Nach Volkswagen kündigte Daimler an, einem Großteil seiner Belegschaft in Deutschland Zwangsurlaub zu verordnen. Unternehmensleitung und Betriebsrat hätten sich darauf geeinigt, ab dem 6. April zunächst für zwei Wochen eine Auszeit zu beantragen, teilte der Stuttgarter Autokonzern am Donnerstag mit. Daimler reagiere damit auf die weitreichenden Auswirkungen der Pandemie und den daraus folgenden zunehmend schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen. Allein bei diesen beiden Branchen-Schwergewichten summiert sich die Zahl derer, die wahrscheinlich in Kurzarbeit gehen werden, auf rund eine Viertelmillion Mitarbeiter.

Daimler hatte bereits Mitte März angekündigt, den Großteil seiner Produktion sowie die Arbeit in ausgewählten Verwaltungsbereichen in Europa für zunächst zwei Wochen zu unterbrechen. In dieser Zeit bauen die Mitarbeiter Überstunden ab und nehmen Resturlaub. Im Anschluss daran soll zunächst bis zum 17. April Kurzarbeit gelten, in der 60 bis 67 Prozent des Lohnes von der Bundesagentur für Arbeit übernommen werden. In vielen Unternehmen der Automobilindustrie wird das Kurzarbeitergeld durch tarifliche und betriebliche Regelungen auf rund 80 Prozent und mehr aufgestockt. Bei Volkswagen können Mitarbeiter durch solche Zuschüsse sogar mehr als 90 Prozent ihres Lohns bekommen.

Die Unternehmen können mit dem arbeitsmarktpolitischen Instrument ihre Fachkräfte an Bord halten und nach der Krise rasch wieder durchstarten. Kurzarbeit hat schon nach vorangegangenen Krisen ermöglicht, dass die Wirtschaft in Deutschland schneller Tritt fassen konnte, während andere Länder länger mit den Folgen zu kämpfen hatten. Die Bundesregierung rechnet in der Corona-Krise mit einer Rekordzahl von gut 2,3 Millionen Kurzarbeitern.

"WIR STEHEN AUF EINER AUTOBAHN MIT VOLLSPERRUNG"

Die genaue Zahl der Kurzarbeiter bei Daimler wird derzeit ermittelt. Bereits jetzt ist nach Angaben einer Sprecherin aber klar, dass die meisten der rund 170.000 Mitarbeiter in Deutschland betroffen sein werden. Beim Betriebsrat hieß es, lediglich notwendige Grundfunktionen wie etwa Bereiche der Entwicklung, wichtige Modellanläufe und ein Notbetrieb in den Werken sowie die werkseigenen Feuerwehren sollen ausgenommen sein. Betriebsratschef Michael Brecht sagte mit Blick auf die Krise, die die Branche derzeit lahmlegt: "Wir stehen auf einer Autobahn mit Vollsperrung, und der Stau wird immer länger."

Volkswagen will rund 80.000 Beschäftigte in Deutschland wegen des Arbeitsausfalls durch die Coronavirus-Krise in Zwangsurlaub schicken. Bei BMW sind rund 35.000 Mitarbeiter vom vierwöchigen Produktionsstopp betroffen, den die Münchner vergangene Woche angekündigt hatten. Für wieviele Mitarbeiter Kurzarbeit gelten soll, wurde zuletzt noch ermittelt.

Auch die Zulieferer wollen ihre Belegschaften vorübergehend nach Hause schicken. Branchenführer Bosch fährt seit dieser Woche sukzessive die Produktion an rund 35 Standorten herunter. In einem ersten Schritt sollen auch dort Zeitkonten und Urlaub genutzt werden. Im zweiten Schritt soll spätestens ab 5. April Kurzarbeit eingeführt werden, deren Dauer noch offen ist. Für wie viele Arbeitnehmer das gilt, ist noch offen. Bosch beschäftigt in Deutschland rund 130.000 Arbeitnehmer. Etwa die Hälfte davon arbeitet im Autozuliefergeschäft, das am stärksten unter dem Produktionsstopp leidet. Continental bereitet Unternehmenskreisen zufolge ebenfalls Kurzarbeit vor. Die Rede ist dort von etwa der Hälfte der 60.000 Mitarbeiter in Deutschland. Der Dax-Konzern aus Hannover lehnte einen Kommentar dazu ab. Beim drittgrößten Autozulieferer ZF Friedrichshafen wird ein Großteil der gut 50.000 Beschäftigten in Deutschland von Kurzarbeit betroffen sein. Wegen des Produktionsstopps bei den Autobauern in Europa und Nordamerika werde in den nächsten zehn Tagen die Produktion in allen Regionen bis auf China weitgehend heruntergefahren, erklärte ZF-Chef Wolf-Henning Scheider. Je nach Situation der Kunden will ZF die Arbeitszeit der Mitarbeiter an seinen deutschen Standorten bis einschließlich Juni reduzieren. Dabei werde die Hälfte der Arbeitszeit über Kurzarbeit gestrichen, die andere Hälfte durch den Abbau von Überstunden, Gleitzeit oder Urlaub.