(Neu: Schlusskurs)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Eine schwere Schlappe in einem richtungweisenden Glyphosat-Prozess in den USA hat der zuletzt ein wenig aufgehellten Laune der Bayer-Aktionäre am Mittwoch einen herben Dämpfer versetzt. Die Angst vor Milliardenrisiken kocht wieder hoch - der Druck auf Konzernchef Werner Baumann dürfte wachsen. Der Aktienkurs brach zeitweise um mehr als 13 Prozent ein. Am Ende stand noch ein Kursrutsch um 9,6 Prozent auf 63 Euro zu Buche. Daran änderten auch wieder aufgekommene Spekulationen über eine Übernahme nichts.

So befand eine Geschworenen-Jury des zuständigen Bundesbezirksgerichts in San Francisco einstimmig, dass der Unkrautvernichter Roundup mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat ein wesentlicher Faktor für die Lymphdrüsenkrebs-Erkrankung des Klägers Edwin Hardeman gewesen sei. Der Prozess geht nun mit der selben Jury in eine zweite Phase, in der die Haftungsfrage geklärt wird. Dabei geht es auch darum, ob Monsanto über Risiken hinwegtäuschte und wie hoch der mögliche Schadenersatz ausfallen könnte.

Für Bayer dürfte es nun eigentlich nur noch darum gehen, den Schaden zu begrenzen, sagte Analyst Gunther Zechmann von Bernstein Research. Mit Blick auf die zweite Prozessphase sei das Schlimmste zu befürchten.

Der Fall Hardeman ist für Bayer und den unter Druck stehenden Konzernchef Werner Baumann hochbrisant, da es sich um einen richtungsweisenden "Bellwether Case" handelt, also eine Art Musterfall in einem Massenverfahren. Mehrere dieser repräsentativen Fälle sind angesetzt. Sie sollen den Streitparteien helfen, das Ausmaß von Schäden und die Höhe denkbarer Vergleichszahlungen besser abschätzen zu können.

Analyst Michael Leacock vom Investmenthaus Mainfirst stufte die Bayer-Aktien nach der in seinen Augen überraschenden Niederlage von "Outperform" auf "Neutral" ab und strich das Kursziel von 90 auf 60 Euro zusammen. Bayer scheine keine überzeugenden Argumente gehabt zu haben, um die Behauptungen des Klägers zu entkräften, erklärte der Experte. Die Wahrscheinlichkeit steige, dass Bayer und die im Zentrum der Klagen stehende US-Saatguttochter Monsanto eine große Zahl der vielen tausend Glyphosat-Klagen verlieren könnten.

Zudem könnten die Kosten für eine Beilegung der Rechtsstreitigkeiten noch größer sein als er aktuell bei der Bewertung der Aktien berücksichtige, fuhr Leacock fort. Er rechnet aktuell mit rund 11 Milliarden Euro, die auf Bayer zukommen könnten.

So wurden bis Ende Januar Monsanto in den USA glyphosatbezogene Klagen von etwa 11 200 Klägern zugestellt. Bereits Ende März soll ein weiterer Prozess bei einem Landgericht im kalifornischen Oakland starten, weitere sollen rasch folgen.

Bayer zeigte sich in einer ersten Stellungnahme derweil zwar enttäuscht von der Entscheidung, bleibt aber davon überzeugt, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse bestätigen, dass glyphosatbasierte Herbizide keinen Krebs verursachten. Bayer ist zuversichtlich, im zweiten Teil des Prozesses beweisen zu können, dass Monsantos Verhalten angemessen war und das Unternehmen nicht für Hardemans Krebserkrankung haftbar gemacht werden sollte.

Mit den Kursverlusten fielen die Bayer-Aktien am Mittwoch wieder in Richtung ihres Mehrjahrestiefs von 58,34 Euro. Zum Vergleich: Vor einem Jahr kosteten die Aktien noch rund 100 Euro. Nach dem überraschenden Verlust eines ersten Glyphosat-Prozesses im August 2018 ging es dann steil abwärts. Seither muss sich Bayer-Chef Baumann Fragen gefallen lassen, ob er die Risiken beim rund 63 Milliarden Dollar schweren Kauf von Monsanto unterschätzt hat.

Entsprechend harsch dürfte die Kritik auf der Hauptversammlung von Bayer am 26. April ausfallen. So bezeichnete Christian Strenger, Gründungsmitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, den Monsanto-Kauf in einem dem "Manager Magazin" vorliegenden Brief unlängst als "den größten und schnellsten Wertvernichter der Dax-Geschichte". Strenger fordert laut dem "Manager Magazin" die übrigen Aktionäre auf, Bayer-Chef Baumann und seinen Vorstandskollegen die Entlastung zu verweigern.

Druck könnte auch von anderer Seite kommen. So könnte Bayer laut dem Analysten Markus Mayer von der Baader Bank in den Fokus aktivistischer Investoren geraten oder zu einem Übernahmeziel werden. Dieses Szenario sei zwischenzeitlich angesichts des angekündigten Konzernumbaus weniger wahrscheinlich gewesen, was sich aber ändern könnte, sollte der Aktienkurs wieder in Richtung der Tiefstände von 2018 fallen. Aktivistische Investoren versuchen nach dem Kauf größerer Aktienpakete aktiv in die Geschicke des Unternehmens einzugreifen, um den Wert zu steigern.

Der Konzernumbau, in dessen Zuge sich Bayer vom Geschäft mit Tiergesundheit sowie Teilen der Consumer-Sparte trennen will, sowie die mittelfristigen Wachstumsziele hatte die Anleger zuletzt ein wenig versöhnlicher gestimmt. So könnte allein der Verkauf der Tiergesundheitssparte den Leverkusenern bis zu 8 Milliarden Euro einbringen, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg jüngst unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen berichtet. All das rückte zur Wochenmitte angesichts der Glyphosat-Risiken aber wieder in den Hintergrund./mis/bgf/ag/zb/tih/nas