Mit Blick auf die Wirtschaftsentwicklung in der Schweiz sind gemäss Einschätzung der Ökonomen der Credit Suisse weitere Quartale mit rückläufiger Wirtschaftsleistung in diesem Jahr durchaus denkbar, solange nicht eine deutliche Frankenabwertung der Exportwirtschaft Luft verschafft. Eine breitere Rezession erachten die Ökonomen aber als unwahrscheinlich, da die Binnenkonjunktur robust bleibt: Sinkende Preise, tiefe Zinsen und die anhaltende Zuwanderung stützen den Konsum und die Bauwirtschaft. Eine klare konjunkturelle Beschleunigung ist aber ebenso wenig realistisch. Denn die Erholung in der Eurozone vermag den im Januar erfolgten Aufwertungsschock für die Exportwirtschaft nicht zu kompensieren, und die Unternehmen bleiben bei ihren Investitionsausgaben im Inland zurückhaltend. Für 2016 erwarten die Ökonomen der Credit Suisse somit keine markanten Wachstumsimpulse und prognostizieren ein unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum von 1,2%.

Kantone von der Unternehmenssteuerreform III sehr unterschiedlich betroffen
Mit der Unternehmenssteuerreform (USR) III nimmt der wichtigste Umbau der Gewinnbesteuerung Formen an. Zentrales Element der Reform ist die Abschaffung der privilegierten Besteuerung für Statusgesellschaften. Um aber die Attraktivität für Unternehmen zu wahren, planen zahlreiche Kantone, ihre ordentlichen Unternehmenssteuersätze zu senken. Neben der Standortpolitik wird die USR III auch weitere Politikbereiche betreffen, etwa den Finanzausgleich zwischen den Kantonen und die Verteilung der Bundessteuer. Je nach Struktur des Steuersubstrats und ihrer Steuerpolitik sind die einzelnen Kantone sehr unterschiedlich von der USR III betroffen. Der grösste Handlungsbedarf zur Senkung der ordentlichen Gewinnsteuer ergibt sich bei Kantonen mit hohen Steuersätzen und bedeutenden Erträgen von Statusgesellschaften. Zudem spielt der Wertschöpfungsanteil aus geistigem Eigentum eine bedeutende Rolle: Dieser könnte dereinst von der sogenannten «Lizenzbox» profitieren, die im Rahmen der USR III eingeführt werden dürfte. Ein weiterer Gradmesser für den Handlungsbedarf der Kantone im Rahmen der USR III ist die jeweilige Bedeutung der Steuerattraktivität. Sind die Steuersätze der zentrale Standorttrumpf von Kantonen, sollten diese der USR III besondere Beachtung schenken. Kantone mit spezifischen Standortvorteilen, z.B. hohe Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften oder Zentralität, können hingegen die Auswirkungen der Reform mit diesen Vorteilen besser kompensieren. Für die beiden Basel und Genf präsentiert sich die Situation anspruchsvoll: Die Wahrung ihrer Standortattraktivität für Unternehmen erfordert gemäss Einschätzung der Ökonomen der Credit Suisse die Senkungen der ordentlichen Unternehmenssteuersätze. Da auch die derzeit nicht privilegierten Gewinne tiefer besteuert würden, hätte dies auf der Einnahmenseite jedoch beträchtliche Mitnahmeeffekte.

