FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Waggonvermieter VTG ist innerhalb von wenigen Tagen vom wenig beachteten SDax-Unternehmen zum umworbenen Übernahmeobjekt mutiert. Ein Infrastrukturfonds der US-Investmentbank Morgan Stanley kauft ein Aktienpaket und hat den Aktionären ein Umtauschangebot gemacht. Doch der Preis der Anteilsscheine verrät, dass die Kapitalmärkte einen höheren Preis für angemessen halten. Und nicht nur die - auch das VTG-Management hat erklärt, das Angebot reflektiere nicht den Wert der Firma.

DAS IST LOS BEI VTG:

Morgan Stanley Infrastructure plant, dem Milliardär Klaus Michael Kühne sein 20-Prozent-Paket an der VTG abzukaufen. Der Beteiligungsfonds der US-Investmentbank hat den VTG-Aktionären in dem Zuge das Angebot gemacht, ihre Papiere für 53 Euro pro Stück anzunehmen - rund 10 Prozent mehr als der Xetra-Schlusskurs am Tag vor Bekanntwerden des Angebots und der gleiche Preis, der an Kühne geht. Schon vorher hielt Morgan Stanley Infrastructure 29 Prozent an VTG, mit dem Kühne-Anteil wäre der Fonds bei knapp 50 Prozent.

Eine Mindestannahmeschwelle hat das Angebot nicht. Markus Hottenrott, Chief Investment Officer von Morgan Stanley Infrastructure, betont, dass vorerst keine Komplettübernahme geplant ist - lässt sich dabei allerdings ein Hintertürchen offen: "Uns geht es zunächst darum, den Kühne-Anteil zu erwerben", sagte der Investmentmanager zur "Börsen-Zeitung" jüngst. "Wir wären auch mit 49 Prozent zufrieden."

Unterdessen hat mit der Joachim Herz Stiftung ein weiterer Großaktionär bei VTG aufgestockt. Die Stiftung, die hinter dem Beiersdorf-Konzern steht, hält nach dem Kauf von 5 Prozent der Aktien jetzt ein Paket von 15 Prozent. Dass die Stifter auf ein höheres Umtauschangebot setzen, um dann ihre Papiere in einem schnellen Tauschgeschäft anzudienen, ist sehr unwahrscheinlich. Schon eher dürften sie erwarten, dass VTG sich unter dem Einfluss des Großaktionärs Morgan Stanley operativ noch besser entwickelt, als das ohnehin schon der Fall war.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Das Gebot von Morgan Stanley Infrastructure ließ die VTG-Aktie in die Höhe schnellen - und zwar über den Angebotspreis von 53 Euro pro Aktie hinaus. Aktuell notiert die Aktie bei 54,70 Euro. Die Prämie kann mit der Hoffnung der Anteilseigner erklärt werden, dass Morgan Stanley doch noch ein höheres Angebot für die Papiere macht. In der Regel sind Mehrheitsanteile bei Finanzinvestoren beliebter als Minderheitsanteile, weil sie dann die Geschicke der Firma besser steuern können. Das machen sich Spekulanten gern zunutze, indem sie sich in Übernahmen börsennotierter Firmen einkaufen.

Andererseits dürfte Morgan Stanley auch mit einem Anteil von 49 Prozent auf jeder Hauptversammlung eine deutliche Mehrheit haben. Insofern kann es gut sein, dass der Fonds tatsächlich keine Notwendigkeit für die Übernahme weiterer Anteile sieht - zumal es mit der Stiftung einen weiteren Ankeraktionär gibt, mit dem der Fonds sich koordinieren kann.

Aus diesem Blickwinkel betrachtet, lässt sich die Differenz des aktuellen Aktienpreises zum Umtauschangebot von 53 Euro auch mit der Hoffnung auf operative Verbesserungen bei VTG unter zwei starken Anteilseignern erklären, statt allein mit der Spekulation auf ein erhöhtes Angebot.

Schon vor dem Übernahmeangebot lief es gut für die VTG-Aktie. Vor fünf Jahren lag das Papier noch bei 14 Euro, ein Bruchteil des heutigen Kurses. Im Oktober 2016, bevor Morgan Stanley Infrastructure mit 29 Prozent einstieg, kostete die Aktie 25 Euro - weniger als die Hälfte des jetzigen Kurses.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Mehrere Analysten stimmen dem VTG-Management in der Sichtweise zu, das Angebot von 53 Euro pro Aktie sei zu niedrig. So etwa Henning Breiter von Hauck & Aufhäuser, der argumentiert, der geplante Zukauf der französischen Nacco und die gut laufenden Geschäfte legen eine höhere Bewertung der Papiere nahe. Breiter hat das Kursziel für die Papiere auf 60 Euro hochgeschraubt und die Einstufung auf "Buy" belassen. Auch Nikolas Mauder von Kepler Chevreux sieht den fairen Wert mit 57 Euro über dem Angebot (ebenfalls mit "Buy").

Andere Experten halten die Offerte für angemessen. So etwa Adrian Pehl von der Commerzbank, der der Aktie ein Kursziel von genau 53 Euro mit "Halten"-Empfehlung gibt. Das Wachstum des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sei organisch eher schwach gewesen, argumentiert Pehl. Auch HSBC-Experte Philip Saliba betrachtet den Umtauschpreis als fair, er gibt den Papieren ein Kursziel von 52 Euro, ebenfalls mit "Halten"-Rating./fba/she/jha/