BERLIN (dpa-AFX) - Die Grünen dringen auf ein Tempolimit auf Autobahnen und wollen den Bundestag an diesem Donnerstag darüber abstimmen lassen. "Wer die Autobahnen sicherer und den Verkehr fließender machen will, muss eine Geschwindigkeitsbegrenzung einführen", sagte Fraktionschef Anton Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur. Die Bundesregierung sei die letzte Regierung in Europa, die sich logischen Argumenten zum Tempolimit verschließe. "Wir fordern die Koalition auf, ihre ideologische Blockade abzulegen und unserem Antrag zuzustimmen."

Der Vorstoß zielt darauf, die Bundesregierung zur Einführung eines generellen Limits auf den Autobahnen von 130 Kilometern pro Stunde aufzufordern - zum 1. Januar 2020. Eine solche "Sicherheitsgeschwindigkeit" sei überfällig, argumentierte Hofreiter. Dies vermeide viele Unfälle und erhöhe deutlich die Kapazität der Autobahnen. Darüber hinaus schone es den Geldbeutel der Autofahrer und senke Verkehrslärm und den Klimagas-Ausstoß.

Die Grünen haben eine namentliche Abstimmung beantragt. Der Verkehrsausschuss hat allerdings schon mit den Stimmen von Union, SPD, AfD und FDP empfohlen, den Antrag abzulehnen. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir rechnet auch nicht mit einer Mehrheit für den Vorstoß. "Aber es ist wie so oft bei Grünen-Anträgen: Wir stellen die, und irgendwann gibt's dann die Mehrheit dafür", sagte er am Donnerstag im ARD-"Morgenmagazin".

Für ein Tempolimit sprach sich der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller, aus. Viele europäische Nachbarn hätten sich im Sinne von Verkehrssicherheit und Klimaschutz dafür entschieden, sagte er dem "Handelsblatt" (Donnerstag). "Deshalb kann ich nicht verstehen, dass Deutschland hier gegen den Strom schwimmt."

FDP-Fraktionsvize Frank Sitta warf den Grünen "Showforderungen" vor. "Generelle Tempolimits helfen dem Klima kaum und beschränken die Mobilität der Bürger überproportional", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Statt Verboten und Regulierung sollte der Emissionshandel auf den Verkehr ausgeweitet werden. "Es zeigt sich einmal mehr, dass bei den Grünen nicht der tatsächliche Nutzen für den Klimaschutz im Vordergrund steht, sondern der Kampf gegen das Auto", sagte Sitta.

Die Bundesregierung hatte einem Tempolimit, über das teils auch mit Blick auf Pläne für mehr Klimaschutz diskutiert wurde, bereits eine Absage erteilt. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) lehnt ein Tempolimit kategorisch ab. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hatte sich offen dafür gezeigt. Ein SPD-Parteitag hatte sich 2007 für ein Tempolimit von 130 ausgesprochen. Prinzipiell ist es unüblich, dass Anträge der Opposition von der Koalition unterstützt werden.

Einer aktuellen Umfrage zufolge ist mehr als die Hälfte der Deutschen für ein Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen. 56,5 Prozent der Befragten sprachen sich für eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung aus, wie aus den Ergebnissen einer repräsentativen YouGov-Online-Umfrage im Auftrag der Online-Autobörse mobile.de hervorgeht. 16,8 Prozent lehnen demnach eine Maximalgeschwindigkeit auf Autobahnen generell ab.

Auf dem Großteil der deutschen Autobahnen gilt nach wie vor freie Fahrt. Komplett ohne Limits sind 70 Prozent der Fahrbahnkilometer, Baustellen nicht mitgezählt. Bei weiteren sechs Prozent zeigen elektronische Schilder bei entspannter Lage keine Beschränkungen an. Dauerhaft oder zeitweise geltende Beschränkungen mit Blechschildern gibt es auf 20,8 Prozent des Netzes, wie aktuelle Daten der Bundesanstalt für Straßenwesen für 2015 zeigen - am häufigsten sind Tempo 120 (7,8 Prozent) und Tempo 100 (5,6 Prozent).

Unabhängig von beschilderten Abschnitten gilt auf Autobahnen seit mehr als 40 Jahren eine empfohlene "Richtgeschwindigkeit" von 130./sam/DP/stw