FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Einigung des Ölkartells Opec und anderer Förderländer auf eine Ausweitung der Fördermenge am Wochenende hat dem Rohölmarkt keine klare Richtung gegeben. Die sogenannten "Opec+"-Länder haben eine Ausweitung der Fördermenge um offiziell insgesamt eine Million Barrel je Tag beschlossen. Ziel ist es, das selbst auferlegte Förderlimit voll auszuschöpfen. Förderausfälle sollen durch die Erhöhung ausgeglichen werden.

Zu dem Bündnis Opec+ gehören neben den Opec-Staaten insgesamt zehn Länder außerhalb des Opec-Kartells. Die wichtigsten sind Russland und Mexiko. Im Jahr 2016 hatte sich die "Opec+" auf eine Kürzung der Fördermenge um täglich 1,8 Millionen Barrel geeinigt, um die Ölpreise zu stützen. Die Kürzung gilt seit Januar 2017. Die Lage am Ölmarkt, was Analysten sagen und wie sich der Ölpreis entwickeln könnte.

DAS PASSIERT AM ÖLMARKT:

Auf den ersten Blick hätte die beschlossene Ausweitung der Fördermenge durch

das Bündnis Opec+ eigentlich für einen Rückgang der Preise gesprochen. Tatsächlich haben sie sich im Trend nur wenig verändert. Dies ist umso verwunderlicher, als die Anhebung unter den Förderländern sehr umstritten war und eine Einigung nicht als sicher galt. So hatten sich zuvor der Iran, aber auch der Irak und Venezuela gegen eine Ausweitung ausgesprochen. Was sind die Ursachen der verhaltenen Reaktion?

Die Ölpreise waren bereits im Vorfeld der Sitzung gefallen. Noch Mitte Mai hatten der Preis für Rohöl der US-Sorte WTI je Barrel (159 Liter) bei mehr als 72 Dollar und der Preis für die Nordsee-Brent bei über 80 Dollar jeweils den höchsten Stand seit Ende 2014 erreicht. Seitdem gaben die Preise in der Tendenz nach. Die im Vorfeld des Opec-Treffens von Russland und Saudi-Arabien geschürten Kürzungserwartungen hatten Druck auf die Preise ausgeübt. Nach dem Opec-Treffen legten die Preise sogar kurzzeitig zu. Seitdem pendelt der Preis für ein Barrel der Nordseeorte Brent zwischen 73 bis 76 Dollar. WTI notierte zuletzt sogar höher als vor der Sitzung. Denn die USA sind weniger abhängig von Opec-Öl.

Zudem gibt es Zweifel, ob die "Opec+"-Länder den Ölhahn in den kommenden Monaten tatsächlich um eine Million Barrel je Tag aufdrehen können. Der Ölminister Saudi-Arabiens, Kahlid Al-Falih, betonte zwar, dass die Fördermenge um rund eine Millionen Barrel ausgeweitet werde. Zuvor hatten Vertreter anderer Opec-Länder gesagt, dass die Ausweitung merklich niedriger ausfallen könnte. Schließlich sind Länder wie Venezuela gar nicht in der Lage, ihre Produktion zu steigern. In dem krisengeschüttelten Land wird sogar ein weiterer Rückgang der Fördermenge erwartet.

DAS SAGEN DIE EXPERTEN:

"Allerdings gilt es abzuwarten, ob es das Kartell tatsächlich schaffen kann, die Fördermenge derart kräftig auszuweiten", schreibt Rohstoffanalyst, Jan Edelmann von der HSH Nordbank in einem Kommentar. "Denn unabhängig von der Ankündigung sind die unmittelbar frei verfügbaren Kapazitäten der Mitgliedsländer beschränkt." Die Fördermenge dürfte laut Edelmann im vierten Quartal um eine Million Barrel je Tag höher liegen als im Mai 2018. "Mögliche weitere Produktionsverluste, beispielsweise im Iran oder Venezuela, müssten allerdings dagegen gerechnet werden." Die HSH Nordbank erwartet daher einen Anstieg des Brent-Preises auf 80 Dollar je Barrel in den kommenden drei Monaten.

Einen mittelfristigen Rückgang der Ölpreise erwarten die Analysten der Commerzbank. Eine Ausweitung der Fördermenge um insgesamt eine Million Barrel pro Tag in der zweiten Jahreshälfte würde ausreichen, um den Ölmarkt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Man erwarte daher einen Preisrückgang bei Brent auf 70 Dollar je Barrel im dritten Quartal.

WELCHE FAKTOREN BESTIMMEN DIE WEITERE ENTWICKLUNG AM ÖLMARKT?

Entscheidend dürfte für die weitere Entwicklung vor allem die Förderung in Venezuela und dem Iran sein. Eine Trendwende in Venezuela ist nicht in Sicht. Zuletzt hatten vor allem Förderausfälle in Venezuela das Angebot gedämpft. Die Experten der Großbank HSBC beziffern diese auf 700 000 Barrel je Tag. Die veraltete Technik dürfte auch in den kommenden Monaten die Förderung weiter dämpfen.

Ein weiterer Risikofaktor bleibt der Iran. US-Präsident Donald Trump hatte im Mai einseitig den Ausstieg aus dem Atomabkommen angekündigt. Dies hat amerikanische Sanktionen gegen das Förderland am Persischen Golf zur Folge. Experten sehen daher die Gefahr, dass trotz der offiziellen Erhöhung der Fördermenge das Angebot in den nächsten Monaten sogar zurückgehen könnte.

"Ein vollständiger Produktionsausfall aus dem Iran ist sehr unwahrscheinlich", erwartet allerdings der Kreditversicherer Euler Hermes. Die Sanktionen dürften die iranischen Öl-Exporte in den nächsten Monaten weniger hart treffen als in den Zeiten, in denen die USA und Europa an einem Strang zogen.

Während in den USA die Ölförderung mit Hilfe der Fracking-Methode auf hohen Touren läuft, äußerte Präsident Trump öffentlich seinen Unmut über die hohen Ölpreise. Über den Nachrichtendienst Twitter forderte er mehrfach die Opec auf, die Menge anzuheben. Wie sich dieser Druck auf die künftige Politik der Opec auswirkt, ist ungewiss./jsl/bgf/jha/