Zürich (awp) - Am Freitag hat die Credit Suisse in einem Communiqué bekannt gegeben, dass ihr CEO Tidjane Thiam am 14. Februar - einen Tag nach der CS-Bilanzmedienkonferenz - den Hut nimmt. Nachfolger des abtretenden Managers wird der derzeitige CS-Schweiz-Chef Thomas Gottstein. Obwohl schon länger spekuliert wurde, dass Thiam zurücktreten könnte, sorgte die Nachricht vom Abgang des 57-Jährigen in den Medien für viel Aufsehen.

"Neue Zürcher Zeitung" I:

Das oberste Gremium der CS sei über seinen Schatten gesprungen und habe endlich die längst fälligen Konsequenzen aus der Beschattungsaffäre gezogen, schreibt die "NZZ" online zum Rücktritt von CS-Chef Tidjane Thiam. Der Entscheid, Thiam auszuwechseln, werde dem als entscheidungsschwach geltenden Verwaltungsratspräsidenten Urs Rohner Auftrieb geben. Dieser könne nun seinem Abschied an der Generalversammlung 2021 etwas gelassener entgegensehen. Überhaupt gebe der lange Zeit blutleer wirkende Verwaltungsrat mit dem Rauswurf Thiams erstmals wieder ein Zeichen von sich.

"Neue Zürcher Zeitung" II:

In ihrem Portrait über den neuen CS-Chef Thomas Gottstein gräbt die "NZZ" auch in seiner Vergangenheit. Der Banker stamme aus gutem Haus und habe in jungen Jahren im Sport Erfolge gefeiert. Mit 20 Jahren sei Gottstein vor der Entscheidung gestanden, Profigolfer zu werden. Doch die Aussicht, als Golflehrer zu enden, habe ihm nicht behagt. So habe er schliesslich einen anderen Weg eingeschlagen, an der Universität Zürich Wirtschaft studiert und danach promoviert. 1993 sei er bei der UBS eingestiegen und habe 1999 zur CS gewechselt. Dort habe er 2013 das Vermögensverwaltungsgeschäft übernommen. 2015 habe ihn Tidjane Thiam relativ überraschend zum Chef der neu geschaffenen Schweiz-Einheit der CS gemacht. Trotz ambitionierter Erwartungen seines Vorgesetzten, der eine Gewinnsteigerung von gut 40 Prozent bis 2018 als Ziel setzte, habe Gottsteins Division bei der Bilanzziehung 2018 die besten Ergebnisse vorweisen können. Gottstein trete zwar weniger geschliffen auf als Thiam. Ihm dürfte es aber gemäss Einschätzung des Redaktors der "NZZ" gelingen, wieder Ruhe ins Unternehmen zu bringen.

"Tamedia-Zeitungen":

Dass Thiam die CS verlasse, sei richtig, schreiben Zeitungen des Verlagshauses Tamedia in einem Online-Kommentar. Dieser Schritt komme jedoch viel zu spät. Denn obwohl Thiam immer betont habe, nichts von den Überwachungsaufträgen rund um die Beschattungsaffäre gewusst zu haben, habe dieser Skandal seine Position untergraben und der Bank riesigen Schaden zugefügt. VR-Präsident Rohner sei derweil nur der vermeintliche Sieger, denn jetzt drohe ihm eine Schlammschlacht mit den wichtigsten Aktionären. Der CS drohe nun eine längere Übergangsphase. Der neue CEO Thomas Gottstein kenne die Bank zwar bestens, offen sei jedoch, wie lange er an der Spitze bleibe. Denn Präsident Rohner trete im nächsten Jahr zurück und sein Nachfolger werde sich wohl einen neuen CEO aussuchen wollen. Ruhe dürfte gemäss "Tages-Anzeiger" erst einkehren, wenn die wichtigsten Schaltstellen neu besetzt seien.

