In Japan zieht am Horizont das drohende Szenario einer Rezession auf, nachdem das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vierten Quartal mit einem Minus von 6,3 Prozent zum Vorjahr ungewöhnlich stark einbrach. "Es besteht eine ziemlich hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Wirtschaft von Januar bis März erneut schrumpft", warnte Ökonom Taro Saito vom Forschungsinstitut NLI. Japan ist nach den USA und China die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Deutschland als Nummer Vier dürfte die Folgen der Epidemie ebenfalls zu spüren bekommen: Die Bundesbank warnte in ihrem am Montag veröffentlichten Monatsbericht vor "Konjunkturrisiken" für die ohnehin geschwächte deutsche Wirtschaft.

Insbesondere die Geschäfte der deutschen Exporteure dürften demnach beeinträchtigt werden. Zudem könnten globale Wertschöpfungsketten durch die Sicherheitsvorkehrungen in der Volksrepublik belastet werden: "Lieferengpässe in einzelnen Branchen hierzulande wären die Folge", schreiben die Volkswirte der deutschen Zentralbank. Sinkende Exporte und Investitionen haben die Wirtschaft bereits Ende 2019 ausgebremst. Das deutsche BIP stagnierte von Oktober bis Dezember, nachdem es im Vorquartal noch um 0,2 Prozent gewachsen war. Ökonomen bescheinigen der Wirtschaft hierzulande nur "geringe Abwehrkräfte gegen das Coronavirus".

Die Volkswirte der Bundesbank verweisen darauf, dass im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus das öffentliche Leben in China seit Mitte Januar weitgehend lahmgelegt worden sei. Das drücke im laufenden Quartal die Konjunktur beim wichtigsten deutschen Handelspartner. "Die Wachstumseinbußen könnten spürbar höher ausfallen als während der Sars-Epidemie von 2002/2003, bei der die Zahl der Infizierten deutlich kleiner war und die Behörden weniger rigoros reagiert hatten."

In ganz China sind Städte seit Ende Januar abgeriegelt, während im gesamten Land Reiseverbote und Quarantäne-Anordnungen erlassen wurden, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Die Hauptstadt Peking kündigte am Freitag eine 14-tägige Quarantäne für alle an, die in die Stadt zurückkehren. Wer sich weigere, werde bestraft. 

Die Gesamtzahl der Toten durch das Virus liegt mittlerweile bei 1770 - die der bestätigten Infektionen bei fast 71.000. In der besonders betroffenen Provinz Hubei waren am Sonntag verschärfte Regeln eingeführt worden, um die Virus-Verbreitung einzugrenzen. Unter anderem wurden die Städte der Provinz angewiesen, die Straßen für alle Privatwagen zu sperren.

Auch der von der kommunistischen Führung seit Mitte der Neunziger Jahre fest etablierte Zeitplan für den jährlichen Volkskongress wackelt wegen der Epidemie: Der für den 5. März vorgesehene Beginn der Sitzung der rund 3000 Delegierten wird womöglich verschoben, wie die Nachrichtenagentur Xinhua meldete. Ein Ausschuss soll darüber am 24. Februar entscheiden. Als Grund wird angeführt, dass die Eindämmung des Virus Priorität habe.

AUTOMESSE IN PEKING VERSCHOBEN

Die Krise trifft die auch vom Handelskonflikt mit den USA geschwächte Wirtschaft Chinas zusätzlich, das sich vom Turbowachstum früherer Jahres längst verabschiedet hat. Da sich das Reich der Mitte in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend zur Werkbank der Welt entwickelt hat, spüren auch westliche Industrieländer quasi automatisch die Auswirkungen der Krise. Auch die restlichen Schwellenländer und die gesamte Weltwirtschaft hängen viel stärker am Wohle Chinas als noch 2003 bei Ausbruch des Sars-Virus. "Der Anteil Chinas an der globalen Wirtschaftsleistung hat sich seitdem verdreifacht, und China ist zu einem wesentlichen Käufer praktisch jeden Rohstoffs geworden", sagt Portfoliomanager Jeroen Blokland von Robeco.

Und fast die Hälfte der befragten US-Unternehmen in der Volksrepublik gibt laut der Amerikanischen Handelskammer in Shanghai (AmCham) an, dass ihre globalen Geschäfte unter dem Virus-Ausbruch leiden. Rund 78 Prozent der befragten 100 Firmen erklärten, dass ihr Personal nicht ausreiche, um die Fertigung wieder komplett hochzufahren. Vorgaben der Behörden im Zuge der Viruskrise erschweren es Mitarbeitern, nach bereits ausgeweiteten Werksferien an den Arbeitsplatz zurückzukehren.

Auch Volkswagen muss wegen der Krise umplanen: Der Autobauer verschiebt den Produktionsstart seines chinesischen Gemeinschaftsunternehmens mit dem Partner SAIC. Der Betrieb soll nun erst am 24. Februar wieder aufgenommen werden. Zudem werde die für Ende April geplante Automesse in Peking verschoben, teilte der Veranstalter mit. Die Messe ist für die deutschen Autobauer ein wichtiger Termin, weil China für Volkswagen, BMW oder Daimler der weltweit größte Einzelmarkt ist.

Die chinesische Notenbank kappte unterdessen vorsorglich den Zinssatz für mittelfristige Darlehen (MLP) erneut - und zwar um zehn Punkte auf 3,15 Prozent. Damit sollen Kreditgeschäfte im Volumen von umgerechnet 26,4 Milliarden Euro erleichtert werden. Es wird erwartet, dass die Zentralbank am Donnerstag eine Senkung des Referenz-Zinssatzes (LPR) folgen lassen wird.