BERLIN (dpa-AFX) - Kein Sommerurlaub in Antalya oder Hurghada bis Ende August - jedenfalls vorerst: Die Verlängerung der Reisewarnung für Länder außerhalb der Europäischen Union trifft nicht nur Urlauber, sondern auch die in Bedrängnis geratene Tourismuswirtschaft. Der Reiseverband DRV, der eine Pleitewelle befürchtet, kritisierte die Entscheidung der Bundesregierung. Verbraucher sollen nach den Plänen des Kabinetts künftig besser gegen Insolvenzen von Reiseveranstalter abgesichert werden.

Die Bundesregierung verlängerte am Mittwoch die Reisewarnung für Touristen wegen der Corona-Pandemie für mehr als 160 Länder außerhalb der Europäischen Union bis zum 31. August. Allerdings können Ausnahmen für einzelne Länder gemacht werden.

Die Reisewarnung werde auch vor September immer wieder auf den Prüfstand gestellt, sagte Außenminister Heiko Maas. "Dort - und nur dort - wo das Gesamtpaket aus positiver Pandemieentwicklung, einem stabilen Gesundheitssystem, stimmigen Sicherheitsmaßnahmen für den Tourismus und verlässlichen Hin- und auch Rückreisemöglichkeiten das zulässt, können wir möglicherweise schon früher von einer Reisewarnung zu Reisehinweisen zurückkehren."

Maas hatte am 17. März eine Reisewarnung für Touristen für alle rund 200 Länder der Welt ausgesprochen - und damit eine kostenlose Stornierung von Reisen ermöglicht. Veranstalter sagten Reisen ab.

In der vergangenen Woche hatte das Bundeskabinett beschlossen, die Reisewarnung für 31 europäische Länder aufzuheben. Dazu zählen die 26 Partnerländer Deutschlands in der Europäischen Union, das gerade aus der EU ausgetretene Großbritannien und die vier Staaten des grenzkontrollfreien Schengenraums, die nicht Mitglied in der EU sind: Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein. Für 29 Länder erfolgt die Aufhebung am 15. Juni, für Spanien und Norwegen erst später, weil dort noch Einreisesperren gelten.

Für diese Länder wird es künftig nur noch sogenannte Reisehinweise geben. Darin wird dann über die landesspezifischen Risiken informiert. Das kann auch bedeuten, dass von touristischen Reisen abgeraten wird. Zum Beispiel bei Großbritannien soll das der Fall sein, solange dort noch eine 14-tägige Quarantänepflicht für alle Einreisenden besteht.

Zu den mehr als 160 Ländern, für die Reisewarnung zunächst bis zum 31. August gilt, zählen auch beliebte Urlaubsländer der Bundesbürger wie die Türkei. Die Bundesregierung begründete diesen Schritt damit, dass in Ländern außerhalb der EU Reisebeschränkungen und Quarantänevorschriften "ohne jede Vorankündigung und mit sofortiger Wirkung" wieder eingeführt werden könnten. Wegen solcher plötzlicher Maßnahmen waren im März Zehntausende deutsche Touristen im Ausland gestrandet. 240 000 wurden in einer wochenlangen Aktion zurück nach Deutschland geholt. Eine Wiederholung will die Bundesregierung unbedingt vermeiden.

Der Reiseverband DRV bezeichnete die Entscheidung als nicht "verhältnismäßig", weil sie rund 160 Staaten über einen Kamm schere. "Die Pandemie klingt in sehr vielen Ländern der Welt ab", sagte DRV-Präsident Norbert Fiebig. Er forderte schnellstmöglich differenzierte Reisehinweise. Zugleich wies er darauf hin, dass im Krisenfall die Veranstalter Pauschalurlauber zurückholten.

