HANNOVER (dpa-AFX) - Der Autozulieferer und Reifenhersteller Continental ist wegen der Corona-Krise auch unter dem Strich tief in die Verlustzone gerutscht. Der Nettoverlust betrug zwischen April und Ende Juni 741,1 Millionen Euro, wie der Dax-Konzern am Mittwoch in Hannover mitteilte. Vor einem Jahr hatte Conti noch 484,8 Millionen Gewinn gemacht. "Im Tal der schlimmsten Wirtschaftskrise der Autoindustrie seit dem zweiten Weltkrieg haben wir besser abgeschnitten als unsere Märkte", sagte Vorstandschef Elmar Degenhart laut Mitteilung.

Die Conti-Aktie lag am Vormittag knapp zwei Prozent im Plus. Das Unternehmen hatte bereits Mitte Juli Eckdaten vorgelegt und im Tagesgeschäft etwas besser abgeschnitten als von Experten zuvor befürchtet. Vor Zinsen, Steuern und Sondereffekten machte Conti einen Verlust von 634 Millionen Euro, nachdem operativ vor einem Jahr noch 864,9 Millionen Euro verdient wurden.

Conti will auch wegen des bereits bekannten Umsatzeinbruchs von 41,2 Prozent auf 6,62 Milliarden Euro und der nach wie vor unsicheren Aussichten weitermachen mit Einsparungen. "Unser harter Tritt auf die Kostenbremse wirkt spürbar und schnell", sagte Degenhart. Im zweiten Quartal habe Conti die Fixkosten gegenüber dem Vorjahreszeitraum um über 400 Millionen Euro gesenkt. Conti hatte unter anderem allein in Deutschland zwischenzeitliche 30 000 Mitarbeiter zur Kurzarbeit angemeldet, als die Werke nur auf Sparflamme produzierten.

Im Gesamtjahr sollen die ausgabewirksamen Fixkosten um insgesamt mehr als 5 Prozent zurückgehen, die Investitionen um über 25 Prozent. Angesichts von jährlichen Fixkosten von rund 10 Milliarden Euro liege das Ziel für dieses Jahr damit bei mehr als 500 Millionen Euro, sagte Finanzvorstand Wolfgang Schäfer im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX.

Unabhängig davon liefen die Gespräche mit den Arbeitnehmern über weitere strukturelle Kostensenkungen für eine "Corona-Brücke" weiter, sagte Schäfer. Das Management hatte im Großumbau die jährlichen Bruttokosten ohnehin um 500 Millionen Euro bis 2023 senken wollen. Wegen der noch maueren Aussichten infolge der Corona-Pandemie will Degenhart bei den langfristigen Einsparungen aber noch mehrere Hundert Millionen Euro draufsatteln. In einigen Monaten dürfte Conti nach Aussage Schäfers in der Lage sein, hierzu genauere Details zu nennen - womit die notwendigen Maßnahmen auf der Kostenseite dann auch getroffen sein sollen.

"Eine Absenkung der Arbeitszeit ist ein sinnvoller Ansatz, um Produktivität zu sichern, Beschäftigungsperspektiven zu erhalten und diese durch Qualifizierung auszubauen", sagte Personalchefin Ariane Reinhart. "Wir haben Verständnis für die Unsicherheit unter unseren Beschäftigten und dafür, dass einige von ihnen in Sorge um ihre Arbeitsplätze sind. Aber wir werden gerade in der Krise unsere Zukunftschancen nutzen." Vorstandschef Degenhart hatte als letztes Mittel auch betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr ausgeschlossen.

Auf einen konkreten Jahresausblick verzichtet Conti weiter, auch im dritten Quartal dürfte die weltweite Autoproduktion um 10 bis 20 Prozent unter Vorjahr liegen. Im zweiten Quartal waren es laut Conti 45 Prozent. Am schwächsten entwickelt sich dabei aus Sicht der Hannoveraner derzeit der europäische Markt. Die Zulassungszahlen in den USA und Nordamerika zögen aktuell schneller wieder an, auch ohne spezielle Anreizprogramme der US-Regierung, sagte Schäfer. Die Unterstützung für einkommensschwache Haushalte wirke aber.

Autobauer hatten ihre Fabriken im zweiten Quartal rund um die Welt wochenlang gestoppt, weil auch die Autohäuser im Lockdown schließen mussten und die Händler keine Autos verkaufen konnten. Abrufe bei den Zulieferern wurden ebenfalls auf Eis gelegt. Conti hängt nicht nur mit Autozulieferteilen direkt von der Autoproduktion ab, sondern auch im Reifengeschäft mit der Erstausstattung von neuen Autos.

Bei den Hannoveranern machte sich der Produktionsstopp in allen Sparten deutlich bemerkbar. Am stärksten waren die Umsatzeinbrüche im Geschäft unter anderem mit Elektronik, Sensorik und Bremssystemen, aber auch in der Antriebssparte. Das Geschäft mit Reifen und Kunststofftechnik kam etwas glimpflicher davon, verzeichnete aber ebenfalls einen starken Dämpfer mit minus einem Drittel.

Im Reifengeschäft hat Conti allerdings noch einen kleinen Gewinn eingefahren. Die Sparte trägt auch in normalen Zeiten die höchsten Gewinnbeiträge für den Konzern bei. Das Ersatzreifengeschäft habe sich mit minus 20 Prozent im zweiten Quartal nur halb so schwach entwickelt wie die Autoproduktion, sagte Schäfer. Auch im laufenden dritten Quartal dürfte sich das fortsetzen. Es gebe bei den Autofahrern derzeit einen leichten Nachholbedarf, da die Geschäfte lange Zeit geschlossen waren.

Beim derzeit auf Eis liegenden Vorhaben der Abspaltung der Antriebssparte im Wege eines reinen Spin-Offs schaut Conti nicht nur auf die Lage an den Finanzmärkten. Auch die Situation im Branchenumfeld spiele eine Rolle, sagte Schäfer. Zuletzt hatte sich die Situation an den Börsen nach dem Corona-Crash wieder deutlich erholt. Die Powertrain-Sparte solle aber nicht dann in die Freiheit entlassen werden, wenn das Geschäft noch in Anpassungsprozessen stecke. Dieses Jahr werde es auch deswegen wohl nichts mehr, sagte Schäfer.

Conti hatte ursprünglich einen Teilbörsengang für die Sparte angedacht, das aber wegen der Bedingungen an den Märkten schon vor längerem abgeblasen. Nun sollen die Conti-Aktionäre Anteilsscheine des Vitesco genannten Unternehmens in ihr Depot gebucht bekommen./men/jsl/stk