BERLIN (dpa-AFX) - Bei einem Spitzentreffen zur Windenergie wollen Bundesregierung, Länder und Branche nach Wegen suchen, wie der stockende Ausbau der Windkraft an Land wieder beschleunigt werden kann. Zu dem Treffen am Donnerstagmittag in Berlin bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) liegen verschiedene Vorschläge auf dem Tisch. IG Metall-Vorstand Wolfgang Lemb sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Es ist fünf vor zwölf." Die Gewerkschaft befürchtet einen weiteren Abbau von Arbeitsplätzen. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte der dpa: "Die Bundesregierung darf sich angesichts der dramatischen Situation nicht länger zurücklehnen, sondern muss endlich handeln."

Im ersten Halbjahr war der Ausbau der Windkraft an Land in Deutschland fast zum Erliegen gekommen. Der Bundesverband Windenergie hatte einen Genehmigungsstau und eine Klageflut beklagt und einen "Windgipfel" gefordert. Dies nahm Altmaier auf. Eingeladen sind auch Vertreter von Bürgerinitiativen.

Energie- und Umweltverbände hatten einen Zehn-Punkte-Plan für einen schnelleren Ausbau vorgelegt. Es gehe darum, Hemmnisse abzubauen und die Verfügbarkeit von Flächen zu erhöhen. Genehmigungsverfahren müssten beschleunigt werden. Der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) will Bürger und betroffene Kommunen stärker an neuen Windparks beteiligen. Seine Ideen dazu will er bei dem Treffen in Berlin vorstellen.

IG Metall-Vorstand Lemb sagte, die Erwartungen aus Sicht der Beschäftigten in der Branche an das Treffen seien hoch. "Es gilt, endlich Entscheidungen zu verlässlichen Ausbaupfaden, zur Sicherung der industriellen Basis der Branche und zur Sicherung der Beschäftigung zu treffen." Es drohe der Verlust der industriellen Basis für die Windindustrie.

Nach einer Erhebung im Auftrag der IG Metall Küste sind in der deutschen Windindustrie seit Beginn des vergangenen Jahres 8000 bis 10 000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Damit setze sich die Entwicklung des Jahres 2017 fort, als die Branche bereits 26 000 Arbeitsplätze einbüßte.

Mit am Tisch bei Altmaier sitzen auch Länderminister. Brandenburgs Energieminister Jörg Steinbach (SPD) forderte konkrete Maßnahmen für einen schnelleren Ausbau der Windkraft. So müssten weitere Möglichkeiten diskutiert und umgesetzt werden, um die Akzeptanz bei den Menschen zu erhöhen, sagte Steinbach der dpa.

Der nordrhein-westfälische Wirtschafts- und Energieminister Andreas Pinkwart (FDP) verlangte mehr wirtschaftliche Sicherheit für die Anlagenbetreiber. Pinkwart sagte der dpa, Nordrhein-Westfalen werde dazu in Kürze eine Bundesrats-Initiative auf den Weg bringen. Ziel sei es, über ein verbessertes "Ausschreibungsdesign" auch die Gefahr von Klageverfahren zu verringern.

Die Union will vor allem die Windenergie auf See ausbauen. In einem Papiers des Vorstands der Unions-Bundestagsfraktion heißt es, um die Produktion klimafreundlicher Energien zu steigern, brauche es einen starken Ausbau der Windenergie, "besonders vor unseren Küsten" - weil dort weniger Flaute herrsche und es keine Bürgerproteste gegen Windräder auf hoher See gebe.

Im Zuge der Energiewende sollen Kohle, Gas und Atomkraft durch erneuerbare Energieträger ersetzt werden. Bis 2022 wird das letzte Kernkraftwerk abgeschaltet sein, bis 2038 ist der Kohleausstieg geplant.

Der Ökostrom-Anteil soll bis 2030 auf 65 Prozent steigen - im ersten Halbjahr 2019 lag der Beitrag zur Deckung des Stromverbrauchs nach Zahlen des Energieverbandes BDEW bei 44 Prozent. Das Ziel von 65 Prozent sei nur mit einem forcierten Ausbau von Photovoltaik-Anlagen, Windenergie auf See und an Land möglich, heißt es in dem Papier der Energie- und Umweltverbände.

Die Grünen-Energiepolitikerin Julia Verlinden sagte der dpa, die Bundesregierung habe die "dramatischen Zahlen" bei der Windkraft an Land lange ignoriert. Altmaier müsse konkrete Maßnahmen für den Ausbau vorlegen. "Die entscheidenden Punkte sind mehr Flächen, größere Ausbau-Mengen und Abbau bürokratischer Hemmnisse." Krischer sagte, die Bundesregierung müsse Möglichkeiten schaffen, dass Bürger und Gemeinden direkt finanziell von Windprojekten in ihrer Umgebung profitieren könnten.

Auch die Kommunen erhöhen den Druck auf die Politik. Der Bundestag müsse "ein Programm zum beschleunigten Ausbau der Windkraftanlagen sowie der Stromtrassen und Verteilnetze auf den Weg bringen", sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag). "Mehr Geschwindigkeit, weniger Bürokratie und klare zeitliche Vorgaben müssten die Bausteine einer solchen Initiative sein." Gleichzeitig forderte Landsberg von der Politik, "mehr und besser" mit Bürgern zu kommunizieren./hoe/DP/zb