Branchenprimus Tui hätte etwas mehr Mut sinnvoll gefunden "um auch Reisen in ausgewählte Länder wie die Türkei zu ermöglichen, die haben sich schließlich auch sehr gut vorbereitet". Der Geschäftsführer der FTI Group, Ralph Schiller, kritisierte, die Entscheidung Berlins "entzieht Veranstaltern und Reisebüros in Deutschland weiter einen großen Teil der Wirtschaftsgrundlage und ist zudem auch ein herber Rückschlag für viele betroffene Destinationen." Ingo Burmester, DER Touristik-Zentraleuropa-Chef, zeigte sich allerdings zuversichtlich "dass einige Reiseziele, darunter die Türkei, bereits zeitnah Urlauber sicher empfangen können."

Türkische Hoteliers reagierten enttäuscht. Die Türkei müsste "unter den ersten Ländern" sein, für die die Reisewarnung aufgehoben werde, sagte Erkan Yagci, Chef des Mittelmeer Hotelier und Touristikverbandes (Aktob). Sein Land habe "Pionierarbeit" geleistet und zahlreiche Vorsichtsmaßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus getroffen.

Als Lehre aus der Thomas-Cook-Pleite will die Bundesregierung Reisende bei Insolvenzen künftig mit einem Fonds absichern. Nur Veranstalter, die in diesen gemeinsamen Topf einzahlen, sollen künftig noch Pauschalreisen anbieten. Einen entsprechenden Vorschlag des Bundesjustizministeriums nahm das Kabinett an.

Derzeit können Versicherer von Reiseanbietern ihre Haftung für Erstattungen auf 110 Millionen Euro pro Geschäftsjahr begrenzen. Eine Haftungsbeschränkung soll es künftig weder für Reiseanbieter noch deren Versicherer geben, damit auch riesige Schadenssummen in Zukunft abgesichert sind und nicht vom Steuerzahler übernommen werden müssen. "Auf diese Weise wird ein umfassender Schutz der Reisenden sichergestellt", erklärte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD).

Verbraucherschützer begrüßten die Pläne. "Die Eckpunkte sind ein richtiger Schritt, damit Pauschalreisende in Zukunft besser gegen die Insolvenz eines Reiseanbieters abgesichert sind", sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), Klaus Müller. Der Fonds sollte mindestens 20 Prozent des Vorjahresumsatzes eines Veranstalters absichern. Da wegen der Corona-Krise in der Reisebranche viele Insolvenzen drohten, sollte das neue Gesetz noch im Sommer in Kraft treten, ergänzte Müller. Der Reiseverband DRV forderte "einen maßvollen Übergang vom alten ins neue System, den die Reiseunternehmen bewältigen können."

Hintergrund der Pläne ist die Pleite des Reiseveranstalters Thomas Cook vergangenes Jahr. Die Versicherungssumme von 110 Millionen Euro reichte nur, um einen Bruchteil der Forderungen der betroffenen Urlauber zu begleichen. Die Bundesregierung sprang für den Rest ein.

An den deutschen Grenzen soll vom kommenden Dienstag an weitgehend Normalbetrieb herrschen. EU-Bürger dürfen dann wieder ohne triftigen Grund einreisen. Mit der Beendigung der Kontrollen sei dann die Freizügigkeit in der Europäischen Union wieder hergestellt, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Die Mitte März verhängten Kontrollen sollten bereits in den kommenden Tagen allmählich heruntergefahren werden, sowohl mit Blick auf die Zahl der Kontrollposten als auch der eingesetzten Bundespolizisten.

In Deutschland hatten die Corona-Einschränkungen den Inlandstourismus im April fast komplett zum Erliegen gebracht. Die Zahl der Gästeübernachtungen brach nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Vergleich zum Vorjahresmonat um 89,3 Prozent auf 4,3 Millionen ein. Seit Mitte März galt ein Verbot zur Beherbergung privatreisender Gäste, auch geschäftliche Reisen waren stark eingeschränkt. Im April schlugen die Beschränkungen für Hotels und Pensionen voll durch./mar/mfi/hrz/abc/DP/eas