BERLIN (dpa-AFX) - Führende SPD-Politiker machen sich für Finanzminister Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten der Sozialdemokraten stark und setzen damit die Parteispitze um die Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans unter Druck. "Bei den Schwierigkeiten, die die CDU erkennbar bei der Suche nach einem Kandidaten hat, könnte ich mir vorstellen, dass es nützlich wäre, sich auf eine Kandidatur von Olaf Scholz festzulegen", sagte Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann dem Nachrichtenportal "The Pioneer" (Freitag). Fraktionsvize Achim Post sagte dem Portal, der richtige Kanzlerkandidat müsse "Regierungserfahrung und persönliche Integrität" mit einem "klaren Blick für die Zukunft" verbinden. "Für mich hat Olaf Scholz ohne jeden Zweifel diese Kanzlerkompetenzen."

Scholz steht aktuell stark mit der Aufarbeitung des Finanzskandals beim Zahlungsdienstleister Wirecard im Fokus. Am Freitag wurde ein Aktionsplan des Finanzministers bekannt, mit dem die Finanzaufsicht gestärkt und Anleger besser geschützt werden sollen. Kommende Woche sollen Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dem Finanzausschuss des Bundestages zu dem Thema Rede und Antwort stehen. Die Opposition will wissen, seit wann die Regierung von Unregelmäßigkeiten bei dem Dax-Konzern wusste und was sie unternommen habe.

Ungeachtet dessen sprechen sich immer mehr Sozialdemokraten dafür aus, dass Scholz die Partei als Kanzlerkandidat im Wahlkampf führt. Neben Oppermann und Post tat dies auch die Sprecherin des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Siemtje Möller. Sie nannte Scholz im Portal "The Pioneer" "einen überzeugenden Kandidaten, der gemeinsam mit der Kanzlerin Deutschland besonnen und klug durch die Krise führt". Der SPD-Haushaltsexperte Dennis Rohde erklärte: "Die Kanzlerkompetenzen von Olaf Scholz stehen außer Frage."

Am Donnerstag hatte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) Scholz als geeigneten Kanzlerkandidaten bezeichnet. In den Zeitungen der Funke-Mediengruppe hob sie dessen Management im Wirecard-Skandal hervor. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte vergangenes Wochenende in einem dpa-Interview, Scholz wäre "auch als Bundeskanzler sehr geeignet". Mit ihm als Kanzlerkandidat würden auch die Umfragewerte der SPD steigen.

Die SPD-Chefs Esken und Walter-Borjans haben sich bisher nicht klar zu der Personalie bei den Sozialdemokraten geäußert. Im neuen ARD-"Deutschlandtrend" kommt die SPD nur auf 14 Prozent, zwei Prozentpunkte weniger als zuvor. Die Union ist mit 37 Prozent weit enteilt.

Trotz der schlechten Werte muss die SPD nach den Worten von Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) den Anspruch haben, den Kanzler zu stellen. "Wir dürfen uns da nicht selbst verzwergen", sagte Bovenschulte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag). Olaf Scholz wäre aus seiner Sicht ohne Zweifel ein geeigneter Kandidat für das Kanzleramt. Er mache als Finanzminister einen richtig guten Job. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) überstrahle derzeit alles, die Strahlkraft habe aber keiner der möglichen Nachfolger. Darin liege im Wahlkampf eine große Chance für die SPD, sage Bovenschulte./shy/DP/eas