BAD HOMBURG (dpa-AFX) - Lange eilte der Medizinkonzern Fresenius von einem Ergebnisrekord zum nächsten. Doch 2019 steht das erfolgsverwöhnte Dax-Unternehmen vor einem Übergangsjahr. Die wichtigsten Punkte für Fresenius, was die Experten sagen und wie es für die Aktie läuft.

DAS IST LOS BEI FRESENIUS:

Für viele Marktteilnehmer völlig unerwartet hatte Fresenius im vergangenen Jahr wegen Problemen im Krankenhaus- und Dialysegeschäft die Reißleine gezogen, gleich zweimal sogar: Zunächst dämpfte der Konzern die Erwartungen an das Jahr 2018. Kurz darauf überraschte Fresenius erneut negativ und ließ auch die ambitionierten Ziele für 2020 purzeln. Auch die Dialysetochter FMC kappte ihre Ziele.

Nicht nur die Gewinnwarnungen haben an der Börse für einen Vertrauensverlust gesorgt, auch die Kapriolen, die sich Fresenius mit der - später dann widerrufenen - Übernahme des US-Generikaherstellers Akorn leistete, schreckten die Investoren ab. Der Aktienkurs brach ein. Aber nicht nur das Fresenius-Papier gilt längst nicht mehr als defensiver Titel, auch das Image von Chef Stephan Sturm als "Dealmaker" ist angekratzt.

Sturm, seit Sommer 2016 an der Spitze des Unternehmens, und sein Managementteam stehen nun vor der Aufgabe, die Probleme möglichst schnell zu lösen. Bei der Dialysetochter FMC etwa schwächeln die Geschäfte rund um Nierenerkrankungen im wichtigen US-Markt.

Im Krankenhausgeschäft drückt in Deutschland der Schuh. Während Sturm lange stolz über den Beitrag der vor gut zwei Jahren übernommenen spanischen Klinikkette Quironsalud berichtete, braute sich bei den Helios-Kliniken Unheil zusammen. Dort kämpft der Konzern nun mit einem Exodus in der Ärzteschaft. Zudem macht der zunehmende Trend zur ambulanten Behandlung Helios-Kliniken zu schaffen, weil weniger Patienten über Nacht bleiben und damit weniger abgerechnet werden kann. Neue Vorgaben der Bundesregierung, die eine gewisse Personaldecke im Pflegebereich verlangen, erweisen sich ebenfalls als Herausforderung.

Einige Beobachter befürchten indes schon die nächsten Probleme: Von den größten Schwarzsehern an der Börse wird bereits eine baldige Flaute auch bei der auf klinische Ernährung und flüssige Nachahmermedikamente spezialisierten Tochter Kabi herbeigeredet. Die hielt sich bislang jedoch wacker.

Sturm hat bereits mehr Investitionen angekündigt, um die Geschäfte wieder flott zu machen, blieb aber bislang noch recht vage. Unter anderem hatte er erklärt, Helios als Arbeitgeber attraktiver machen zu wollen. So rührt der Konzern wohl bereits offensiv die Werbetrommel und lockt Pflegekräfte mit besserer Bezahlung - auch direkt vor den Kliniken der Wettbewerber, wie diese berichten.

Die Augen richten sich nun auf den 20. Februar: An diesem Tag wird Fresenius-Chef Sturm die Bilanz für 2018 präsentieren und - so die Hoffnung - genauer erklären, wie Fresenius seine Wunden wieder verschließen will.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Kritik hagelt es seit Wochen. Abstufungen und gekürzte Kursziele ebenso. Einig sind sich die Experten, dass Fresenius vor einem großen Berg an Problemen steht. Uneinig sind sie jedoch, ob dies bereits ausreichend an der Börse eingepreist ist.

So hält etwa Barclays-Experte Hassan Al-Wakeed die Aktie inzwischen zwar für günstig, strich aber kürzlich sein Kaufvotum. Er empfiehlt, solange an der Seitenlinie zu bleiben, bis klar sei, welche Gegenmaßnahmen Fresenius treffe und wie die Ergebniskennziffern sich weiter entwickelten. Der Experte kürzte seine eigenen Gewinnprognosen deutlich, da er im deutschen Krankenhausgeschäft vorerst nur gehemmtes Wachstum und sogar für 2020 noch verstärkten Margendruck neue regulatorische Vorgaben sieht. Auch James Vane-Tempest vom Analysehaus Jefferies hält Optimismus aktuell noch für verfrüht.

Positiver gestimmt ist Ulrich Huwald vom Analysehaus Warburg Research. Er zählt das Fresenius-Papier nach dem kräftigen Kursrutsch inzwischen sogar zu den besten Anlageideen für das Jahr 2019. Da die Aktie ein mehrjähriges Tief erreicht habe, sei das Erholungspotenzial nun entsprechend hoch.

Auch einem Pessimisten der ersten Stunde - UBS-Analyst Douglas-Pennant - ist der Absturz der Fresenius-Aktie inzwischen weit genug gegangen. Der Experte der Schweizer Bank sorgt sich insbesondere um eine mögliche Flaute beim Infusionsspezialisten Kabi wegen zunehmender Generikakonkurrenz und stärkeren Preisdrucks in den USA. Doch die langfristigen Unsicherheiten um Kabi sowie Helios sieht er im Aktienkurs nun gebührend berücksichtigt. Douglas-Pennant hatte bereits Ende 2017 den Daumen über der Fresenius-Aktie gesenkt, zu Jahresbeginn 2019 gab er sein negatives Votum auf und stufte die Aktie auf "Neutral" hoch.

Damit gibt es unter den 20 im dpa-AFX Analyser erfassten Experten keinen mehr, der das Papier zum Verkauf empfiehlt. Die Mehrheit spricht sich weiterhin für einen Kauf aus, acht Analysten votieren mit "neutral". Im Durchschnitt liegt das Kursziel mit 63,81 Euro weit über dem aktuellen Kurs von rund 44 Euro.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Durch das "Großreinemachen" der Investoren ging es für die Fresenius-Aktie im vergangenen Jahr um knapp 35 Prozent bergab. Ende 2018 erreichte das Papier mit 38,28 Euro gar den tiefsten Stand seit mehr als vier Jahren. Hiervon hat sich der Kurs seitdem aber wieder etwas erholen können. Seit Jahresbeginn 2019 haben sie knapp vier Prozent zugelegt.

Auch die Papiere der Dialysetochter FMC erwischte es im vergangenen Jahr heftig. Monatelang hatte sich der Kurs nahezu seitwärts bewegt, als die Probleme im Oktober offenbar wurden, ging es rasant bergab. Mit einem Kursverlust von mehr als 35 Prozent gehörten FMC damit 2018 zu den zehn größten Verlierern im deutschen Leitindex Dax. Ihr jüngstes Zwischentief erreichten die Papiere aber Anfang 2019 - mit 55,44 Euro waren sie so günstig wie seit Oktober 2014 nicht mehr./tav/nas/mis