- von Hans Seidenstuecker

Die Deutsche Bank zeigt Interesse an Teilen des pleite gegangenen Zahlungsanbieters Wirecard.

"Wir sind eine der größten Banken im Zahlungsverkehr weltweit. Das ist eine unserer Stärken, ein echtes Kerngeschäftsfeld", sagte Deutsche-Bank-Vorstand Fabrizio Campelli dem "Handelsblatt" in einem am Freitag veröffentlichten Interview. "Wenn sich hier also Gelegenheiten ergeben, uns zu verstärken, werden wir uns diese ansehen."

Bereits am Donnerstag hatte die Deutsche Bank mitgeteilt, dass sie mögliche Hilfen für die Wirecard Bank prüft. Insidern zufolge bringt sich Deutschlands größtes Geldhaus damit in eine gute Ausgangsposition für eine möglicher Übernahme des Instituts, das etwa so groß wie eine mittelgroße Sparkasse ist. Tief in die Taschen müsste sie dafür wohl nicht greifen. Eine mit Wirecard vertraute Person sagte, der Buchwert der Bank liege bei rund 160 Millionen Euro. Dieser sei aber wohl nicht zu erzielen, sie werde voraussichtlich mit einem Abschlag verkauft.

Die Wirecard Bank darf mit ihrer Vollbanklizenz alle Bankdienstleistungen anbieten. Sie ist im Gegensatz zu ihrer Mutter nicht insolvent. Doch laufen ihr wichtige Partner davon - etwa der Handelsriese Aldi Süd, der die Kreditkartenzahlungen seiner Kunden seit einigen Tagen über den Konkurrenten Payone abwickelt. So ist die mögliche Hilfe der Deutschen Bank auch ein Signal an die Kunden, bei der Wirecard Bank an Bord zu bleiben. Der Dax-Konzern war erst vor kurzem in das Geschäft von Wirecard mit Händlern vorgedrungen, indem er gemeinsam mit dem Zahlungsabwickler First Data ("TeleCash") Kassenterminals für kleine Händler wie Bäcker oder Kioske anbietet.

SINGAPUR NIMMT WIRECARD-PARTNER INS VISIER

Der Wirecard-Konzern musste vor gut einer Woche Insolvenz anmelden, nachdem ein milliardenschwerer Bilanzskandal aufgeflogen war. Die Behörden gehen davon aus, dass die Bilanzen spätestens seit 2016 falsch sind und Wirecard Umsatz und Gewinn durch vorgetäuschte Einnahmen aufgebläht hat. Es gibt jedoch Anzeichen, dass der Betrug schon Jahre zuvor begann.

Asien spielte dabei eine Schlüsselrolle. Die Behörden in Singapur weiteten ihre Ermittlungen aus und nahmen auch die Firmen Citadelle Corporate Services und Senjo Group ins Visier, wie die Zentralbank und Polizei des Stadtstaats am Freitag mitteilten. Es gehe um mutmaßliche Bilanzfälschung und die Tätigkeit als Treuhänder, ohne die dafür nötige Lizenz zu besitzen.[L8N2EA32Y] Wirecard war zusammengebrochen, nachdem sich herausstellte, dass in der Bilanz angesetzte 1,9 Milliarden Euro nicht wie behauptet auf philippinischen Bankkonten lagen. Der philippinische Anwalt Mark Tolentino hatte gesagt, er habe die Konten im Namen von Citadelle eröffnet.

Nach dem Wirecard-Skandal will Deutschland nun schnell Konsequenzen ziehen. Das Bundesfinanzministerium arbeitet nach eigenen Angaben mit Hochdruck an einem Konzept zur Überarbeitung der Finanzaufsicht. Es werde vorgestellt, sobald es fertig sei, sagte eine Sprecherin. Dies solle in den nächsten Tagen der Fall sein. Finanzminister Olaf Scholz hat bereits betont, die BaFin müsse künftig in der Lage sein, kurzfristig und effizient Sonderprüfungen durchführen zu können. Experten erwarten, dass das Aufgabenfeld der Bonner Behörde ausgeweitet werden dürfte.

INVESTOREN WOLLEN WIRECARD-ANLEIHEN NUR NOCH LOSSCHLAGEN

Auch die beteligten Wirtschaftsprüfer stehen in der Kritik. Wirecard hatte jahrelang ein rasantes Wachstum und sprudelnde Gewinne vorgegaukelt, ohne dass die Prüfer Alarm schlugen. Zu Hochzeiten wurde der gesamte Konzern an der Börse mit fast 25 Milliarden Euro bewertet, die Aktie handelte bei knapp 200 Euro. Viel Hoffnung auf ein glimpfliches Ende können sich Investoren und Gläubiger nicht machen. Die gesamten Vermögenswerte des Konzerns könnten bei einem Verkauf mit 400 bis 500 Millionen Euro bewertet werden, sagte die mit Wirecard vertraute Person. Dem stehen Verbindlichkeiten von vier Milliarden Euro gegenüber, die Gläubiger dürften also nur einen Bruchteil ihres Geldes zurückbekommen. Obwohl die Aktionäre sich auf einen Totalverlust einstellen müssen, legte die zum Spielball von Spekulanten gewordene Wirecard-Aktie am Freitag gut vier Prozent auf 3,23 Euro zu.

Viele Investoren einer 900 Millionen Euro schweren Wirecard-Wandelanleihe wollen ihre Papiere dagegen nur noch losschlagen. Dazu wurde für den den kommenden Mittwoch eine Auktion anberaumt, die von Credit Suisse gemanagt wird. Im Strudel der Wirecard-Insolvenz ist der Kurs des 2024 auslaufenden Papiers um etwa 85 Prozent abgestürzt. Die Wandelanleihe war Teil eines komplexen Geschäfts des japanischen Technologieinvestors Softbank. Statt direkt eine Beteiligung an Wirecard zu erwerben, hatte Softbank Anleihen gekauft, die in Wirecard-Aktien gewandelt werden konnten. Die Wandelanleihe verkaufte Softbank dann mit Gewinn an andere Investoren weiter.