"SRF":

Bei SRF heisst es online, der Verwaltungsrat der CS demonstriere nach aussen, alles unter Kontrolle zu haben. Dies, indem er mit Thomas Gottstein gleich einen neuen Chef präsentiere. Zudem stärke der Verwaltungsrat seinem Präsidenten Urs Rohner explizit den Rücken. Die Botschaft Rohners im Communiqué, man habe alle Schritte sorgfältig beraten und einstimmig entschieden, richte sich vor allem an die Investoren, die in den letzten Tagen mächtig Druck auf Rohner aufgebaut hätten. Nun sei klar, dass die jetzt wohl verärgerten Investoren, die Thiam behalten wollten, nicht nur den Präsidenten stürzen, sondern gegen den gesamten Verwaltungsrat vorgehen müssten, wenn sie ihre Drohung in die Tat umsetzen wollen. Ob mit dem Rücktritt Thiams nun Ruhe einkehrt, sei aber offen und hänge nicht zuletzt davon ab, ob noch weitere Details zur Beschattungsaffäre ans Licht kommen würden.

"Blick" I:

Es sei ein Bankenbeben in Zürich mit Epizentrum Credit Suisse, schreibt der "Blick" online zum Abgang von Tidjane Thiam. Die zwölf Verwaltungsräte und ihr Präsident Urs Rohner hätten den Entscheid getroffen, Thiam fallen zu lassen. Immerhin dürfe Thiam erhobenen Hauptes abtreten und sogar noch die Zahlen 2019 präsentieren, meint der Redaktor des "Blick". Thiam habe seit seinem Eintritt in die CS 2015 einen enormen Beitrag geleistet. Ihm sei es zu verdanken, dass die Credit Suisse in die Gewinnzone zurückgekehrt ist, werden die die Worte des VR-Präsidenten Rohner aus der Medienmitteilung der CS im "Blick" zitiert. Rohner gehe im Moment als Sieger aus der Beschattungsaffäre hervor.

"Blick" II:

In einem zweiten Artikel analysiert der "Blick" den Aktienkurs der CS-Titel. Anleger, die mit dem Verbleib Thiams auf dem Chefposten der Grossbank gerechnet hatten, seien auf dem falschen Fuss erwischt worden. So hätten die Aktien der CS am Freitag kurz nach Börsenöffnung 4,5 Prozent verloren. Der Redaktor fragt, ob es zum Aufstand der Grossaktionäre kommen könnte. Denn Grossaktionäre wie etwas Harris Associates hätten Thiam in den Monaten der Affäre immer wieder den Rücken gestärkt und die CS-Affäre in der Schweiz kleingeredet und international als unbedeutend qualifiziert. Allerdings würden Analysten nicht davon ausgehen, dass sich diese Grossaktionäre durchsetzen könnten.

"Cash":

In der Mitteilung der CS heisse es zwar, dass CS-Chef Tidjane Thiam seinen Posten freiwillig räume, niemand werde jedoch so gutgläubig sein, das zu glauben, schreibt der Kommentator auf dem Onlineportal "Cash". Auch wenn Thiam behaupte, bis heute nichts von den Beschattungsvorfällen gewusst zu haben, sei sein Abgang unvermeidlich. Der Schreiber meint, dass sich nach dem Abgang Thiams allerdings auch VR-Präsident Urs Rohner hinterfragen müsse. Es sei auffällig, wie er in der Mitteilung zum Rücktritt nichts mehr mit Thiam zu tun haben wolle, nachdem er ihn 2015 in einer Phase höchster Not zum Chef gemacht und bis vor kurzem noch verteidigt habe. Rohner habe in den letzten zwölf Monaten nicht den Eindruck hinterlassen, dass er die Zügel der Bank in der Hand halte. Seine Glaubwürdigkeit habe erheblich gelitten. Er wolle noch bis 2021 als VR-Präsident der CS amtieren, doch es sei fraglich, ob das auch die Aktionäre so sehen würden.

