FRANKFURT (dpa-AFX) - Wann gelingt der Deutschen Bank die Trendwende bei den Erträgen? Das ist die Schlüsselfrage bei dem angeschlagenen Kreditinstitut, die vor allem die Analysten bewegt. Der jetzt seit knapp zwei Jahren amtierende Konzernchef Christian Sewing, der am Donnerstag (30. Januar) die Zahlen für 2019 vorlegt, muss beweisen, dass er den größten Umbau in der jüngeren Geschichte der Bank packt. Rückenwind bekam er zuletzt von den Finanzmärkten, die den Aktienkurs jüngst auf einen sachten Erholungskurs schickten. Was beim Unternehmen los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht:

DAS IST LOS BEI DER DEUTSCHEN BANK:

Sewing hatte Anfang Juli eine grundlegende Neuausrichtung des Instituts auf den Weg gebracht, nachdem im Frühjahr die Fusion mit der Commerzbank gescheitert war. Das Investmentbanking, das dem Geldhaus milliardenschwere Strafen eingebrockt hatte, wird kräftig gestutzt. Kern der neu ausgerichteten Deutschen Bank soll eine Unternehmensbank werden, die sich um Mittelständler, Familienunternehmen und multinationale Konzerne kümmert.

Die Zahl der Vollzeitstellen im Konzern will der Vorstand bis Ende 2022 um rund 18 000 auf weltweit 74 000 verringern. Bislang hat die Bank nicht öffentlich gemacht, wie stark der Personalabbau einzelne Regionen oder Sparten betreffen wird. Ende September vergangenen Jahres gab es im Deutsche-Bank-Konzern noch 89 958 Vollzeitstellen. Sewing setzt darauf, dass die Sanierung bis 2022 abgeschlossen ist und die Profitabilität dann mit 8 Prozent Rendite auf das materielle Eigenkapital wieder auf einem höheren Niveau liegt. Viele Experten bezweifeln aber, dass die Bank das schaffen kann.

Sewing hatte bei einem Investorentag im Dezember seinerseits betont, dass der Umbau gut vorankommt. "Wir spüren große Unterstützung für den eingeschlagenen Weg - sei es von Kunden, Mitarbeitern und Aufsichtsbehörden. Das wird es uns erleichtern, unseren Umbau konsequent fortzusetzen." Die Deutsche Bank, die erst vor wenigen Tagen mit der Berufung des Ex-SPD-Chefs Sigmar Gabriel in den Aufsichtsrat wieder einmal für Schlagzeilen gesorgt hatte, blickt auf eine 150-jährige Geschichte zurück.

Zuletzt steckte die Bank tief in den roten Zahlen und auch wenn die detaillierten Zahlen für 2019 noch nicht veröffentlicht sind, steht bereits fest, dass die Milliardenkosten für den Umbau erneut zu einem hohen Verlust führen werden. Analysten rechnen mit rund fünf Milliarden Euro. Dennoch soll es ein erfolgreiches Jahr für die Bank gewesen sein. So sieht es zumindest Sewing. Er ist von seinem im Sommer angestoßenen radikalen Umbauplan für Deutschlands größtes Geldhaus überzeugt.

Im Jubiläumsjahr 2020 soll dann auch endlich Schluss mit den roten Zahlen sein. Das Management erwarte "ein ausgeglichenes Ergebnis oder sogar etwas darüber", hatte Finanzvorstand James von Moltke Ende Oktober gesagt. Ob das wirklich gelingt, ist aber offen. Im Durchschnitt rechnen die vom Unternehmen befragten Experten mit dem sechsten Verlustjahr in Folge.

Eigentlich war die Serie schon beendet. Das Geschäftsjahr 2018 war ursprünglich das erste mit einem Überschuss seit 2014. Die Bank erklärte es aber auf Basis einer Neuberechnung nachträglich zu einem weiteren Verlustjahr. Weil die bisherigen Zahlen wegen der Neuaufstellung der Geschäftsbereiche nicht mehr mit künftigen Ergebnissen vergleichbar gewesen seien, hat die Deutsche Bank diese rückwirkend angepasst.

