BERLIN (dpa-AFX) - In diesem Jahr zeichnen sich hitzige Debatten über den künftigen Mindestlohn ab: Die Gewerkschaft Verdi bekräftigte nun in Berlin ihre Forderung nach einer Erhöhung von derzeit 9,35 Euro auf 12 Euro pro Stunde. Außerdem fordert die Gewerkschaft, dass die Mindestlohnkommission freier als bisher über die weitere Entwicklung der Lohnuntergrenze entscheiden kann. Damit sieht sie sich weitgehend einig mit der SPD. Die Union hatte bereits vor einem politisch festgelegten Mindestlohn gewarnt.

Die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Andrea Kocsis verlangte eine neue Geschäftsordnung für die Mindestlohnkommission. Seit einer Neuberufung der Kommission ist Kocsis dort Mitglied. Konkret forderte die Gewerkschafterin, die Kommission solle die Anpassung des Mindestlohns nicht wie bisher gemäß der durchschnittlichen Tariferhöhungen festlegen. Dies sei eine rein statistische Größe. Einen höheren Stellenwert solle etwa der auch im Mindestlohngesetz vorgesehene Mindestschutz der Arbeitnehmer bekommen.

Bis zum 30. Juni müsse die Kommission einen neuen Vorschlag für die Erhöhung zum 1. Januar 2021 unterbreiten, sagte Kocsis. Zum 1. Januar war die Lohnuntergrenze von 9,19 Euro auf 9,35 Euro pro Stunde gestiegen - gemäß dem Vorschlag der Mindestlohnkommission.

Außerdem solle in der Kommission nicht wie bisher nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit von dem Tarif-Prinzip abgewichen werden dürften, forderte die Verdi-Vizechefin. Das unabhängige Gremium aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern schlägt regelmäßige Erhöhungen des Mindestlohns vor, der 2015 mit 8,50 Euro eingeführt wurde.

In einem einmaligen Schritt soll der Mindestlohn auf 12 Euro steigen, bekräftigte Verdi-Chef Frank Werneke. Dafür sei die Politik gefordert.

Die SPD will eine perspektivische Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro, wie sie auf ihrem Bundesparteitag im Dezember beschlossen hatte. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte für die im Gesetz vorgeschriebene Evaluierung des Mindestlohngesetzes im Jahr 2020 einen Fahrplan angekündigt. Wissenschaftler seien damit beauftragt worden, und im Sommer werde ausgewertet, ob der Mechanismus geändert werden müsse und in welchem Zeitraum 12 Euro realistisch seien, hatte Heil im "Tagesspiegel" gesagt.

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hatte die Forderung der SPD-Spitze nach einer Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro zurückgewiesen und auf die Entscheidungshoheit der Kommission gepocht. "Wir wollen keinen politisch gesetzten Mindestlohn", hatte Kramp-Karrenbauer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt./bw/DP/eas