"Bilanz":

Der Kommentator der "Bilanz" sieht im Abgang Thiams ein klares Signal gegen Harris-Associates-Chef David Herro. Obwohl VR-Präsident Rohner die Absetzung Thiams vor einer Woche noch dementiert hatte, beuge er sich nun dem Druck und zeige damit, dass der Verwaltungsrat unabhängig sei. Die Kehrtwende dürfte gemäss "Bilanz" auch daher rühren, dass die Schweizer Fraktion im Verwaltungsrat - allen voran Roche-Chef Severin Schwan - dem Dauerbeschuss nicht mehr stangehalten habe und um ihren Ruf besorgt war. Der Schreiber der "Bilanz" fragt sich auch, ob der neue CEO Thomas Gottstein lange Chef der CS bleibt. Denn dieser habe anfangs nicht einmal Chef der CS Schweiz werden wollen. Nun führe er auf einmal den gesamten Konzern.

"Handelszeitung":

Letzte Woche noch habe man an Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam festhalten wollen, kommentiert die "Handelszeitung" online. Dass Thiams Lager dem Verwaltungsrat öffentlich gedroht und gar den Kopf von VR-Präsident Urs Rohner gefordert habe, sollte er Thiam belangen, habe das Fass zum Überlaufen gebracht. Das sei eine ungeheuerliche Provokation gewesen, die sich der Verwaltungsrat nicht habe bieten lassen können. Nun habe VR-Präsident Rohner, unterstützt von Severin Schwab, dem starken Mann im Verwaltungsrat, einen Strich gezogen. Damit seien die Hierarchien bei der CS wieder hergestellt. Für Rohner müsse das eine Lehre sein, meint der Kommentator der "Handelszeitung": Ein Verwaltungsratspräsident dürfe seinen Konzernchef nicht nach Belieben schalten und walten lassen. Denn seit Jahren sei bekannt, dass Thiam intern selbstherrlich agiere und Mitarbeiter verschiebe, vor den Kopf stosse oder abserviere. Nun brauche die Credit Suisse dringend eine neue Führungskultur mit weniger Alleingang und mehr Team. Mit der Ernennung Gottsteins zum Nachfolger Thiams zeige der CS-Verwaltungsrat, dass er den Weg zurück zu einer Vertrauenskultur kenne. Jetzt müsse er dieser auch zum Durchbruch verhelfen.

"CH Media":

Die Zeitungen aus dem Verbund "CH Media" schreiben online in einem Kommentar, dass der CS-Verwaltungsrat mit Präsident Urs Rohner einen Schlussstrich unter die Beschattungsaffäre um ihren früheren Vermögensverwaltungschef Iqbal Khan habe ziehen wollen. Die CS sei in der Medienmitteilung sichtlich bemüht, den Abgang Thiams als vernünftigen Entscheid des Verwaltungsrats zu präsentieren. Thiam wede für seine Leistungen von Präsident Rohner gelobt. Doch die schönfärberische Wortwahl könne nicht darüber hinweg täuschen, dass das Verhältnis zwischen Rohner und Thiam nicht erst seit der Beschattungsaffäre gestört gewesen sei. Die beiden hätten sich hinter den Kulissen einen Machtkampf geliefert. Nun habe Rohner diesen zu seinen Gunsten entschieden. Noch sei aber nicht sicher, dass er tatsächlich bis 2021 in seinem Amt verbleibt. Er müsse selbst erst noch Überzeugungsarbei bei den Aktionären leisten.

"20 Minuten":

Die Pendlerzeitung "20 Minuten" fragt sich, ob die CS Thiam den Abgang vergolden wird. Allerdings habe sich die CS dazu auf Anfrage nicht äussern wollen. Thiam habe in den letzten rund viereinhalb Jahren bei der Credit Suisse aber "richtig gut Geld verdient". Allein 2018 habe sich die Total-Entschädigung auf 12,7 Millionen Franken belaufen. Schon ohne das noch nicht kommunizierte Salär für 2019 habe Thiam bei der CS insgesamt über 53 Millionen Franken bezogen. Noch sei die Affäre nun aber nicht ausgestanden. Die Abklärungen der Finma liefen ja noch weiter, so das Blatt in seiner Online-Ausgabe.

tv/kw