«Monitor Schweiz»: Unterschiedliche Facetten der Wirtschaft in einer Publikation

Debatte Sparen: Null Prozent für das Ersparte
Trotz Negativzinsen ist kein Rückgang der Sparquote zu erwarten. Zum einen liegt der Realzins in der Schweiz mit knapp 1% nicht weit unter dem historischen Durchschnitt. Zum anderen gibt es neben der positiven Realrendite, die für den Konsumaufschub entschädigt, noch andere Beweggründe, um zu sparen. Dazu zählen das Vorsichtssparen für unerwartete Ereignisse oder spezifische Sparziele z.B. für einen Hauskauf. Die unsicheren Aussichten der Altersvorsorge könnten das Vorsichtssparen zusätzlich erhöhen. Denn das Tiefzinsumfeld hat auch Auswirkungen auf das Zwangssparen im Rahmen der beruflichen Vorsorge. Es wird einerseits schwieriger, den gesetzlichen Mindestzinssatz von aktuell 1.75% p.a. ohne Inkaufnahme höherer Anlagerisiken zu erfüllen. Andererseits könnte sich der technische Zins, mit dem die Pensionskassen ihre Rentenversprechen in der Bilanz bewerten, vielerorts als zu hoch erweisen. Die Verbindlichkeiten wären damit ebenfalls höher als bisher angenommen.

Kontakt Credit Suisse Research: Sara Carnazzi Weber, Senior Economist Fundamental Research, Tel. +41 44 333 58 82

Debatte Prognosegüte: Den Prognostikern fehlt der Mut
Die Ökonomen der Credit Suisse haben die Genauigkeit der Wachstumsprognosen von fünf Schweizer Banken und drei Schweizer Prognoseinstituten seit der Jahrtausendwende untersucht. Die Resultate der Untersuchung sind einerseits ernüchternd: So erkennen die Prognostiker Wendepunkte in der Regel erst zu spät, und sie neigen zu übertriebener Vorsicht. Gemäss der Untersuchung unterscheiden sich die einzelnen Prognosen der Banken und Prognoseinstitute nicht stark. Im Gegensatz zu den Wachstumsprognosen für die USA lagen die Wachstumsprognosen für die Schweiz in zwei Dritteln aller Fälle zu tief: Die Prognostiker haben also die Stärke des Schweizer «Super-Zyklus» - bestehend aus Zuwanderung, tiefer Zinsen und Immobilienboom - in den vergangenen Jahren klar unterschätzt. Anderseits zeigt die Untersuchung der Wachstumsprognosen der Ökonomen der Credit Suisse auch, dass die Prognosen der Banken und Prognoseinstitute einfachen statistischen Verfahren insbesondere in der Fähigkeit Wendepunkte zu erkennen, überlegen sind.

Kontakt Credit Suisse Research: Lukas Gehrig, Economist Swiss Macro Research, Tel. +41 44 333 52 07

Branchen: Klein, aber Weltklasse
Jedes zehnte Industrie-KMU und jedes zwanzigste Dienstleistungs-KMU gibt an, ein globaler Marktführer - ein sogenannter «Hidden Champion» - zu sein. Die guten Rahmenbedingungen, das starke Bildungswesen sowie die internationale Ausrichtung sind wichtige Grundlagen dafür, dass derart viele Schweizer KMU Weltmarktführer sind. Aus einer aktuellen Umfrage der Ökonomen der Credit Suisse bei mehr als 2'000 Schweizer KMU geht nicht nur hervor, wie viele «Hidden Champions» es in der Schweiz gibt, sondern auch, in welchen Bereichen diese tätig sind. Der höchste Anteil von «Hidden Champions» findet sich in der Präzisionsinstrumentenindustrie. Bei den Dienstleistungs-KMU stechen insbesondere Handel und IT hervor.

Kontakt Credit Suisse Research: Patricia Feubli, Senior Economist Industry Research, Tel. +41 44 333 68 71

Der aktuelle «Monitor Schweiz» umfasst zudem weitere Themen. Er zeigt unter anderem auf, warum fünf Sterne für Hotels kein ausreichender Schutz vor der Frankenstärke sind, warum in einem Wahljahr besonders viele Volksinitiativen lanciert werden und warum die Hypothekarzinsen trotz der Negativzinspolitik der Nationalbank steigen.

Der «Monitor Schweiz» wird quartalsweise publiziert. Die nächste Ausgabe erscheint am 15. September 2015.

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