"In diesem Jahr werden wohl eine Milliarde Euro an deutschen Investitionen nach Afrika fließen", sagte Stefan Liebing, Vorsitzender des Afrikavereins der deutschen Wirtschaft, am Mittwoch im Reuters-Interview. Die gesamten deutschen Investitionen auf dem Nachbarkontinent legten damit um zehn Prozent zu, außerdem wachse der Handel. Deutschland habe Frankreich bereits 2017 beim Handelsvolumen überholt. "Die Dax-Konzerne sind bereits da, aber nun steigt auch das Interesse des Mittelstandes", sagte Liebing. Die am Mittwoch begonnene Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Westafrika komme deshalb zum richtigen Zeitpunkt.

"Dazu kommt eine positive Entwicklung in vielen Ländern des Kontinents", sagte Liebing. Dies liege zum einen an gestiegenen Rohstoffpreisen, die etwa Nigeria oder Angola wieder mehr Spielraum verschafften: "Zum anderen gibt es aber auch Staaten wie Äthiopien, in denen politische Reformen angepackt werden." Die Erfolge seien an Zahlen ablesbar. So hätten die staatlichen Hermes-Bürgschaften für Geschäfte in Afrika im ersten Halbjahr 2018 bereits den Gesamtwert von 2017 erreicht. "Die Anfragen sind sogar um 400 Prozent gestiegen", sagte Liebing.

Damit scheint sich die Hoffnung zu erfüllen, dass afrikanische Länder durch private Investitionen und Geschäfte und nicht durch klassische Entwicklungshilfe vorankommen. Das Interesse scheint geweckt zu sein: So wird die Kanzlerin bei der Reise nach Senegal, Ghana und Nigeria von einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation begleitet. Immerhin weisen die ersten beiden Staaten stetige Wachstumszahlen von mehr als sechs bis sieben Prozent auf. Und das rohstoffreiche Schwergewicht Nigeria mit seinen 190 Millionen Einwohnern gilt als sehr großer Markt.

Doch Liebling ist noch nicht zufrieden. "Die deutschen Investitionen könnten noch viel größer sein: Wenn wir eine Steigerung um 30 Prozent haben wollen, müsste die Bundesregierung die vielen guten Ideen aus dem Eckpunktepapier für die Afrika-Strategie umsetzen." Dieses hatte die vorherige große Koalition 2017 beschlossen. Gerade Mittelständler bräuchten eine bessere Absicherung und neue Finanzierungsinstrumente, weil das Afrika-Geschäft riskanter sei.

WIRTSCHAFT FORDERT MEHR UNTERSTÜTZUNG BEI EINZELPROJEKTEN

In der Bundesregierung wird darauf verwiesen, dass man gerade die Eigenbeteiligung bei Geschäften mit Hermes-Absicherung etwa für Ghana von zehn auf fünf Prozent gesenkt habe. Das sei sehr sinnvoll, lobte Liebing, gelte aber nur für wenige Länder. "Eine andere Idee wäre ein 'Hermes für Erneuerbare', also eine Versicherung gegen Zahlungsausfälle, wenn etwa ein afrikanischer Konzern die Einspeisevergütung für einen Windpark nicht entrichtet", schlägt er vor. Diese Absicherung würde deutsche Investitionen in die Erneuerbaren Energien erheblich ankurbeln. "Wir haben zudem dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) einen Entwicklungsfonds vorgeschlagen, der immer dann einspringen könnte, wenn Hermes nicht greift."

Nötig sei zudem mehr Unterstützung der Regierung bei Einzelprojekten. Nordischer Länder könnten hier ein Vorbild sein. So habe Dänemark eine Studie über den Ausbau der Windenergie in Äthiopien finanziert. Und der erste Großauftrag sei dann an einen dänischen Konzern gegangen, berichtet der Vorsitzende des Afrikavereins.

Denn deutsche Firmen bewegten sich in einem umkämpften Umfeld. "Dazu gehört natürlich China, auch die türkischen Konzerne mischen mittlerweile kräftig mit." Seit längerem gibt es Berichte, dass auch Indien mittlerweile in Afrika stark vertreten ist. Liebing forderte deshalb einen neuen, breiteren Ansatz in der deutschen Afrikapolitik, wie es ihn für andere Regionen auch gebe: "Wir müssen neben der wertegebundenen Außenpolitik auch eine interessengeleitete Politik betreiben."