Airlines in Europa strichen am Dienstag noch mehr Italien-Flüge, nachdem die Regierung in Rom landesweite Reisebeschränkungen für das am stärksten betroffene Land in Europa verhängt hatte. Für schwache Fluggesellschaften entwickelt sich der Markteinbruch zur existenziellen Gefahr. "Wenn die Situation länger andauert, könnten wir einen Punkt erreichen, an dem wir das Überleben des Unternehmens nicht garantieren können", warnte der Präsident von Korean Air Lines, Woo Kee-hong, in einer Mitarbeiterinformation. Die größte Airline Südkoreas hat mehr als 80 Prozent ihrer internationalen Kapazität gestrichen. Fast zwei Drittel der 145 Maschinen großen Flotte stehen am Boden.

In Europa strichen British Airlines und Easyjet viele Italien-Flüge. Die Billigflieger Norwegian Air Shuttle und die ungarische Wizz Air stellten sämtliche Verbindungen nach Italien bis April ein. Wegen der massiven Ausfälle im Luftverkehr kündigte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in Brüssel an, die Regeln zu Start- und Landerechten vorübergehend auszusetzen. Sie schreiben vor, dass Airlines ihre Slots dauerhaft zu 80 Prozent nutzen müssen, um sie nicht zu verlieren. Es gelte, die Fluggesellschaften zu erleichtern und klimaschädliche "Geisterflüge" zu verhindern, die nur zum Sichern der Slots abheben würden, sagte von der Leyen.

AIRLINE-AKTIEN IM STURZFLUG

Am Montag hatte auch die größte europäische Billigfluggesellschaft Ryanair Inlandsflüge in Italien abgesagt und den Flugplan nach Norditalien von außerhalb weiter ausgedünnt. Das bedeute drei Millionen weniger Passagiere im noch bis Ende März laufenden Geschäftsjahr 2020, erklärte Ryanair. Jetzt sei mit 151 Millionen Kunden zu rechnen, noch immer sechs Prozent mehr als im Vorjahr.

Von der Lufthansa-Gruppe setzte Austrian Airlines den Flugverkehr zwischen Wien und Norditalien bis zum 28. März aus. Das österreichische Gesundheitsministerium hatte ein Landeverbot für Flüge aus Italien erteilt. Damit entfallen bis zu drei Flüge täglich nach Venedig und Bologna sowie bis zu sechs Verbindungen von Wien nach Mailand. Flüge nach Rom und Mailand wurden aufrecht erhalten. Die Hauptmarke Lufthansa und die Billigflugtochter Eurowings bieten noch einige Italien-Flüge an.

Seit Jahresbeginn fielen Aktien der europäischen Airlines um 38 Prozent. Bei den 20 größten Anbietern weltweit lösten sich zusammen 70 Milliarden US-Dollar oder fast ein Drittel des Börsenwertes in Luft auf. Alle größeren Gesellschaften in Europa sollten den Sturm überstehen, erklärte Daniel Röska, Analyst von Bernstein Research. Mit drastischen Flugstreichungen und Einsparungen bei den Personalkosten hätten sie genug Liquidität, um einen Buchungsrückgang von mehr als 50 Prozent für zwei bis drei Monate lang auszuhalten. Nur Norwegian hänge am seidenen Faden. Die Airline teilte in Oslo mit, von Mitte März bis Mitte Juni fielen voraussichtlich rund 3000 Flüge aus. Ein "beachtlicher Teil" der Belegschaft verliere vorübergehend den Job. In der vergangenen Woche musste schon die angeschlagene britische Airline Flybe aufgeben.

Die Flugzeugbauer werden ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen. So erklärte die australische Gesellschaft Quantas, sie werde die Bestellung von einem Dutzend neuer Airbus A350 verschieben. Sie fahre die Kapazität über die kommenden sechs Monate um fast ein Viertel zurück. Eine erste Schätzung, wonach Corona das Unternehmen bis zu 150 Millionen Australische Dollar kosten könnte, warf Qantas über Bord und wagte keine Prognose mehr. Für den Rest des bis Ende Juni laufenden Geschäftsjahrs will Airline-Chef Alan Joyce auf sein Gehalt verzichten. Die Manager erhalten keine Boni, Beschäftigte sollen unbezahlten Urlaub nehmen. "Das ist kein Wirtschaftsereignis", sagte der Chef der US-Airline Delta, Ed Bastian auf einer Konferenz. Es sei ein "Angstereignis" ähnlich wie die Folgen der Anschläge vom 11. September 2001 in den USA.