer verlagert, wo zum Teil eher günstigere, ältere iPhone-Modelle gefragt sind. Wachstum bringen mittlerweile andere Geräte wie die Apple Watch und die kabellosen Airpod-Kopfhörer. Die beiden Geräte tragen aber in Summe deutlich weniger zum Umsatz bei als die Smartphones. Beim iPhone sollen jetzt die neuen Kameras und ein besserer Preis für die günstigste Variante die Verkäufe wieder ankurbeln. Das iPhone 11 kostet mit 799 Euro 50 Euro weniger als das Modell XR bei seiner Einführung vor einem Jahr.

Neben Nachfrageproblemen macht auch der Handelsstreit mit China Apple-Chef Cook zurzeit das Leben schwer. Deshalb traf er sich im August mit US-Präsident Donald Trump, um diesem neue Zölle auszureden - mit mittelmäßigem Erfolg. Immerhin: Das iPhone hat eine Schonfrist bis Mitte Dezember und wird erst dann mit Zöllen belegt. China ist für den Konzern sowohl als Absatz- aber auch als Produktionsstandort wichtig. Somit stellen Zölle eine erhebliche Belastung für den Konzern dar.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Zweifel bleiben: Dass die Nachfrage mit den neuen iPhone-Modellen wieder schlagartig zunimmt, glaubt Analyst Ingo Wermann von der DZ Bank nicht. Er bezeichnet die Neuerungen in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie als "unspektakulär". Die neuen Streaming-Dienste dürften die Service-Sparte zwar weiter stärken, dennoch klingt leichte Kritik wegen der "Kampfpreise" durch. Diese seien auch ein Eingeständnis, dass Apple noch über zu wenige exklusive Inhalte verfüge.

Nur wenige Analysten trauen der Apple-Aktie derzeit einen Kurszuwachs zu. Das durchschnittliche Kursziel der Experten im dpa-AFX Analyser, die ihre Schätzungen seit Januar aktualisiert haben, liegt bei 206,73 US-Dollar - und damit unter dem derzeitigen Wert des Papiers.

Die US-Bank JPMorgan ist allerdings optimistisch und sieht die Aktie langfristig bei einem Kurs von 243 US-Dollar. Aus dem Zollstreit zwischen den USA und China resultierten zwar Risiken für den Konzerngewinn, schreibt Analyst Samik Chatterjee bereits am Montag. Deutlich sinkende Materialkosten für das iPhone sollten dies aber größtenteils aufwiegen. Nach der Präsentation am Dienstag zeigte sich Chatterjee zudem positiv überrascht von der wettbewerbsfähigen Preisgestaltung für die neue iPhone-Generation, das iPad und Dienste wie Apple TV+ und Apple Arcade. Analystin Kathryn Huberty von Morgan Stanley lobte die Umsätze im App-Store, die sich deutlich verbessert hätten.

Am unteren Ende liegt die Schätzung der US-Investmentbank Goldman Sachs, die ihr Kursziel Anfang August leicht auf 189 US-Dollar gesenkt hatte.

Insgesamt sprechen von 12 Analysten im dpa-AFX-Analyser nur 4 eine Kaufempfehlung für die Apple-Aktie aus, 7 raten, das Papier zu halten, einer würde Aktien derzeit eher aus dem Depot werfen.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Ende 2018 ging es für die Apple-Papiere bergab: Nach dem Hoch von gut 233 Dollar Anfang Oktober bröckelte der Kurs. Ernüchternde Aussagen von Cook zum Weihnachtsquartal ließen die Aktie bis Anfang Januar auf 142 Dollar einbrechen. Dabei hatte Apple noch im August 2018 als erstes US-Unternehmen der Geschichte einen Börsenwert von einer Billion US-Dollar erreicht.

Seit dem jüngsten Absturz erholte sich der Kurs nach und nach. Im April ging es für die Aktie wieder über die 200-Dollar-Marke, Anfang Juni dann der nächste Kursrutsch. Zuletzt wurde das Papier mit rund 225 US-Dollar gehandelt, nachdem die Präsentation am Dienstag positive Impulse gebracht hatte.

Seit Jahresbeginn hat die Apple-Aktie insgesamt um mehr als 40 Prozent an Wert zugelegt und ist jetzt wieder etwas mehr als eine Billion Dollar wert. Den Platz des wertvollsten Unternehmens besetzt allerdings mittlerweile Microsoft./knd/kro/stw