(Neu: Klage-Eingang, aktuelle Kurse)

BAD HOMBURG (dpa-AFX) - Der Medizinkonzern Fresenius steht vor turbulenten Zeiten: Nachdem das Unternehmen dem 4,4 Milliarden Euro teuren Zukauf des US-Generikaherstellers Akorn am Wochenende eine Absage erteilt hat, ziehen die Amerikaner erwartungsgemäß vor Gericht. Akorn pocht auf die Einhaltung des abgeschlossenen Übernahmevertrags, doch Fresenius bleibt bei seiner Kündigung.

Die Klage sei unbegründet, weil Akorn mehrere Vollzugsvoraussetzungen nicht erfüllt habe, teilte Fresenius am Montagnachmittag in Bad Homburg mit, nachdem das US-Unternehmen beim Court of Chancery in Delaware Klage auf Vollzug der Übernahmevereinbarung erhoben hatte. So habe die von Fresenius eingeleitete, unabhängige Untersuchung unter anderem schwerwiegende Verstöße gegen FDA-Vorgaben zur Datenintegrität bei Akorn zu Tage gefördert.

Akorn sieht dagegen nach Darstellung von Fresenius alle Voraussetzungen für eine Übernahme erfüllt. Fresenius werde alle notwendigen und geeigneten Maßnahmen ergreifen, um sich entschieden gegen die Klage zu verteidigen. Das Unternehmen beabsichtige, während des laufenden juristischen Verfahrens keine weitere Stellungnahmen abzugeben.

An der Börse kam das Aus für die ursprünglich als zweitgrößter Zukauf in der Fresenius-Geschichte geplante Akorn-Übernahme nur zunächst gut an. Die im Dax notierte Fresenius-Aktie startete mit einem deutlichen Plus, rutschte aber im Handelsverlauf wegen der Sorgen vor einem langwierigen Rechtsstreit ins Minus. Zuletzt gab sie rund ein Prozent ab und war damit einer der schwächsten Dax-Titel.

Deutlich schwächer waren zum Wochenauftakt nur die Papiere der Tochter Fresenius Medical Care (FMC) , die am Montag nach einem am Wochenende gesenkten Umsatzausblick rund vier Prozent nachgaben. Abgestürzt sind zudem die Akorn-Aktien, die im New Yorker Handel zuletzt knapp 30 Prozent absackten.

Bei Investoren hatte der Kauf von Akorn in der Kritik gestanden, weil es bei den Amerikanern im vergangenen Jahr auch wegen des Preisdrucks auf dem US-Generikamarkt nicht so lief wie erhofft. Auch war der Ruf des Unternehmens in Mitleidenschaft gezogen worden, nachdem Akorn wegen Bilanzunregelmäßigkeiten Negativ-Schlagzeilen gemacht hatte. Daher wuchs die Sorge, dass Fresenius nach einigen erfolgreichen Übernahmen diesmal daneben gegriffen haben könnte.

Offenbar entzündete sich in den vergangenen Wochen zwischen beiden Seiten ein Streit, nachdem das Fresenius-Management um Konzernchef Stephan Sturm anonyme Hinweise auf neuerliches mögliches Fehlverhalten von Akorn erhalten hatte. Die Bad Homburger hatten deshalb eine eigene Ermittlung durch unabhängige externe Experten eingeleitet.

Nun wirft Fresenius den Amerikanern schwerwiegende Verstöße gegen Vorschriften der US-Gesundheitsbehörde FDA hinsichtlich der Datenintegrität vor, welche die Ermittlungen zu Tage gefördert hätten. Das Angebot, mehr Zeit zu bekommen, um selbst weiter zu prüfen und Fresenius zusätzliche Informationen zur Verfügung zu stellen, habe die Akorn-Führung abgelehnt, teilte Fresenius mit.

Der Konzern zog daraufhin die Reißleine und kündigte den Vertrag für die geplante 4,4 Milliarden Euro schwere Übernahme, weil der Generikahersteller, der unter anderem Cremes und Salben herstellt, mehrere Voraussetzungen für den Vollzug nicht erfüllt habe. Wie die Vorwürfe genau aussehen, blieb zunächst offen. Offenbar auf Druck der Amerikaner, die auf Einhaltung der Verschwiegenheitszusagen bestehen, kann Fresenius sich derzeit nicht konkreter äußern.

Nach Einschätzung von Analyst Tom Jones von der Privatbank Berenberg dürfte Fresenius aber einen guten Grund für den Rückzug gefunden haben, da ansonsten ein langer Rechtsstreit mit unsicherem Ausgang drohe. Bei den Ermittlungen war es unter anderem um Regelwidrigkeiten beim Zulassungsverfahren neuer Medikamente in den USA gegangen.

Der Fresenius-Konzern hat 14 Rekordjahre infolge hinter sich und will im laufenden Jahr Umsatz und Ergebnis weiter steigern. Am 3. Mai (Donnerstag) präsentieren die Bad Homburger ihre Zahlen für das erste Quartal. Erste Eckdaten kamen bereits von FMC, die zu Jahresanfang unter dem starken Euro litt und einen Umsatzrückgang von 10 Prozent auf knapp 4 Milliarden Euro hinnehmen musste.

Gleichzeitig bekommt der Dialysespezialist Vorgaben des US-Gesundheitssystems stärker zu spüren und senkte seine um Wechselkursschwankungen bereinigte Umsatzprognose für 2018 auf plus 5 bis 7 Prozent. Der Konzern muss nun ein Medikament zur Steuerung des Kalziumspiegels, das zuvor über die Apotheken ausgegeben wurde, in seinen Dialysezentren verabreichen - allerdings in geringerer Dosierung als zuvor gedacht.

Aus dem Verkauf seiner Mehrheitsbeteiligung am Ärztenetzwerk Sound Inpatient Physicians in den USA zum Preis von 2,15 Milliarden Dollar (1,76 Milliarden Euro) erwartet FMC einen Buchgewinn von voraussichtlich rund 800 Millionen Euro vor Steuern. Der Erlös soll in andere Wachstumsinitiativen fließen.

Denkbar sind nach Angaben eines Konzernsprechers vom Montag Übernahmen in Asien im Kerngeschäft Dialyse sowie der Ausbau des zweiten Standbeins Versorgungsmanagement. Auch bei der Mutter Fresenius dürften Übernahmespekulationen nun wieder neuen Schub bekommen: Nach dem Rückzug bei Akorn halten sich die Bad Homburger die Option auf Zukäufe in der Zukunft offen, um das Produktangebot bei der auf Flüssigmedizin spezialisierten Tochter Kabi zu stärken./tav/la/das