Damit wäre dies der erste Fall im Abgasskandal von Volkswagen, der durch das oberste Gericht in Karlsruhe entschieden würde, teilte der Rechtsdienstleister MyRight am Dienstag nach einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig mit. Das OLG hatte zuvor Ansprüche einer Halterin eines Dieselwagens mit manipulierter Abgassteuerung zurückgewiesen, aber die Revision gegen das Urteil zugelassen. MyRight hat nach eigenen Angaben bundesweit Ansprüche von rund 45.000 Dieselfahrern gesammelt, für die der Rechtsdienstleister vor Gerichten die Erstattung des Kaufpreises ihrer Autos verlangt. Der Großteil der Klagen liegt in Braunschweig.

Im vorliegenden Fall sah das OLG keine Grundlage für einen Anspruch des klagenden Sohnes der Dieselhalterin auf Schadenersatz. VW habe gegen kein Gesetz verstoßen, das dazu diene, das Vermögen des Klägers zu schützen. Auch liege kein Verstoß gegen europäische Zulassungsregeln für Fahrzeuge vor. Die Typgenehmigung bleibe trotz der Abschalteinrichtung wirksam. Das sieht MyRight anders.

"VW SITZT IN DER ZWICKMÜHLE"

Vom BGH will die Firma, die mit der auf solche Fälle spezialisierten US-Kanzlei Hausfeld zusammenarbeitet, grundsätzliche Rechtsfragen klären lassen. Sie hofft auf Argumente, die sie auf andere Fälle übertragen kann. Da es laut MyRight in der Klage gegen VW neben dem Vorwurf des Betrugs auch um den Verstoß gegen europäische Zulassungs- und Umweltvorschriften geht, kann das oberste Gericht in Deutschland den Fall nach Meinung von dessen Anwälten nicht mehr abweisen, ohne hierzu zuvor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anzurufen. "VW sitzt in der Zwickmühle", erklärte MyRight-Gründer Jan-Eike Andresen. Solange der Musterfall vor dem Bundesgerichtshof verhandelt werde, beschränke sich die mögliche Schadenersatzpflicht auf die rund 2,6 Millionen in Deutschland verkauften VW-Diesel mit manipulierten Abgaswerten. Gehe das Verfahren jedoch nach Luxemburg, hätte der Fall eine größere Dimension. Denn dann erstrecke sich die Schadenersatzpflicht potenziell auf alle in der EU verkauften Schummeldiesel.

Dem hielt VW entgegen, es sei völlig offen, ob der BGH den Fall dem EuGH vorlege. Voraussetzung dafür sei, dass Europarecht für die Entscheidung erheblich sei und der BGH Probleme bei dessen Auslegung habe." Bisher haben Ämter und Gerichte keine Schwierigkeiten mit der Auslegung der europarechtlichen Normen gehabt, die hier in Frage stehen", sagte ein Sprecher.

Die Entscheidung des OLG Braunschweig bezeichnete Volkswagen als wegweisend. Danach hätten Käufer von Dieselfahrzeugen mit einer Abschalteinrichtung keine Ansprüche gegen Volkswagen. Das Unternehmen verwies darauf, dass beim OLG mehrere zehntausend Fälle liegen, die MyRight vertritt. Die Hamburger Legal-Tech-Firma arbeitet wie eine Inkassofirma. Dabei treten die Kläger ihre Ansprüche an den Dienstleister ab, hinter dem der börsennotierte Prozesskostenfinanzierer Burford aus den USA steht. Sie müssen sich dann um nichts weiter kümmern. Im Erfolgsfall kassiert MyRight 35 Prozent Provision vom Gewinn.

In Braunschweig konzentrieren sich viele Klagen im Zusammenhang mit dem Dieselskandal. So haben sich mehr als 400.000 Besitzer von Dieselautos mit manipulierter Abgassteuerung einer Musterfeststellungsklage gegen VW angeschlossen, über die das gleiche Gericht verhandeln soll. Wann das Verfahren beginnt, ist allerdings noch unklar. Das Oberlandesgericht verhandelt bereits über eine Klage der Fondsgesellschaft Deka Investment wegen erlittener Kursverluste. Hinter der Musterklägerin stehen fast 2000 Fälle, die Summe der Forderungen beläuft sich auf rund neun Milliarden Euro. Die Wiedergutmachung des Dieselbetrugs, der vor fast vier Jahren in den USA aufgeflogen war, hat Volkswagen bereits mehr als 28 Milliarden Euro gekostet.