- von Tom Käckenhoff und Christoph Steitz

Der geplante Ausfall der Dividende erhitzt vor dem anstehenden Anlegertreffen manche Gemüter ebenso wie die millionenschwere Abfindung für Vorgänger Guido Kerkhoff oder die häufigen Kurswechsel der vergangenen Jahre. "Wir wollen ein Signal setzen und werden den Aufsichtsrat nicht entlasten", sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler, am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir sehen insbesondere dort eine Orientierungslosigkeit, die zu den sehr kostspieligen Personalwechseln und auch dem strategischen Zickzackkurs geführt hat." Thyssenkrupp wollte sich dazu nicht äußern.

Merz war im Oktober für ein Jahr vom Führungsposten des Aufsichtsrats an die Spitze des Vorstands gerückt. Seitdem gibt es immer wieder Spekulationen, dass die frühere Bosch-Managerin länger im operativen Geschäft des Essener Traditionskonzerns bleiben werde - zumal der von ihr vorangetriebene Umbau des Konzerns mit seinen heute noch rund 160.000 Mitarbeitern nach ihrer Einschätzung erst in einigen Jahren voll zur Geltung kommen wird.

ERNEUTER CHEFWECHSEL - RUSSWURM? GÜNTHER? ODER BLEIBT MERZ?

"Frau Merz muss jetzt dem Konzern eine Perspektive geben. Das gilt auch für ihre eigene Position", betont Anlegerschützer Tüngler. Es sei unklar, ob überhaupt nach einem Nachfolger gesucht werde. "Es ist schwer vorstellbar, dass sie jetzt eine fertige Strategie entwirft, die ein Nachfolger dann nur noch umsetzen 'darf'." Dessen Position wäre von Anfang an geschwächt und auch ohne kreative Energie. "Zugleich drängt die Zeit, und Entscheidungen müssen jetzt getroffen werden."

Branchenexperten zufolge droht dem Konzern ein neues Führungschaos, wenn Merz den Posten der Vorstandschefin tatsächlich bald wieder abgeben würde. Ein neuer Chef könne keine eigene Strategie umsetzen - es sei denn, er käme aus dem Aufsichtsrat. Bereits früher war der ehemalige Siemens-Manager Siegfried Russwurm genannt worden. Er vertritt derzeit Merz an der Spitze des Kontrollgremiums. Einziehen soll dort nach der Hauptversammlung der bisherige Innogy-Finanzchef Bernhard Günther.

Merz hatte bereits auf der Bilanzpressekonferenz im November schonungslos die Lage beschrieben. Der aus dem Leitindex Dax geflogene Konzern werde auch 2019/20 keinen Gewinn einfahren. Sie will den Konzern umbauen. "Wir drehen gerade jeden Stein im Unternehmen um." Im Zentrum der Neuausrichtung steht dabei der geplante Verkauf der Aufzugssparte - das Tafelsilber des Konzerns. Der Verkauf des auf einen Wert von über 15 Milliarden Euro geschätzten Geschäfts soll Spielraum für die Sanierung oder Entwicklung anderer Geschäfte geben.

Im Rennen, das im Februar oder März entschieden werden könnte, sind neben dem finnischen Konkurrenten Kone Konsortien von Finanzinvestoren, darunter ein von der RAG-Stiftung unterstütztes Bündnis von Cinven und Advent. Unklar ist, ob Thyssen alle Anteile abstößt und ob es einen Börsengang gibt. Thyssenkrupp hat zudem Geschäfte aus dem Bereich Anlagenbau und Autoteile zur Disposition gestellt.

"Ein Verkauf von Elevator löst nicht die strukturellen Probleme von Thyssenkrupp, angesichts jährlicher Pensionsverpflichtungen von 600 Millionen Euro", sagte ein Top-20-Investor des Konzerns. Es bleibe schwierig, weil alle anderen Geschäfte wenig oder nichts verdienten. "Aus Aktionärssicht wäre es sicherlich besser, wenn Thyssenkrupp einen Anteil am Geschäft behalten würde."

Auf eine Dividende müssen die Anleger nach dem Nettoverlustes von 260 Millionen Euro verzichten. Dies stößt manchem Anleger sauer auf. Aktionär Ulrich Zedler fordert in einem Gegenantrag zur Hauptversammlung für das vergangene Geschäftsjahr 2018/19 eine unveränderte Dividende von 15 Cent je Aktie. Auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten sei eine Dividendenkontinuität für alle Aktionäre wichtig, begründet er dies. In einer Stellungnahme der Verwaltung weist Thyssenkrupp dies wegen der Lage des Konzerns zurück, verspricht aber: "Für die Zukunft wird eine verlässliche und attraktive Dividendenpolitik ein wichtiges Element unserer Strategie newtk sein." Der Konzern strebe an, künftig wieder eine angemessene Dividende auszuschütten.