Zu Beginn der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Dienstag rückten die großen Hersteller zwar ihre neuen Elektroautos ins Scheinwerferlicht. Die Kunden greifen aber nach wie vor lieber zu den großen sportlichen Geländewagen (SUV), denen Kritiker vorwerfen, besonders klimaschädigend zu sein. "Viele sind ungeduldig, vielen geht der Wandel nicht schnell genug - wir sind auch ungeduldig", sagte der neue Daimler-Chef Ola Källenius. "Die Klimawende ist eine Mammutaufgabe, die nur im Zusammenspiel vieler Kräfte Erfolg haben kann." Die führenden deutschen Autobauer zeigten sich auf der Messe allerdings überwiegend zuversichtlich, die von Brüssel vorgegebenen Klimaziele zu erreichen.

Auf dem Weg dorthin wird so mancher Anbieter aber wohl auf der Strecke bleiben, wie der Chef des französischen Autoherstellers PSA, Carlos Tavares, warnte. Er geht davon aus, dass die strengen CO2-Vorgaben einige Firmen in den kommenden zehn Jahren in die Pleite führen werden: "Ich wäre überrascht, wenn wir angesichts des Umfangs der bevorstehenden Veränderung nicht ein paar Insolvenzen sehen." Bis 2021 müssen die Autohersteller den CO2-Ausstoß von Neuwagen in der Europäischen Union im Durchschnitt auf 95 Gramm pro Kilometer senken - gegenwärtig liegt der Schnitt bei 120,5 Gramm. Für jedes Gramm darüber werden 95 Euro Strafe je verkauftem Fahrzeug fällig. Bis 2030 muss der Ausstoß um weitere 37 Prozent gesenkt werden.

Die Autoindustrie sei schon seit Jahresbeginn im Abschwung, vor allem durch den Zollstreit der USA mit China, sagte der Chef des drittgrößten deutschen Zulieferers ZF Friedrichshafen, Wolf-Henning Scheider. Jetzt komme die in Deutschland besonders heftig geführte Klimaschutzdebatte noch dazu. "All das sorgt für Unsicherheit", ergänzte Scheider. "Die nächsten zwei Jahre werden schwierig bleiben."

Der Chef des Automobilverbands VDA, Bernhard Mattes, gab sich im "ZDF-Morgenmagazin" trotzdem optimistisch, dass eine breite Angebotspalette und eine ausgebaute Ladeinfrastruktur der Elektromobilität zum Durchbruch verhelfen werden. Dafür investieren allein die deutschen Hersteller und Zulieferer in den kommenden drei Jahren 40 Milliarden Euro, das Angebot soll auf 150 Modelle verfünffacht werden. Die ohnehin schon durch Handelskonflikte gebeutelte Autobranche stellt das aber vor große Hürden. "Sie haben Autos, deren Bau zusätzliche 10.000 Euro kostet, Flottenemissionsziele, die ein bestimmtes Verkaufsvolumen erfordern und Verbraucher, die die Autos am Ende vielleicht wollen oder auch nicht", sagte ein PSA-Manager.

DAS ELEKTROAUTO WIRD "SEXY"

Das soll sich aber ändern: Die neuen E-Autos locken mit schnittigem Design und edler Ausstattung und machen damit dem Elektroauto-Pionier Tesla Konkurrenz. "Wir sind dazu übergegangen, das Elektroauto nicht mehr als hauptsächlich technische Herausforderung zu behandeln. Jetzt werden Elektroautos sexy", sagte Gorden Wagener, Chief Design Officer von Daimler, zu Reuters. In der neuen elektrischen Luxus-Limousine EQS von Mercedes kommen zudem auch nachhaltige Materialien zum Einsatz. Der Dachhimmel etwa enthält Anteile recycelter Plastikabfälle - "das ist unsere Vorstellung von nachhaltigem Luxus", sagte Daimler-Chef Källenius.

VW präsentiert auf der IAA erstmals den rein batteriegetriebenen ID.3 einem großem Publikum. Der Kompaktwagen, der an den früheren Bestseller VW Golf erinnert, macht den Auftakt für eine E-Offensive, mit der VW in den nächsten Jahren zum Marktführer bei E-Autos aufsteigen will. Vorstandschef Herbert Diess zeigte sich überzeugt davon, dass der Konzern die schärferen Klimavorgaben erfüllen wird. "Wir werden unsere Flottenziele erreichen und damit keine Strafen zahlen", sagte er Reuters-TV. Auch BMW sieht sich auf Kurs, wie Finanzchef Niolas Peter sagte. Auf die Frage, ob der SUV-Boom nicht die Erreichung der Klimaziele gefährde, verwies er darauf, dass sich SUVs einfacher als Elektroversion produzieren ließen als kleinere Autos, da sie mehr Platz für Batterien hätten.

Daimler-Chef Källenius dagegen bangt trotz neuer Elektroautos in der Flotte um das Erreichen der Klimaschutzziele, wie er in Frankfurt erklärte. Die Pkw-Tochter Mercedes-Benz könne mit ihrem Angebot an rein elektrischen Modellen und Hybridwagen die Ziele zur Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes zwar erreichen. Doch könne man den Kunden nicht vorschreiben, was sie kaufen. Die Jahre 2020 und 2021 stellten eine erhebliche Herausforderung dar. "Mit dieser Unsicherheit, was im Markt passiert, können wir nicht ausschließen, dass wir da nicht konform sind mit den Zielen."

PROTESTAKTIONEN GEGEN "KLIMAKILLER"

Vor den Toren der IAA demonstrierten Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace gegen klimaschädliche Abgase. Als Abgaswolke hinter einem überdimensionierten Geländewagen füllten sie einen 1400 Kubikmeter großen schwarzen Ballon mit der Aufschrift "CO2". Dieser fasst nach Angaben von Greenpeace etwa 2,5 Tonnen klimaschädliches CO2 - diese Menge hätten die in den ersten sieben Monaten in Deutschland zugelassenen SUV ausgestoßen, bevor sie 30 Meter gefahren seien. "Wir brauchen eine schmerzhaft hohe Zulassungssteuer für Klimakiller, damit die Verkehrswende endlich vorankommt", erklärte Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan.

Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet die IAA offiziell am Donnerstag. Danach haben zunächst Fachbesucher Zugang, bevor die Tore am Samstag für das breite Publikum geöffnet werden. Für den gleichen Tag rufen Umweltschützer zu einer Großdemonstration und einer Fahrrad-Sternfahrt zum Frankfurter Messegelände auf. Umweltschutzverbände und die Klimaschutzbewegung "Fridays for Future" wollen ein sofortiges Ende von Verbrennungsmotoren, um die klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen zu senken. VW-Chef Diess forderte auf der IAA staatliche Unterstützung, um die Akzeptanz beim Kunden für E-Autos zu fördern. Der Chef des Zulieferers Continental, Elmar Degenhart, schlug vor, die Politik solle angesichts der schwachen Konjunktur und der hohen Investitionen die Steuer- und Abgabenlast für Unternehmen und Verbraucher senken.