Wer sein Glück überstrapaziert, wird tief fallen! Geradlinige Performancekurven und der Traum vom großen Geld locken immer wieder unbedarfte Anleger an die Märkte. Aber seien Sie gewarnt!

Wir alle wissen, dass es an der Börse ohne zumindest zwischenzeitliche Verluste einfach nicht geht und trotzdem lechzen wir danach, möglichst schadlos durchs Börsengewässer zu Segeln. Angeheizt wird dieser Wunsch leider auch durch die Finanzindustrie. In den letzten Jahren sind Services, in denen jeder Profis folgen oder sogar direkt investieren kann, wie Pilze aus dem Boden gesprossen. Gerne wird zur Kundengewinnung mit einer genialen Performance geworben. Je geradliniger die Performancekurve ist, desto besser. Beim Anblick einer Depot-Performance wie die in der folgenden Abbildung, wirft man seine anfänglichen Bedenken schnell über den Haufen. Nur allzu greifbar scheint der Traum einer hohen Rendite ohne Risiko.

Ich persönlich analysiere und trade die Märkte nun schon seit fast 20 Jahren hauptberuflich und coache seit mehr als 10 Jahren (hier geht es zur Traderausbildung). Dabei bediene ich mich regelmäßig statistischer Tests und ich bekomme extreme Bauchschmerzen, wenn ich Performancekurven wie die obige sehe. Solche geradlinigen Performancekurven spiegeln nicht die Erfahrung wieder, die sich bei mir im Laufe der Jahre bei all den Tests entwickelt hat. Ohne Zweifel hat fast jede Strategie Phasen, in denen es richtig gut läuft. Ein relativ geradliniger Strich von links unten nach rechts oben ist keine Seltenheit. In dieser Zeit passt die Strategie einfach perfekt zum Marktumfeld. Wie wir alle wissen (hoffe ich zumindest), bleibt dies aber leider nicht immer so. Bullenmarkt und Bärenmarkt wechseln sich ab. Es gibt Zeiten hoher und niedriger Volatilität und nur allzuoft auch irgendetwas dazwischen. Kein einzelnes Regelwerk dieser Welt kann in allen Phasen gleich gut abschneiden. In einem Bullenmarkt größtenteils long zu gehen und mit großen Kurszielen zu arbeiten, sicherte in den letzten Jahren eine hohe Rendite. Im Bärenmarkt wird dies jedoch nicht funktionieren und die Strategie befindet sich im Drawdown.

Von Glücksrittern

Angesichts dieser Tatsache stellt man sich die Frage, woher denn immer wieder diese super Performancekurven kommen? Wird hier etwa gelogen?

Soweit möchte ich an dieser Stelle gar nicht gehen. Aber bereits im vorangegangenen Absatz habe ich Ihnen eine mögliche Erklärung gegeben. Wenn die Strategie perfekt zur aktuell vorherrschenden Marktphase passt, kommt es wirklich zu sehr schönen Performancekurven. Die große Frage ist jedoch, wie das System bzw. der Trader reagiert, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern. Das Beispiel von oben macht hier keine Ausnahme. Schauen Sie nur einmal, wie sich das Konto in den vergangenen Monaten entwickelt hat. Wenn ich Ihnen sage, dass dieses Depot vornehmlich in Deutschland investiert und Sie sich einmal den Kursverlauf vom Dax in diesem Jahr anschauen, könnte klar werden, warum es auf einmal zum bisher größten Drawdown in diesem Wikifolio gekommen sein dürfte.

Nichts liegt mir ferner als eine Wertung bezüglich dieses konkreten Beispiels vorzunehmen. Vielmehr geht es mir um das grundlegende Problem und ich möchte Sie als Trader/Anleger dafür sensibilisieren. Die Bäume wachsen am langen Ende nicht geradlinig in den Himmel. So richtig deutlich wird es wohl im folgenden Beispiel. Was zu schön aussieht, um wahr zu sein, ist es meist auch:

Neben dem Umstand, dass das Depot einfach nur Glück hatte und quasi zur rechten Zeit am rechten Ort unterwegs war, kann auch das Thema Überoptimierung eine Rolle spielen.

