FRANKFURT (dpa-AFX) - In der Dauerkrise der Deutschen Bank verlieren selbst gutmeinende Experten zunehmend die Hoffnung. Steigende Erträge sind außer Sichtweite, und die geplanten Einschnitte im Investmentbanking dürften so viel Geld kosten, dass das Management schon eine Kapitalerhöhung durchgespielt haben soll. Markige Ankündigungen von Bankchef Christian Sewing bei der Hauptversammlung konnten die Aktionäre bisher nicht überzeugen. Was beim Unternehmen los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht:

DAS IST LOS BEI DER DEUTSCHEN BANK:

Deutschlands größtes Kreditinstitut schafft es seit Jahren nicht, richtig Tritt zu fassen. Der Aktienkurs ist im Keller, die Dividende dürftig, das Image nach etlichen Skandalen und Rechtsverstößen schwer beschädigt. Die Bank sitzt auf hohen Fixkosten, ihre Computersysteme sind nicht auf der Höhe der Zeit. Und während das Institut in seiner Privat- und Firmenkundenbank vorankommt und Geld verdient, brachten die hochbezahlten Investmentbanker dem Haus jüngst nur Verluste ein.

Nachdem sich auch die angedachte Fusion mit der Commerzbank zerschlagen hat, will Vorstandschef Sewing das eigene Haus jetzt radikal entrümpeln. "Wir sind zu harten Einschnitten bereit", sagte der Manager bei der Hauptversammlung im Mai. Rund ein Jahr nach seinem Amtsantritt und dem ersten Sparprogramm kündigte er damit weitere Kürzungen an. Im Fokus: das zuletzt verlustreiche Kapitalmarktgeschäft. Sewing will das Institut "konsequent auf die profitablen und wachsenden Bereiche ausrichten, die für unsere Kunden besonders relevant sind".

Was das genau bedeutet, ließ der Manager noch offen. Allerdings soll das Investmentbanking, das vor der Finanzkrise mit Milliardengewinnen glänzte, nur noch solche Geschäfte machen, die ausreichend Gewinn abwerfen oder als Dienstleistung für andere Segmente wichtig sind. Allein: Die Abwicklung der verlustreichen Bereiche käme die Bank zunächst teuer zu stehen. Nachdem mehrere Medien berichtet hatten, dass das Management zu diesem Zweck eine Kapitalerhöhung durchspiele, meldete das "Handelsblatt" Ende Mai, dass die Bankführung lieber den Eigenkapitalpuffer verkleinern würde.

Denn eine Kapitalerhöhung könnte das Verhältnis zu den gebeutelten Aktionären noch stärker vergiften. Bei der Hauptversammlung verpassten die Anteilseigner Aufsichtsratschef Paul Achleitner bereits einen Denkzettel, indem sie ihn nur mit knapp 72 Prozent entlasteten. Sewing schnitt kaum besser ab. Der Druck auf die Bankführung bleibt also hoch. Ein gewöhnlich gut informierter Branchenkenner geht davon aus, dass das Management schon in wenigen Wochen sein Konzept vorlegen wird.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Dass Sewing aber ein Wundermittel findet, das die dahinsiechende Bank wieder auf die Beine bringt, erwarten Analysten kaum. Von den 19 im dpa-AFX Analyser erfassten Branchenexperten scheinen die meisten ihren Glauben an die Deutsche Bank bereits verloren zu haben. Elf Analysten raten den Anlegern, die Aktien zu verkaufen, gerade einmal acht empfehlen, sie zu halten. Und eine Kaufempfehlung spricht gar keiner mehr aus. Und das, obwohl ihr durchschnittliches Kursziel mit 7,34 Euro fast 20 Prozent über dem aktuellen Kurs liegt, der jüngst wieder neue Tiefen ausgetestet hat.

Analyst Alevizos Alevizakos von der britischen Investmentbank HSBC bemängelt vor allem die langsamen Fortschritte bei der bisherigen Sanierung der Deutschen Bank. Dies mache die Lage des Instituts noch schlimmer. Alevizakos hält es dennoch für ratsam, die Aktie weiterhin zu halten. Sein Kollege Eoin Mullany von der Privatbank Berenberg sieht hingegen keinen Grund, die Aktie der Deutsche Bank zu besitzen - auch wenn sie an der Börse deutlich unter ihrem Buchwert gehandelt wird.

Der einflussreiche JPMorgan-Analyst Kian Abouhossein ist etwas optimistischer. Er habe das Gefühl, dass Sewing die Herausforderung annehme und zur Tat schreite. Abouhossein rechnet weder mit einer Kapitalerhöhung noch damit, dass das Institut im größeren Stil problematische Vermögenswerte in eine Bad Bank auslagert. Um auf eine Eigenkapitalrendite von 5 bis 6 Prozent zu kommen, müsse sich die Bank aber nicht nur von unrentablen Teilen des Kapitalmarktgeschäfts trennen. Das Management müsse die jährlichen Kosten im Gesamtkonzern um mehr als eine Milliarde Euro senken.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Das seit Jahren anhaltende Trauerspiel um die Deutsche-Bank-Aktie testet seit Monaten immer neue Tiefpunkte aus. War ihr Kurs im Dezember erstmals unter die Marke von 7 Euro gefallen, ging es ausgerechnet am Tag der Hauptversammlung im Mai sogar bis auf 6,35 Euro nach unten. Dabei hatten die Fusions-Spekulationen während der Gespräche mit der Commerzbank den Kurs zeitweise über die Schwelle von 8 Euro gewuppt.

Doch auch die 6-Euro-Grenze konnte den Fall zuletzt nicht stoppen. Anfang der Woche erreichte der Kurs mit 5,80 Euro einen neuen Tiefststand, eroberte die 6-Euro-Marke aber am Dienstag wieder zurück. Dennoch ist die Deutsche Bank an der Börse insgesamt derzeit keine 13 Milliarden Euro mehr wert. Seit ihrem Rekordhoch kurz vor der Finanzkrise hat die Aktie des Dax-Konzerns mehr als 90 Prozent ihres Werts eingebüßt. Seit Sewings Arbeitsbeginn als Vorstandschef vor gut einem Jahr beläuft sich der Kursverlust auf fast die Hälfte./stw/kro/fba