HANNOVER (dpa-AFX) - Der Konzernumbau bei Continental ist in vollem Gange, bis zu 20 000 der fast 245 000 Stellen könnten im Rahmen der "Strategie 2030" weltweit abgebaut werden. Daneben soll stärker in den Bereich Software investiert werden. Dies ist laut den Managern des Dax-Konzerns nötig geworden, da Geschäfte und Gewinn im Zuge der lahmenden Autokonjunktur unter Druck geraten sind. Nach dem rasanten Verfall des Aktienkurses 2018 hat sich die Aktie nun zwar etwas stabilisiert - aber eben auf niedrigem Niveau.

DAS IST LOS BEI CONTINENTAL:

Nachdem der Konzern im 2018 noch verlauten ließ, seine Antriebssparte verselbstständigen und mit maximal 25 Prozent an die Börse bringen zu wollen, zieht das Management um Vorstandschef Elmar Degenhart nun die Zügel an: Sogar ein vollständiger Börsengang oder ein Verkauf des Geschäfts wird geprüft. Das wurde immerhin an der Börse mit Wohlwollen aufgenommen.

Auf wenig Reaktion am Markt stieß im Gegensatz dazu bisher das Spar- und Strategieprogramm der nächsten zehn Jahre, in dessen Verlauf nicht nur 20 000 Arbeitsplätze wegfallen, sondern auch in Wachstumsfelder investiert werden soll. Unterm Strich sollen die jährlichen Kosten ab 2023 um 500 Millionen Euro niedriger liegen. "Wir sehen im fundamentalen Technologieumbruch in unseren Industrien vor allem eine beträchtliche Wachstumschance und gehen die sich abzeichnende Krise in der Autoindustrie offensiv an", sagt Degenhart.

Allein bis 2023 könnten in Deutschland 5000 Stellen wegfallen, gefolgt von weiteren 2000 bis zum Jahr 2029. Dabei gab es zuletzt scharfe Kritik von der IG Metall an den Plänen. Gegenwind kommt für Conti auch von den Absatzmärkten. Während der Automarkt in Europa seit 2018 abgeflaut ist, leidet das Geschäft in China unter dem eskalierenden Handelsstreit mit den USA. Entwarnung ist nicht in Sicht.

Schon 2018 blieb Conti hinter seinen eigenen Erwartungen zurück, gleich zweimal wurde die Gewinnprognose gekappt. Auch 2019 war das wegen der anhaltend schwachen Entwicklung schon nötig - obwohl Conti vorsichtig ins Jahr gegangen war. Derzeit rechnet das Unternehmen für 2019 mit einem Umsatz von 44 bis 45 Milliarden Euro (Vorjahr: 44,4) und einer um Sondereffekte bereinigten operativen Gewinnmarge (Ebit) von 7 bis 7,5 Prozent (Vorjahr: 9,2).

Schon länger ist für Degenhart klar, dass er den Konzern stärker als Technologiekonzern aufstellen will. Vor allem in die Softwareentwicklung soll mehr Geld fließen, hier wollen die Hannoveraner auch einstellen. Investitionen soll es unter anderem auch ins Autonome Fahren und Mobilitätsdienste geben, daneben bleibt das Reifengeschäft ein Wachstumsbereich.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Die großen US-Investmentbanken sind sich in ihrer grundsätzlichen Beurteilung rund um die Aktie einig. Sowohl JPMorgan, Goldman Sachs als auch Morgan Stanley begrüßen die Umbaupläne und erwarten dadurch langfristiges Wachstum.

Die US-Investmentbank JPMorgan bleibt dabei bei ihrer negativen Empfehlung, die Conti-Aktie eher zu verkaufen. Experte Jose Asumendi begrüßt aber nicht nur den Umfang der Einsparungen, auch die neue Ausrichtung des Konzerns stößt bei ihm auf Zustimmung. Trotzdem ist er skeptisch, wie die Manager den Kurs in den kommenden Monaten umsetzen.

Goldman-Sachs-Analystin Gungun Verma bewertet die Strategie zwar langfristig positiv, erwartet aber kurz und mittelfristig kaum Effekte. Stattdessen drücke der Produktionsrückgang, der Preisdruck am Markt und die Investitionskosten auf das erwartete Ergebnis des nächsten Jahres. Die Empfehlung zur Aktie belässt sie auf "neutral".

Für den Morgan-Stanley-Experten Harald Hendrikse könnten sich die angepeilten Einsparziele als vorsichtig erweisen. Allein die Streichung von 5000 Ingenieurjobs in Deutschland habe das Potential, um die 325 Millionen Euro jährlich einzusparen. Die erwarteten Kosten von 1,1 Milliarden Euro wertet er als gering für den Umfang des Umbaus. Der Branchenexperte empfiehlt die Aktie weiter zum Kauf.

Die im dpa-AFX Analyser erfassten Analysten insgesamt sprechen sich in großer Mehrheit für ein Halten der Aktien aus. Von 20 Experten empfehlen drei den Kauf, nur einer rät zum Verkauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 134 Euro - damit trauen die Experten dem Papier aktuell ein Plus von fast einem Fünftel zu.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Das Continental-Papier hat stürmische Zeiten hinter sich - und das nicht erst, seit die Branchenkrise den Konzern mit voller Wucht trifft. Nachdem das Papier während der Finanzkrise Anfang 2009 wegen hoher Schulden und infolge der gescheiterten Übernahme durch Schaeffler zeitweise weniger als 10 Euro gekostet hatte, ging es bis Anfang 2018 steil nach oben.

Doch seit dem Rekordhoch von 257,40 Euro Anfang 2018 ging es rasant abwärts. 2018 war die Aktie mit einem Abschlag von 47 Prozent einer der schwächsten Titel im deutschen Leitindex Dax und auch 2019 gehört das Papier des Traditionskonzerns, dessen Anteile bereits seit 1871 an der Börse gehandelt werden, zu den größten Dax-Verlierern.

Mit Kursen um 114 Euro liegt das Papier rund sechs Prozent unter dem Stand von Ende 2018 - und das obwohl der Dax in diesem Jahr bisher 13 Prozent zugelegt hat. Gerade in den vergangenen Monaten entwickelte sich das Papier sehr schwach. Da ist es auch nur wenig Trost, dass mit BMW ein anderer Branchenwert in diesem Jahr noch schwächer ist und Daimler ähnlich viel verloren hat.

Das gilt auch und gerade beim Blick auf andere im Branchenindex Stoxx 600 Auto & Parts notierte Zulieferer wie Faurecia, Michelin und Valeo, die 2019 bis dato nach einem ebenfalls schwachen Jahr 2018 deutlich zulegen konnten.

Der inzwischen auf rund 23 Milliarden Euro gesunkene Börsenwert hat auch direkte Auswirkungen auf die Liste der reichsten Deutschen - schließlich liegen infolge des Übernahmeversuchs durch Schaeffler Ende des vergangenen Jahrzehnts 46 Prozent der Conti-Anteile bei Georg Schaeffler und Marie-Elisabeth Schaeffler-Thumann. Zählten die beiden 2014 noch zu den Top drei der reichsten Deutschen, sind sie einer aktuellen Aufstellung des "Manager Magazins" auf Rang acht zurückgefallen./ssc/zb/men/jha/