Erstaunliches war in dieser Woche zu hören und zu lesen. Die Deutschen sind – trotz Niedrigzins – in Summe so reich wie nie zuvor, das war die Meldung, die mich gestern am Frühstückstisch erreichte. Denn das Geldvermögen privater Haushalte kletterte im zweiten Quartal 2018 auf den Fabelwert von 5.977 Milliarden Euro, also knapp 6 Billionen. Immerhin im Sparen sind wir also noch Weltmeister (das mit dem Fußball läuft ja nicht mehr so rund, wie ebenfalls in dieser Woche zu sehen war), die Quote liegt bei 10,1%, wie der Bankenverband BVR ermittelte. Dabei bevorzugt der/die teutonische Sparer/in ganz klar „liquide oder als risikoarm wahrgenommene Anlageformen“, für die es „eine anhaltende ausgeprägte Präferenz“ gebe, so die Erkenntnis der Bundesbank. Also Bargeld, Giro- und Tagesgeldkonten. Mit Aktien hat man es hierzulande dagegen nicht ganz so gerne, „nur“ rund 1.215 Milliarden Euro steckten in Q2 2018 in Aktien oder Fonds. Zumindest die Zahl der Aktionäre ist aber schon mal gestiegen, laut Deutschem Aktieninstitut DAI im Jahr 2017 um 12,1% (im Vergleich zum Vorjahr) auf über 10 Millionen Bürger/innen. So viele waren das zuletzt vor der Finanzkrise, interessantes Detail am Rande. Dort – also am Rand – sind allerdings auch andere Zahlen gestiegen. Im dritten Schattenbericht der Nationalen Armutskonferenz steht geschrieben, dass sich die Erwerbsarmut bzw. der Anteil der „working poor“, sprich derer, die nicht von ihrem Verdienst allein leben können, in den letzten 10 Jahren (genau: zwischen 2004 und 2014) verdoppelt hat. Der Anteil der armen bzw. armutsgefährdeten Erwerbstätigen, denen definitionsgemäß weniger als 60% des mittleren Einkommens zur Verfügung steht, beträgt somit in Deutschland 9,6%. Und der bereits erwähnte Anstieg ist – wenn wir Deutschen etwas machen, dann bekanntlich gründlich – der höchste innerhalb der EU. Aha. Arm trotz Arbeit, reich trotz Nullzins, das mutet geradezu paradox an. Womit wir direkt an den Märkten angekommen wären. Denn auch da sind in dieser Woche Widersprüche an der Tagesordnung:

Gewinnwarnung

Da hob SAP (WKN: 716460 / ISIN: DE0007164600) beispielsweise die Prognose für das laufende Jahr an, dank des hervorragenden Cloud-Geschäfts – die Aktie kam am Donnerstag trotzdem unter die Räder. Die Marge sei das Problem, mäkelten die Experten. Denn die fiel niedriger aus als erwartet, da half auch der verbesserte Ausblick (erst einmal) nicht. Das alles ist jedoch so gut wie nichts, im Vergleich zu dem, was Fresenius (WKN: 578560 / ISIN: DE0005785604) und der Konzerntochter Fresenius Medical Care (WKN: 578580 / ISIN: DE0005785802), kurz FMC, am Mittwoch widerfuhr. Denn da gab es eine Gewinnwarnung, von FMC. Das ist bei den Bad Homburgern, die gerne als Defensiv-Champion gefeiert werden, eher die Ausnahme, weswegen die Folgen umso gravierender ausfielen: Das Minus von 16,5% war gleichbedeutend mit dem größten Tagesverlust in der Unternehmensgeschichte, denn der bisherige Negativrekord von -11,89% vom 31. Juli 2002 wurde damit geradezu pulverisiert. Das brachte dann auch die Mutter in erhebliche Schwierigkeiten – für Fresenius, die immerhin 30% an FMC halten, ging es -8,9% nach unten. Ziemlich viel Wirbel, für einen bzw. zwei Blue Chips. Kein Wunder, dass darüber auch der DAX ins Trudeln geriet – nach einem starken Wochenauftakt mit Gewinnen von 2,2% ging es ein halbes Prozent abwärts. Und am Donnerstag gleich noch ein ganzes hinterher. Insgesamt jedoch – und trotz des neuen Jahrestiefs, das der Index am frühen Montagmorgen bei 11.459 Punkten markierte – war das eine eher ruhige Woche. Naja, im Vergleich mit den beiden Vorwochen jedenfalls. Anders jedoch als beispielsweise die CSU in Bayern, sollten die Anleger beim DAX noch nicht zur Tagesordnung übergehen. Denn dass wir den Boden der Korrektur schon gesehen haben, daran darf aktuell durchaus gezweifelt werden!

PrimequantsEin Beitrag von Sebastian Jonkisch von Prime Quants

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Bildquellen: Prime Quants / markteinblicke.de