MONTE CARLO (dpa-AFX) - Die großen Rückversicherer wittern nach zwei Katastrophenjahren und Hurrikan "Dorian" die Chance auf höhere Prämien. Beim Branchentreffen in Monte Carlo wagte von den Weltmarktführern aber nur der Branchendritte, Hannover Rück, eine konkrete Prognose. Bei der Vertragserneuerung zum Jahreswechsel dürfte Rückversicherungsschutz für Erstversicherer im Schnitt um zwei bis fünf Prozent teurer werden, sagte Hannover-Rück-Vorstand Sven Althoff voraus.

"Wir sind etwas optimistischer als im vergangenen Jahr", sagte Althoff. Ihm zufolge profitiert die Hannover Rück davon, dass Versicherer die Prämien bei ihren Kunden erhöhten und der Rückversicherer einen festen Anteil der Einnahmen erhält. Aber auch bei vielen Verträgen, bei denen der Rückversicherer erst ab einer gewissen Schadenshöhe einspringt, hätten die Prämien angezogen.

Bei ihrem jährlichen Treffen im Fürstentum Monaco sondieren Rückversicherer wie die Weltmarktführer Munich Re und Swiss Re mit ihren Kunden - Erstversicherer wie Allianz und Axa - seit Samstag die Preise und Konditionen für die Vertragserneuerung zum bevorstehenden Jahreswechsel.

Nachdem sich Munich Re und Swiss Re bereits am Sonntag positiv zu ihren Geschäftsaussichten geäußert hatten, ging es für die Aktien der Konzerne am Montag aufwärts. Die Papiere der Munich Re und der Hannover Rück legten bis zur Mittagszeit um rund ein Prozent zu, die der Swiss Re um 1,4 Prozent. Für Erleichterung sorgte auch "Dorian". Die Zerstörungen durch den Wirbelsturm dürften die Branche bei Weitem nicht so teuer zu stehen kommen wie zunächst befürchtet.

"Dorian" war Anfang September als Hurrikan der stärksten Kategorie fünf auf die Bahamas getroffen und hatte dort tagelang getobt. Tausende Häuser wurden zerstört, mindestens 43 Menschen starben. Am Freitag zog "Dorian" in deutlich abgeschwächter Form über einen küstennahen Teil des US-Bundesstaats North Carolina hinweg und hinterließ dort Überschwemmungen, Schäden und Stromausfälle. Am Wochenende traf er in Kanada auf Land.

"Die Katastrophe auf den Bahamas ist eine tragische Sache für die Menschen, die dort alles verloren haben", sagte der neue Hannover-Rück-Chef Jean-Jacques Henchoz. Allerdings hatte Munich-Re-Vorstand Torsten Jeworrek am Sonntag darauf hingewiesen, dass der Sturm immerhin nicht die am stärksten besiedelte Region der Inselgruppe getroffen habe: "Es hätte noch schlimmer ausgehen können."

Nach Jeworreks grober Schätzung dürften sich die gesamten versicherten "Dorian"-Schäden in der Karibik und Nordamerika auf einen mittleren einstelligen Milliarden-Dollar-Betrag belaufen. Die Rating-Agentur Fitch geht von nicht mehr als 10 Milliarden US-Dollar aus. Eine belastbare Schätzung gibt es bisher nur für die Karibik. Der auf Risikoanalysen spezialisierte Versicherungsdienstleister AIR Worldwide taxiert die versicherten Schäden dort auf 1,5 bis 3 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: 2017 hatte Hurrikan "Irma" an der US-Ostküste und in der Karibik die Erst- und Rückversicherer weltweit rund 33 Milliarden Dollar gekostet.

Typischerweise können Rückversicherer nach schweren Katastrophen zumindest in betroffenen Gebieten höhere Prämien durchsetzen. Für Preiserhöhungen auf breiter Front brauche es aber immens hohe Schäden, erklärte Analyst Robert DeRose von der auf Versicherungsbranche spezialisierten Ratingagentur A.M. Best. Die Katastrophenschäden von 2017 und 2018 - zusammen rund 200 Milliarden US-Dollar - hätten dazu jedenfalls nicht ausgereicht.

Denn die Rückversicherer sitzen immer noch auf einem komfortablen Kapitalpolster. Dadurch gibt es weiterhin ein hohes Angebot an Rückversicherungsschutz, und die Nachfrage kommt nicht mit. Hinzu kommt Konkurrenz durch branchenfremde Investoren wie Pensions- und Hedgefonds, die durch Investitionen etwa in Katastrophenanleihen in dem Geschäft mitmischen. Bis zum Naturkatastrophenjahr 2017, dem bisher teuersten für die Branche, waren die Preise sogar lange gesunken.

Der Wettbewerb sei "unverändert intensiv und nach wie vor von Überkapazitäten geprägt", hieß es bei der Hannover Rück. Henchoz zeigt sich aber überzeugt: Wegen der hohen Großschäden und der wieder gesunkenen Zinsen müssten die Preise steigen.

Unterdessen werden Versicherer immer wieder von unerwartet hohen Schäden überrascht. Viele Gefahren habe die Branche unterschätzt oder nicht auf dem Zettel gehabt, räumte Swiss-Re-Manager Moses Ojeisekhoba ein. Dazu zählten etwa der verheerende Dammbruch bei New Orleans als Folge von Hurrikan "Katrina" im Jahr 2005 - und die hohen Schäden durch Waldbrände in Kalifornien 2018.

Für die Zerstörungen durch Taifun "Jebi" in Japan legten Rückversicherer 2018 durch die Bank zu wenig Geld zur Seite - und mussten 2019 hohe Summen nachschießen. "Daher erwarten wir in Japan weitere Preiserhöhungen für 2020", sagte Hannover-Rück-Vorstandsmitglied Silke Sehm.

Angesichts dieser Entwicklung sieht Vorstandschef Henchoz für seinen Konzern das Potenzial, Prämieneinnahmen und Gewinn weiter zu steigern. Eine konkrete Gewinnprognose für 2020 wollte er aber noch nicht abgeben. Von der Nachrichtenagentur Bloomberg befragte Analysten gehen im Schnitt bereits von einem Rekordgewinn von 1,26 Milliarden Euro aus. Das wäre noch mehr als der Rekordgewinn von 1,2 Milliarden Euro, den Henchoz für 2019 anpeilt.

Im laufenden Jahr profitiert die Hannover Rück allerdings auch von einem Sondergewinn in Höhe von 100 Millionen Euro. Dieser fließt ihr im Zuge der Übernahme des Lebensversicherers Generali Leben durch den Abwicklungsspezialisten Viridium zu, an dem sie beteiligt ist./stw/kro/jha/