Das Passagieraufkommen an deutschen Flughäfen sank im Oktober und September 2019 im Vorjahresvergleich zum ersten Mal seit Dezember 2017. Im September reisten 0,2% weniger Passagiere an und ab als im Vorjahresmonat; im Oktober betrug das Minus sogar 1,4% gg. Vj. Damit setzt sich der Trend einer tendenziell geringeren Dynamik im deutschen Luftverkehrsmarkt fort, der zum Jahreswechsel 2018/19 einsetzte.

Was sind die Gründe für diese Entwicklung? Auf der Nachfrageseite ist die schwächere Gesamtkonjunktur zu nennen. Die Einschränkung bei Geschäftsreisen ist eine gängige Maßnahme, wenn Unternehmen kurzfristig auf die Kostenbremse treten. Das Tourismusgeschäft lief im Sommer 2019 dank der robusten Entwicklung des privaten Verbrauchs jedoch noch ordentlich. Die gute Situation am Arbeitsmarkt sowie überdurchschnittlich hohe Lohnabschlüsse sorgten für Impulse.

Wichtiger erscheinen aktuell Probleme auf der Angebotsseite. So sorgt die Insolvenz einiger Fluggesellschaften in der jüngeren Vergangenheit für weniger Sitzplatzangebot. Besonders die innerdeutschen Passagierzahlen sind dadurch betroffen. Auch das Wachstum im Luftverkehr zu europäischen Zielen fällt spärlich aus. Neben der konjunkturellen Abkühlung sind Unsicherheiten rund um den Brexit sowie eine Konsolidierung auch unter europäischen Airlines als Faktoren zu nennen. Am aktuellen Rand kam die Insolvenz eines großen Reiseveranstalters hinzu, die Flugausfälle zur Folge hatte.

Es sind also wirtschaftliche Gründe, die für die geringere Dynamik des Luftverkehrs an deutschen Flughäfen sorgen. Flugscham, also der individuelle Verzicht auf einen Flug aus Gründen des Klimaschutzes, dürfte dagegen keine große Rolle gespielt haben. Bei den meisten Flugreisenden überwiegt der Wunsch nach individueller Mobilität.

Luftverkehr rückt weiter in den Fokus klimapolitischer Regulierung

Wie geht es weiter? Der Luftverkehr in Deutschland gerät weiter in den Fokus klimapolitischer Regulierung. Die Luftverkehrssteuer soll im Rahmen des Klimaschutzpakets ab April 2020 erhöht werden, je nach Streckenlänge um bis zu EUR 17 pro Ticket. Zugleich wird die Mehrwertsteuer für Bahntickets gesenkt. Dies dürfte gerade im innerdeutschen Verkehr zu Verschiebungen im Modal Split hin zur Bahn führen.

Ein Blick zurück gibt einen Hinweis, welche Entwicklungen nach der Erhöhung der Luftverkehrssteuer zu erwarten sind: Als diese Steuer 2011 in Deutschland eingeführt wurde, reduzierten gerade Low-Cost-Airlines ihr Angebot an Regionalflughäfen in Deutschland. Denn die typischen Kunden dieser Fluggesellschaften reagieren sensibler auf Preisänderung als Geschäftsreisende an den größeren Airports. Und bei niedrigen Ticketpreisen fällt der relative Preisaufschlag pro Ticket, der durch eine pauschale Steuer ausgelöst wird, besonders hoch aus. Parallel dazu verlegten manche Fluggesellschaften einen Teil ihres Flugangebots an Flughäfen in grenznahen Gebieten, etwa in den Niederlanden, Frankreich oder Polen. Damit wanderte auch ein Teil der Passagiere ab. Sehr viele Regionalflughäfen haben bis 2018 nicht mehr das Passagierniveau des Jahres 2010 (also dem Jahr vor der Einführung der Steuer) erreicht. Die geplante Erhöhung der Steuer dürfte daher erneut gerade die kleinen Regionalflughäfen treffen.

Letztlich fand das Wachstum des deutschen Luftverkehrs in den letzten Jahren vor allem an den größeren Flughäfen statt. Viele Kunden hatten sich nach einer Zeit an die Luftverkehrssteuer gewöhnt, zumal Effizienzfortschritte und der scharfe Wettbewerb in der Branche tendenziell preisdämpfend wirken. Der Gewöhnungseffekt dürfte auch künftig zu beobachten sein, zumal es auf der Mittel- und Langstrecke kaum eine vernünftige Alternative zum Flugzeug gibt. Mit einer gesamtwirtschaftlichen Erholung sollte daher auch der Luftverkehr in Deutschland wieder moderat wachsen, freilich nicht so dynamisch wie auf globaler Ebene. Flugscham dürfte dagegen ein Nischenphänomen bleiben.

Es ist offenkundig, dass nationale regulatorische Sonderlasten im Luftverkehr für die lokalen Anbieter (Airlines und Flughäfen) einen Wettbewerbsnachteil in dieser globalisierten Branche bedeuten. Solche Sonderlasten erschweren es, in effizientes Fluggerät oder die Modernisierung von Flughäfen zu investieren. Dass manche Airlines in den letzten Jahren - in einem ohnehin wettbewerbsintensiven Markt - in eine wirtschaftliche Schieflage gerutscht sind und letztlich Insolvenz anmelden mussten, ist nicht nur, aber auch auf solche Sonderlasten zurückzuführen.

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