HANNOVER (dpa-AFX) - Der Ortsbürgermeister von Gorleben klingt resigniert. Ob ein Atom-Endlager in seinem Dorf tatsächlich vom Tisch ist? Klaus Hofstetter weiß es nicht. "Wir haben da doch sowieso keinen Einfluss darauf, das entscheidet die Bundesregierung", sagt er. Er wolle da jetzt auch nichts Falsches sagen - dafür werde er einfach zu schlecht informiert.

Die Frage der Endlagerung von hochradioaktivem Atommüll ist seit Jahrzehnten ungeklärt. Lange sah es danach aus, dass die strahlenden Überreste der deutschen Kernanlagen für Hunderttausende Jahre nahe dem 600-Seelen-Dorf Gorleben eingelagert werden. Massenproteste bestimmten die Nachrichten. 2017 drückte die Bundesregierung dann auf den Reset-Knopf: Seitdem ist die Standortsuche wieder ergebnisoffen. In einem transparenten Verfahren soll ein Ort nach nachvollziehbaren geologischen Kriterien gesucht werden. Doch wie durchsichtig ist das Verfahren wirklich?

"Informationen sind eine zentrale Voraussetzung dafür, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in die Endlagersuche einbringen und das Verfahren mitgestalten können", sagt Wolfram König, der Präsident des Bundesamts für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE). Seine Mitarbeiter kommen gerade von einer großen Erklär-Offensive zurück. In 15 Landeshauptstädten standen sie mal 100, mal 30 Besuchern Rede und Antwort. "Die Leute sind mit großem und offenem Interesse gekommen", sagt eine BfE-Sprecherin.

"Die Zivilgesellschaft wird da überhaupt nicht mitgenommen", sagt hingegen Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Jochen Stay vom Bündnis ".ausgestrahlt" bezeichnet die Veranstaltungen als "pure Öffentlichkeitsarbeit", mit Information hätten sie nichts zu tun. Die Kritik der beiden: Betroffene sollen erst im Herbst 2020 erfahren, ob ihre Region in die engere Auswahl für ein Endlager kommt. Danach sollen sich regionale Arbeitsgruppen bilden und Stellungnahmen vorbereiten. "Die dürfen aber nur ein halbes Jahr arbeiten und sich drei Mal treffen", sagt Stay: "Das ist viel zu wenig Zeit, um sich in so ein Thema zu vertiefen."

Und noch ein Punkt treibt die Kritiker um: Wenn kommenden Herbst eine erste Entscheidung gefallen ist, habe die Öffentlichkeit keinerlei Möglichkeit nachzuvollziehen, wie es dazu gekommen ist. Denn die geologischen Daten, auf deren Basis die Bundesgesellschaft für Endlagerung entscheiden will, gehörten oft privaten Firmen und seien damit nicht einsehbar. Die Kritiker fordern deshalb eine Gesetzesgrundlage, nach der Unternehmen aktiv begründen müssen, weswegen sie ihre Daten nicht offenlegen.

Ein solches Geologiedatengesetz betrachtet auch das unabhängige nationale Begleitgremium als die Grundlage für eine transparente Information über die Standortentscheidung. Noch hängt es aber an der Ressortabstimmung, sagt eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Ehmke von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg kritisiert den Entwurf als unwirksam, man müsse Firmen immer noch dazu zwingen, Daten herauszugeben. Ob das Gesetz bis zu den ersten Zwischenständen für die Standortwahl umgesetzt wird, ist nach Angaben der Ministeriumssprecherin noch völlig offen.

Offen ist auch, ob Gorleben als Standort wirklich vom Tisch ist. "Wenn das Verfahren glaubwürdig sein soll, dann müsste Gorleben 2020 rausfallen. Da fehlt teilweise die erforderliche Tonschicht", sagt Ehmke: "Aber wir haben schon die Befürchtung, dass da wieder getrickst wird." Etwas pragmatischer sieht das Bürgermeister Hofstetter. Er hofft zwar, dass sich die Diskussion kommendes Jahr ein für alle Mal erledigt hat. Aber selbst, wenn die Wahl letztlich auf Gorleben fällt: "Für uns ändert sich nichts. Das Zwischenlager ist ja eh schon da."/dhu/DP/zb