Allerdings lehnte der Chef des privaten Autobahn-Unternehmens Autostrade per l'Italia, Giovanni Castellucci, am Samstag eine Entschuldigung ab, um keine formelle Verantwortung für die Katastrophe mit 43 Toten zu übernehmen. Die italienische Regierung kündigte als Konsequenz aus dem Brückeneinsturz ein umfassendes Infrastrukturprogramm an, bei dessen Verwirklichung keine Rücksicht auf die europäischen Defizit-Regeln genommen werden soll. Unterdessen stellten die Behörden in Genua nach dem Fund der Leichen der letzten drei Vermissten die Suche nach weiteren Opfern in den Trümmern der Brücke ein.

"Entschuldigungen und Verantwortlichkeiten sind Dinge, die miteinander in Zusammenhang stehen", sagte Castellucci wenige Stunden nach der offiziellen Trauerfeier am Samstag in Genua. "Man entschuldigt sich, wenn man verantwortlich ist." Er wolle das offizielle Untersuchungsergebnis über die Ursachen für den Einbruch der Autobahnbrücke abwarten. Den Angehörigen der Opfer sprach der Chef der Tochter des Infrastruktur-Konzerns Atlantia sein Mitgefühl aus.

Castellucci beteuerte erneut, die Brücke habe sich in einem guten Zustand befunden. Der Bau einer neuen Brücke werde acht Monate dauern. Das Viadukt über Wohngebiete in Genua war während eines Unwetters mit schweren Regenfällen kollabiert. Ein 200 Meter langer Abschnitt der Morandi-Brücke stürzte 50 Meter in die Tiefe.

Die Regierung in Rom wirft Autostrade vor, nicht für die Sicherheit der Brückenstruktur gesorgt zu haben. Die Zuständigkeit für fast 3000 Autobahnkilometer will die Regierung nun dem Unternehmen entziehen. Allerdings steht auch das Transportministerium in der Kritik, denn es muss die Sicherheit der von privaten Unternehmen betriebenen Autobahnen kontrollieren. In Deutschland kündigte Verkehrsminister Andreas Scheuer an, die Kontrollen der Brücken zu verbessern.

SCHADENSERSATZFRAGE KÖNNTE AUCH ALLIANZ BETREFFEN

Von der Schadensersatzfrage könnte auch ein Konsortium um die Swiss Re, an dem mit kleinen Anteilen auch die Allianz und Talanx beteiligt sind, betroffen sein. Die Allianz ist zudem an Autostrade beteiligt. Im vergangenen Jahr kaufte ein Konsortium unter der Führung der Infrastruktur-Tochter Allianz Capital Partners (ACP) einen Anteil von fünf Prozent an Autostrade. Die Allianz hatte sich dafür mit zwei Partnern verbündet: dem französischen Versorger EdF und dem niederländischen DIF Infrastructure Fonds.

Die rechtspopulistische Regierung in Rom reagierte auf das Desaster mit der Ankündigung eines umfassenden Programms zur Sanierung der Infrastrukur. Es werde enorme Investitionen in Straßen, Brücken und öffentlichen Gebäuden wie Schulen geben, kündigte der Staatssekretär im Büro des Ministerpräsidenten, Giancarlo Giorgetti, in der Zeitung "Il Messaggero" an. "Die europäischen Defizit-Regeln existieren nicht", sagte der Politiker der nationalistischen Lega mit Blick auf die zu erwartenden Kosten. Nach dem europäischen Stabilitätsregeln darf die Neuverschuldung eines EU-Staates drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten.

In Genua wurden in der Nacht zum Sonntag die Leichen der letzten drei Vermissten in einem unter Trümmern begrabenen Auto gefunden worden. Damit stieg die Zahl der Toten auf 43 an. Die Behörden erklärten das Ende Bergungsarbeiten. Der Leiter der Feuerwehr, Stefano Zanut, sagte dem Sender TG24 dagegen, es werde weiter nach Opfern unter den tonnenschweren Betonbrocken gesucht, auch wenn alle als vermisst gemeldeten Menschen gefunden worden seien. "Unsere Arbeit wird fortgesetzt, bis wir Gewissheit haben, dass niemand mehr unter den Trümmern liegt."