Gefahr Überoptimierung 

Im Rahmen von Tests ist es sehr leicht möglich, perfekte Performancekurven zu kreieren. Man fängt einfach mit ein paar grundlegenden Regeln an und erhält eine zunächst noch wacklige Performancekurve. Indem man einfach immer mehr Variablen hinzufügt, kann man die jeweiligen Fehlsignale filtern und voila, fertig ist die perfekte Tradingstrategie. Leider ist diese aber auch so speziell, dass sie höchstwahrscheinlich sehr schnell nicht mehr funktionieren wird. Kleinste Veränderungen bei den Rahmenbedingungen führen dazu, dass die Strategie in einen Drawdown rutscht. Wahrscheinlich ist sogar, dass aus einer ursprünglich sehr erfolgreichen Strategie, eine verlustige wird.

Ich möchte beim Thema Überoptimierung nicht zu tief ins Detail gehen, habe aber eine Theorie. Ich befürchte, dass sich die Märkte nicht in ein Konzept statischer Regeln (egal wie komplex diese sind) pressen lassen. Mit Optimierungsmaßnahmen kann man eine Strategie ohne Zweifel verbessern. Im Grunde passiert nichts anderes, als dass verlustige Trades herausgefiltert werden. Die Tradingsfrequenz sinkt, während sich die Statistik verbessert. Analytisch zieht man nun aus sehr wenigen Beispielen weitreichende Schlussfolgerungen. Ich behaupte jedoch, dass, wenn man diese neue, überoptimierte Strategie so lange durchführen würde, dass man wieder auf eine entsprechend hohe Anzahl an Trades kommt, die Statistik dieser Strategie nicht wesentlich anders aussehen wird, als vor Beginn der Optimierungsmaßnahmen – eventuell sogar schlechter. Vielleicht stammt daher die allgemeine Börsenweisheit, es beim Traden so einfach wie möglich zu halten (KISS-Prinzip).

Von offenen und geschlossenen Trades 

Um die Liste möglicher Probleme zu vervollständigen, möchte ich abschließend noch auf einen weiteren Punkt eingehen, mit dem geradlinige Performancekurven erzeugt werden. Hierfür müssen Sie wissen, dass die viele Performancekurven lediglich abgeschlossene Trades darstellen. Der Trader bzw. Investor ist eine Position eingegangen und hat diese bereits wieder geschlossen. Der Gewinn oder Verlust fließt in die Performancekurve ein. Ich denke, Sie ahnen schon, worauf ich hinaus will. Wenn der Trader und Investor viele offene Positionen besitzt, die im Verlust stehen, schlägt sich dies nicht in der Performancekurve nieder. Im Extrembeispiel könnten wir eine Gerade nach oben erzeugen, wenn wir ausschließlich Gewinner verkaufen, während jeder verlustige Trade offen bleibt. Während die Performance eine geradlinige positive Rendite suggeriert, könnte das Konto real sogar im Minus stehen. Um diesen Aspekt auszuschließen, ist es zwingend notwendig, Kontoverläufe mit offenen als auch geschlossenen Positionen abzubilden – und das möglichst Realtime.

Zusammenfassung 

Ziel meines Artikels war es, Sie für das Thema Performance und Risiko an der Börse zu sensibilisieren. Gerade in Phasen in denen es an der Börse super läuft, schmeißt man nur allzu gerne allgemein Bekanntes über Bord. Wer es hierbei übertreibt, kann sehr tief fallen. Ich möchte keinem zu nahe treten, bin aber ehrlich gesagt gespannt, wie sich so das eine oder andere öffentliche Portfolio schlägt, wenn wir beispielsweise wieder einmal einen Bärenmarkt vorliegen haben. Ich hoffe jedoch, dass Sie auch dank des vorliegenden Artikels nicht gänzlich überrascht werden und einen großen Teil der vielleicht jetzt aufgelaufenen Super-Gewinne behalten können, da Sie entsprechend vorgebeugt haben. Gerne unterstütze ich Sie dabei: Die Traderausbildung!

In diesem Sinne viel Erfolg

Ihr Rene Berteit

Wenn Sie sich für Trading-Know-how im Allgemeinen und kurzfristigen Handel im Speziellen interessieren sind Sie bei mir genau richtig. Folgen Sie mir auf Guidants!

Autor: Rene Berteit, Tradingcoach und Charttechnischer Analyst bei GodmodeTrader.de.

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die CASMOS Media GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

Bildquelle: Pressefoto Deutsche Börse AG