Auf Basis dieser "Pro-Forma-Ergebnisse" ergab sich inklusive Zinszahlungen für sogenannte Nachranganleihen für 2018 unter dem Strich ein Verlust von 52 Millionen Euro. Zuvor hatte das Institut für das Jahr 2018 einen Gewinn von 267 Millionen Euro ausgewiesen.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Deutsche-Bank-Aktie ist in diesem Jahr bereits sehr gut gelaufen. Mit einem Plus von 15 Prozent gehört das Papier bisher zu den stärksten Dax-Titeln in diesem Jahr und im europäischen Branchenindex - seit dem Rekordtief von 5,777 Euro im August beläuft sich der Anstieg sogar auf über 35 Prozent.

Über diesen Zeitraum war die Anlage in die Deutsche-Bank-Aktie also durchaus lukrativ. Mittel- und langfristig gilt dies allerdings nicht. So liegt das Papier trotz der jüngsten Erholung immer noch rund ein Drittel unter dem Niveau, das es zum Zeitpunkt der Berufung Sewings im Frühjahr 2018 hatte.

Seit der Finanzkrise zählt das Papier mit einem Minus von mehr als 90 Prozent ohnehin zu den größten Verlierern im Dax und auch unter den Banktiteln. Mit einem Börsenwert von rund 16,5 Milliarden Euro gehört die Deutsche Bank schon längst nicht mehr zu den großen Banken in Europa. Vor der Finanzkrise wurde die Bank zeitweise mit mehr als 50 Milliarden Euro noch deutlich höher bewertet - und das obwohl sie seitdem neue Aktien für mehrere Milliarden Euro ausgegeben hat.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Angesichts der Zweifel, ob Sewing die Ertragswende gelingt, wagt derzeit keiner der von dpa-AFX erfassten Experten eine Kaufempfehlung für das Papier. Sieben von 14 Analysten empfehlen die Aktie derzeit zum Verkauf und sieben nehmen eine neutrale Haltung ein - dazu zählt auch UBS-Analyst Daniele Brupbacher, obwohl er sein Kursziel vor der Bekanntgabe der Jahreszahlen um ein Fünftel auf 7,90 Euro erhöht hat.

In seiner aktuellen Studie attestierte Brupbacher der Bank Fortschritte in einigen Bereichen wie den Kostensenkungen oder auf der Kapitalseite. Ein Hauptzweifel bleibe aber - und das seien die Erträge. Für 2019 hat er einen Rückgang um rund neun Prozent auf knapp 23 Milliarden Euro auf dem Zettel.

Damit liegt er etwas unter dem Schnitt der Analystenschätzungen, die bei 23,1 Milliarden Euro liegen. Für 2020 gehen die Experten im Schnitt derzeit von einem weiteren Rückgang auf 21,8 Milliarden Euro aus - sollte es so kommen, würde sich das Minus auf vergleichsweise moderate sechs Prozent belaufen.

Zum Vergleich: 2016 hatten die Erträge der Bank noch bei etwas mehr als 29 Milliarden Euro gelegen, das Jahr zuvor waren es noch fast 34 Milliarden Euro. Der deutliche Rückgang geht vor allem darauf zurück, dass die Bank sich von einigen Geschäftsbereichen getrennt hat und weniger Risiken eingeht. Zudem belasten die niedrigen Zinsen.

Ein Teil liegt auch am harten Wettbewerb. Die Konkurrenten nutzen die Schwäche der Bank infolge des Umbaus und jagen ihr Kunden ab. Sewing muss in diesem Jahr zeigen, dass er das Geschäft wieder ausbauen kann - ansonsten droht er mit seinen Kostensenkungen nur dem Ertragsschwund hinterher zu laufen.

Ab 2021 soll es der Expertenschätzung zufolge bei den Erträgen zumindest wieder leicht nach oben gehen. Zusammen mit den eingeleiteten Sparmaßnahmen sollte die Bank dann auch wieder einen Gewinn in Milliardenhöhe abwerfen./zb/eas/fba