"Wir haben mit deutlich mehr als 20 Instituten gesprochen", sagte der oberste BaFin-Bankenaufseher Raimund Röseler am Dienstag bei einer Pressekonferenz der Behörde in Frankfurt. "Wir haben bisher von einer zweistelligen Anzahl von Banken in Aussicht gestellt bekommen, dass sie sich für Frankfurt entscheiden werden." Der Standortvermarkter Frankfurt Main Finance rechnet damit, dass wegen des britischen Ausscheidens aus der EU bis 2021 rund 10.000 Stellen von der Themse an den Main verlagert werden.

In London tätige Banken brauchen ab März 2019 eine Gesellschaft mit EU-Banklizenz, wenn sie weiter Produkte und Dienstleistungen in den verbleibenden 27 Mitgliedsstaaten der Union anbieten wollen. Viele Geldhäuser prüfen deshalb die Verlagerung von Geschäften etwa nach Paris, Dublin oder Frankfurt. Die meisten Institute wollten "nicht alle Eier in einen Korb legen", sondern ihre Geschäfte auf zwei, drei oder mehr Standorte verteilen, sagte BaFin-Präsident Felix Hulfeld. "Frankfurt spielt hierbei eine ganz herausgehobene Rolle."

"PROTEKTIONISTISCHE KOLLATERALSCHÄDEN"

Diverse Politiker und Finanzmarktaufseher in Deutschland und Frankreich sind der Ansicht, dass auch die Abwicklung von Derivategeschäften in Euro von London auf den Kontinent verlagert werden sollte. Die EU-Kommission prüft eine entsprechende Vorgabe. Hufeld hält von einer solchen Zwangsmaßnahme, von der Zehntausende Arbeitsplätze betroffen wären, jedoch nichts - und warnt vor zu viel Abschottung. Man dürfe nicht "zu schnell auf Lösungen zu springen, die auf den ersten Blick interessant erscheinen, auf den zweiten Blick aber hohe protektionistische Kollateralschäden auslösen können", mahnte er. Die USA erlaubten es schließlich auch, dass viele Dollar-Transaktionen in London abgewickelten würden.

Derzeit laufen die die meisten Euro-Derivategeschäfte über das britische Clearinghaus LCH.Clearnet, eine Tochter der London Stock Exchange. Eine Verlagerung nach Frankfurt würde der Deutsche-Börse-Tochter Eurex Clearing Rückenwind verleihen. Vertreter der Londoner City und von Großbanken sind jedoch der Ansicht, dass eine Verschiebung nicht nur teuer wäre, sondern auch schlecht für die europäische Wirtschaft und die Finanzstabilität. "Man muss sich klar darüber sein, welche Konsequenzen so etwas haben kann", warnt auch Hufeld.

GESPRÄCHE ÜBER BASEL-REGELN WIEDER AUFGENOMMEN

Bei der Debatte über neue Kapitalregeln für Banken weltweit gibt es laut BaFin nach monatelangem Stillstand wieder Bewegung. "Der Status hat sich von 'überhaupt nicht reden' auf 'reden' verbessert", sagte Hufeld. Eine Einigung auf ein neues Regelwerk, das in der Branche Basel IV genannt wird, sei aber noch nicht in Sicht, betonte Bankenaufseher Röseler. "Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass es im Juni zu einer Einigung im Baseler Ausschuss kommen wird."

Die Basel-Verhandlungen ziehen sich schon seit Jahren hin - vor allem wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und Europa. Der Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump und der Austausch vieler amerikanischer Bankenaufseher brachten die Verhandlungen dann zwischenzeitlich ganz zum Erliegen. DZ-Bank-Chef Wolfgang Kirsch sprach sich kürzlich dafür aus, die Gespräche ganz abzubrechen.

An einem Strang ziehen will die deutsche Finanzbranche dagegen bei der Lockerung der Regeln für kleinere Banken. "Wir haben ein Maß an Regulierung erreicht, das kleinere Banken über Gebühr und – mit Blick auf ihr Risikoprofil – unnötig belastet", sagte Hufeld. In den kommenden Wochen will die BaFin mit der Bundesbank und dem Finanzministerium ein gemeinsames Konzept erarbeiten - und damit in Brüssel für eine Entlastung von Sparkassen und Volksbanken- und Raiffeisenbanken werben. Hufeld stellt sich dabei auf harte Verhandlungen ein. "So logisch es uns Deutschen erscheint, dass Proportionalität stärker ausgeprägt werden muss, so wenig wartet die europäische Community darauf und spendet tosenden Applaus, wenn wir mit solchen Gedanken um die Ecke kommen." Für Deutschland ist das Thema von besonderer Bedeutung, weil es hierzulande mehr kleinere Banken gibt als in jedem anderen EU-Land.