- von Ilona Wissenbach

Auf das Rettungspaket folgt das Sparprogramm: Lufthansa-Chef Carsten Spohr kündigte am Mittwoch angesichts von Milliardenverlusten in der Corona-Krise "tiefgreifende Restrukturierungen" der Airline-Gruppe an.

Deutlich mehr als 10.000 Stellen könnten wegfallen, die Mitarbeiter müssten Einbußen bei Arbeitszeit und Bezahlung in Kauf nehmen. Das sei notwendig, um durch die Krise zu kommen und die staatlichen Finanzhilfen von bis zu neun Milliarden Euro bis 2023 zurückzuzahlen. Die Lufthansa will Investitionen mehr als halbieren, weniger neue Flugzeuge von Airbus und Boeing kaufen und vor allem die Personalkosten drücken.

Noch vor der für 25. Juni geplanten außerordentlichen Hauptversammlung, die Teilen des Rettungspakets zustimmen muss, will der Lufthansa-Chef in den Verhandlungen mit den Gewerkschaften Ergebnisse sehen und den Anteilseignern präsentieren. "Wir wollen die Wahrscheinlichkeit, dass die Hauptversammlung zustimmt, maximieren. Dazu werden die Aktionäre Zugeständnisse der Mitarbeiter hören wollen", sagte Spohr.

Für Mittwoch nächster Woche ist ein Tarifgipfel mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), der Flugbegleitergewerkschaft UFO und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi geplant. UFO begrüße schnelle Verhandlungen und halte das trotz des Zeitdrucks für machbar, erklärte deren Geschäftsführer Nicoley Baublies. Es gebe schon wochenlang Gespräche, allerdings bisher ohne Entscheidungen des Managements. "Wir arbeiten schon seit einigen Wochen mit Hochdruck an Lösungen, die die Interessen der Beschäftigten sozialverträglich absichern", sagte eine Sprecherin von Verdi. Die VC hatte bereits einen Sparbeitrag von 350 Millionen Euro über zwei Jahre angeboten. "Im Gegenzug erwarten wir allerdings vom Konzernvorstand, dass er sich zu seinen Mitarbeitern bekennt und alles tut, um die Krise gemeinsam mit ihnen sozialpartnerschaftlich zu überwinden", erklärte VC-Präsident Markus Wahl.

Wie viele der zuletzt rund 137.000 Beschäftigten am Ende gehen müssen, steht noch nicht fest. Spohr erklärte, es seien deutlich mehr als 10.000 Arbeitsplätze überflüssig. Ziel bleibe, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. In Konzernkreisen hieß es, über alle Airlines, die Wartungs- und Cateringtöchter hinweg müssten für bis zu 20.000 Mitarbeiter neue Jobs gefunden werden. Je flexibler die Gewerkschaften bei Teilzeit und weniger Bezahlung wären, um so mehr könnten an Bord bleiben, betonte Spohr. Nach Einschätzung von Daniel Röska, Analyst von Bernstein Research, müsste der Konzern die Personalkosten um mehr als 40 Prozent drücken, um wieder in schwarze Zahlen zu fliegen.

MILLIARDENVERLUSTE ERWARTET

"Der weltweite Luftverkehr ist in den vergangenen Monaten fast vollständig zum Erliegen gekommen. Das hat unser Quartalsergebnis in einer bisher noch nie dage­wesenen Dimension belastet", erklärte der Lufthansa-Chef. Von Januar bis März, als die massiven Flugstreichungen wegen der Reisebeschränkungen gegen die Pandemie erst losgingen, beförderte die Lufthansa mit knapp 22 Millionen etwa ein Viertel Fluggäste weniger. Der Verlust nach Steuern und Abschreibungen schnellte um mehr als 500 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 2,1 Milliarden Euro. Das zweite Quartal fällt operativ noch verheerender aus, da im April und Mai gerade noch fünf Prozent der Flüge im Vergleich zum Vorjahr abhoben. "Wir erwarten einen deutlich höheren Verlust im zweiten Quartal", sagte Finanzvorstand Thorsten Dirks.

Die vom Abstieg aus dem Leitindex Dax bedrohten Lufthansa-Aktien kletterten nach massivem Einbruch seit Jahresbeginn am Mittwoch um mehr als fünf Prozent. "Es tut weh, wir sind Gründungsmitglied im Dax", sagte Spohr zu der am Donnerstag anstehenden Entscheidung der Deutschen Börse über die Zusammensetzung des 30 Werte umfassenden Leitindex. Aber die Frage sei in der schwersten Krise der Luftfahrt nicht so relevant.

HOHE SCHULDEN, SCHLECHTE AUSSICHTEN

Die Lufthansa-Gruppe muss mit staatlichen Finanzhilfen von bis zu neun Milliarden Euro in Form von Krediten, stillen Einlagen und einem Aktienpaket für den Staat vor der Pleite gerettet werden. Das mit der Bundesregierung ausgehandelte Finanzpaket muss noch von der EU-Kommission genehmigt werden und Zustimmung auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am finden. Denn für den Einstieg des Staates mit einem Anteil von 20 Prozent muss das Kapital um 25 Prozent erhöht werden. Spohr sagte, die Summe aus Deutschland könne sich bei einer möglichen Zusage von zwei Milliarden Finanzhilfe aus der Schweiz, Österreich und Belgien noch verringern. Der Betrag sei in dieser Höhe nicht notwendig gewesen, um die Insolvenz zu verhindern. Der Regierung sei es auch darum gegangen, dass die Lufthansa als drittgrößte Airline-Gruppe weltweit ein globaler Champion bleibe.

Die verfügbaren Mittel reichten noch bis Ende Juni oder Anfang Juli, erklärte die Lufthansa. Dank der Milliarden sei die Gruppe 2020 durchfinanziert. Nachdem im Mai nur noch drei Prozent der geplanten Flüge abheben konnten, baut die Lufthansa mit ihren Tochter-Airlines Eurowings, Swiss, Austrian und Brussels Airlines den Passagierverkehr ab Juni schrittweise wieder auf. Ab September sollen 40 Prozent der ursprünglich geplanten Kapazität im Angebot sein.