Die jüngsten überwiegend drastisch enttäuschenden US-Datensätze (u.a. Arbeitsmarkt, NY Fed Manufacturing Index), die ultimativ Folge des normativ Faktischen der US-Aggression in den Sektoren Handel und Geopolitik sind, erzielen Wirkungen in Zentralbanken und Politik. Die aus der US-Politik resultierende Risikoaversion in der weltweiten Realwirtschaft belastete insbesondere den Investitionszyklus.  Das traf vor allen Dingen die Konjunkturlage Deutschlands und der Eurozone, die in diesem Sektor stark aufgestellt sind.

Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1264 (07:18 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1188 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 107.62. In der Folge notiert EUR-JPY bei 121.23. EUR-CHF oszilliert bei 1.1159.

Die erkennbare Negativspirale wirkte sich auf Zentralbanken aus, wie der Blick auf die Reaktionen der beiden großen Zentralbanken des Westens belegt.

Mario Draghi holte faktisch die Bazooka „Whatever it takes“ aus der Versenkung (laut Insidern ohne Abstimmung analog zu 20112). Ob mit diesem „zyklischen Opiat“ die Folgen der US-Politik neutralisiert werden können, darf diskutiert werden. Märkte fanden die Verheißung von noch mehr „Droge“ zunächst recht gut.
US-Fed-Chef Powell sah sich nach aggressiven Abverkäufen an Aktienmärkten (zu dem Zeitpunkt DAX bei 11.650) zu Verbalinterventionen genötigt, um der „Asset-Driven US Economy“ (Konjunkturverlauf stark abhängig von der Bewertung der Aktien, Immobilien) ein wenig Luft zu verschaffen.

Das weckte US-Zinssenkungsphantasien am Markt, die gestern untermauert wurden. Der Offenmarktausschuss der Federal Reserve ließ den Leitzins in der Spanne von 2,25% bis 2,50%. Knapp die Hälfte der Währungshüter ist der Ansicht, dass in der 2. Jahreshälfte niedrigere Zinsen angemessen sein dürften.

US-Politik nur vermeintlich stark?
Donald Trump, der im Handelskonflikt mit Peking längst nicht mehr im „Driver-Seat“ sitzt, wird recht kleinlaut und verkündete, bei dem anstehenden G-20 Gipfel ein ausführliches Gespräch mit Xi führen zu wollen. Heute wurde nachgelegt, dass auch ein Gespräch mit Putin auf der Agenda stünde.
Wir begrüßen diese Entwicklungen außerordentlich, wenn sie sich dann auch ergäben, denn uns ist noch nicht klar, wie belastbar diese Aussagen Trumps sind. Seine Wankelmütigkeit ist mittlerweile Legende.
Politik ist die Kunst der Diplomatie, der Verlässlichkeit und des Gesprächs. Empathie ist dabei hilfreich. Die USA haben der restlichen Welt in den letzten 18 Monaten zu viel „Undiplomatie“ im Rahmen von Drohungen, Sanktionen und Knebelungsversuchen in einem Kontext von historisch einmaliger Amplitude und Unberechenbarkeit zugemutet. Damit läutete die US-Politik eine schnellere Abwendung des Rests der Welt von den USA ein, die sich nicht durch hastige Worte heilen lassen wird. Das gilt für die Politik, das gilt für den Investitionsstandort USA, das gilt für die Frage der Lieferfähigkeit von Produkten aus den USA als auch der Fähigkeit der Importe von Produkten in die USA. Diese qualitativen Aspekte werden von den Märkten und auch Medien nach wie vor nicht angemessen in der Diskontierung oder im Diskurs bewegt. Die Fokussierung nur auf Zölle verstellt den Blick.

Auf dem anstehenden G-20 Gipfel sind Annäherungen wahrscheinlich, da die in den USA zwingender erforderlich sind als anderswo. Das erkennt der „Cash“-orientierte Trump wohl mittlerweile sehr genau. Sein Blatt erscheint ausgereizt zu sein.
Wir erinnern daran, dass die durch die USA verfügten Zölle den US-Investitionsstandort belasten. Die Fed wies bei ihrer gestrigen Sitzung des FOMC genau auf dieses Manko im Investitionssektor im Pressetext hin (=anekdotische Evidenz!).
Wir weisen auch darauf hin, dass die Gegenmaßnahmen Chinas sich mittlerweile auf mehr als 700 Mrd. USD auf drei Ebenen beziffern (Fiskalpolitik, Geldpolitik, Strukturpolitik: Senkung von Zöllen ex USA, Öffnung von Märkten).

Gestern legte Peking noch einmal verbal nach. Chinas Ministerpräsident Li Keqiang sagte eine Fortsetzung des Reformkurses und der Marktöffnung von westlichen Managern zu. O-Ton: „Wir werden auch den Zugang zu noch mehr Bereichen lockern, um ein marktorientiertes, rechtsbasiertes, internationalisiertes Geschäftsumfeld zu schaffen.“ Das klingt planvoll und vor allen Dingen smart.
85% der Weltwirtschaft, also die Welt ex USA können von dieser neuen Konstellation profitieren. In der Tat wird durch die Senkung der Zölle und Öffnung der Märkte der Potentialwachstumspfad von 85% der Weltwirtschaft perspektivisch erhöht, während die USA die „Terms of Trade“ durch den Handelsdisput für die USA verschlechtern.
Ja, Herr Xi sitzt längst im „Driver-Seat“. Warum ist das so? Weil die USA kurzfristig orientiert sind und China konfuzianisch agiert (=Marathon des Marathons).
Das sollte Europa Denkanstöße liefern. Denken wir zu Amerikanisch? Stellt das Leben nicht den Anspruch an Politik und Gesellschaft dem Prinzip Marathon und nicht Sprint zu folgen (auch Bilanzierungsstandards!)?

Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:
Eurozone:
Die Leistungsbilanz lieferte in der saisonal bereinigten Fassung per April einen Überschuss in Höhe von 20,9 nach zuvor 24,7 Mrd. Euro.
Die Bauleistung sank per April im Monatsvergleich um 0,81% nach zuvor -0,45% (revidiert von -0,27%).
UK:
Die Verbraucherpreise legten per Mai im Jahresvergleich um 2,0% nach zuvor 2,1% zu.
Der von CBI ermittelte Index für den Auftragseingang sank per Juni von -10 auf -15 Punkte und markierte den tiefsten Wert seit Oktober 2016!


Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in der Währungsrelation EUR/USD favorisiert. Erst ein Ausbruch aus der Bandbreite 1.1100 – 1.1350 eröffnet neue Opportunitäten. 
Viel Erfolg!

Gastbeitrag von Folker Hellmeyer, Chefanalyst SOLVECON INVEST
www.solvecon-invest.de


Herr Hellmeyer hat am Finanzmarkt ursprünglich als Devisenhändler begonnen. Für Deutsche Bank und Helaba war er in Hamburg, London und Frankfurt tätig. Von 2002 bis 2017 war Herr Hellmeyer Chefanalyst der Bremer Landesbank und hat mit klaren Worten die Entwicklungen an den Börsen und im Finanzmarkt­geschehen kommentiert.