Zürich (awp) - Der in Schieflage geratene Vermögensverwalter GAM hat im vergangenen Jahr einen Verlust in Milliardenhöhe eingefahren. Nach der Affäre um den suspendierten Investmentmanager Tim Haywood brachen die verwalteten Vermögen ein.

Haywood wurde im Sommer 2018 wegen Verfehlungen suspendiert, und die von ihm betreuten Fonds mit der so genannten Absolute-Return-Bond-Strategie mit uneingeschränktem Anlageansatz (ARBF) wurden ausgesetzt. Die derzeit laufende Liquidation der Fonds solle in den nächsten Monaten abgeschlossen werden, teilte der Asset Manager am Donnerstag mit.

Die interne Untersuchung und das Disziplinarverfahren gegen Haywood wurden derweil abgeschlossen und der Investment Director wurde "aufgrund schweren Fehlverhaltens entlassen". Bezüglich Fähigkeiten und Sorgfalt seien erhebliche Mängel festgestellt worden. Ausserdem muss GAM selbst die Kontrollmechanismen verbessern.

Auch Cantab-Übernahme Fehlschlag

"2018 war das schwierigste Jahr für GAM seit ihrer Unabhängigkeit vor zehn Jahren, und 2019 wird ebenfalls herausfordernd", liess sich Verwaltungsratspräsident Hugh Scott-Barrett in der Mitteilung zitieren. Es werde zutiefst bedauert, dass alle Anspruchsgruppen von "der ARBF-Situation" betroffen waren. Man konzentriere sich voll darauf, die notwendigen Massnahmen umzusetzen, damit GAM wieder ein starkes Unternehmen werde. Die Gesellschaft hatte in der Vergangenheit zu UBS und dann zu Julius Bär gehört.

Unter dem Strich lag der Nettoverlust nach IFRS im Geschäftsjahr 2018 bei 929,1 Millionen Franken nach 123,2 Millionen im Jahr zuvor. Wegen des massiven Rückgangs der verwalteten Vermögen und der geringeren Profitabilität kam es 2018 zu einem Wertminderungsaufwand bezüglich Goodwill in Höhe von 883,4 Millionen Franken.

Aber nicht nur die Haywood-Geschichte belastete das Ergebnis und die verwalteten Vermögen: Weitere 120,7 Millionen Franken Wertminderung nach Steuern sind auf die 2016 übernommene Cantab zurückzuführen. Zudem fielen Restrukturierungskosten von 31 Millionen an.

Dividendenverzicht

Operativ sieht es etwas besser aus: Der bereinigte operative Gewinn vor Steuern erreichte 126,7 Millionen im Jahr 2018. Allerdings war auch das ein Rückgang von 27 Prozent - hauptsächlich wegen geringerer performanceabhängiger Erträge sowie Vermögensverwaltungsgebühren und Kommissionen.

Wie ebenfalls bereits angekündigt, wird in diesem Jahr keine Dividende ausgezahlt, um rascher wieder Kapitalpolster aufzubauen. Für das laufende Jahr und die Jahre nach 2019 strebt GAM eine Dividendenzahlung von mindestens 50 Prozent des operativen Reingewinns an, was das Unternehmen am Donnerstag bestätigte.

Die verwalteten Vermögen sind im Dezember weiter gesunken auf 132,2 Milliarden nach 139,1 Milliarden Franken Ende November. Und damit noch deutlich stärker als von Analysten erwartet: Vontobel und ZKB schätzten den Stand per Ende 2018 auf 136,0 Milliarden beziehungsweise 134,0 Milliarden.

Ende 2017 machten die Vermögen noch 158,7 Milliarden Franken aus. Im Gesamtjahr 2018 ist es zu Abflüssen von 13,2 Milliarden gekommen, nachdem im Vorjahr Nettoneugeld in der Höhe von 24,3 Milliarden zugeflossen war.

Schwieriges Umfeld

In der Sparte Investment Management sind 11,0 Milliarden Franken auf Abflüsse aus den ARB-Fonds von Haywood zurückzuführen. Dazu kamen weitere Nettoabflüsse von 10,5 Milliarden aus nicht ARBF-Strategien sowie negative Markt- und Wechselkurseffekte in Höhe von 6,8 Milliarden. Im Private Labelling hingegen stiegen die verwalteten Vermögen: Nettozuflüsse von 8,3 Milliarden standen negative Markt- und Wechselkurseffekte von 6,5 Milliarden gegenüber.

Für das laufende Jahr geht GAM nach wie vor davon aus, dass die operativen Gewinne wegen der wesentlich geringeren Vermögensbasis im Investment Management und damit entsprechend geringeren Erträgen deutlich unter dem Vorjahr liegen werden. Angesichts des schwächeren Wirtschaftswachstums sowie geopolitischer Spannungen bleibe das Umfeld für die Asset-Management-Industrie insgesamt schwierig, hiess es. Die Anleger seien nach wie vor vorsichtig und preissensitiv.

Priorität hat für GAM das Restrukturierungsprogramm sowie die Stabilisierung des Geschäfts, um Profitabilität und Aktionärswert zu verbessern. Daher würden die Mittelfristziele "ausgesetzt". In der Vergangenheit sollte das verwässerte operative Ergebnis pro Aktie auf annualisierter Basis um über 10 Prozent steigen sowie eine Umsatzrendite von 35 bis 40 Prozent erreicht werden - beides über einen Geschäftszyklus von fünf bis acht Jahren.

Stabilisierung hat Priorität

Die im Dezember angekündigte Restrukturierung ist "im vollen Gange". Wie bereits bekannt, will GAM bei den fixen Personal- und Sachkosten bis Ende 2019 mindestens 40 Millionen Franken einsparen. Im Laufe des Jahres sollen unter anderem rund 10 Prozent der Stellen abgebaut werden, ein Drittel der betroffenen Stellen seien bereits gestrichen. Ende September waren weltweit mehr als 900 Menschen beim Unternehmen beschäftigt.

Der volle Nutzen der Massnahmen werde sich im Jahr 2020 niederschlagen. Die Geschäftsleitung prüfe zudem weitere Möglichkeiten der Kostensenkung.

Zur derzeit laufenden Suche nach einem neuem Chef gab es am Donnerstag zunächst keine Neuigkeiten. Alexander Friedman trat im Zuge der Affäre Anfang November als CEO zurück. Interimistisch übernahm Verwaltungsrat David Jacob die Führung.

Für das Geschäftsjahr 2018 soll für die Geschäftsleitung eine variable Vergütung in Höhe von insgesamt 5,6 Millionen Franken beantragt werden, ein Rückgang von 59 Prozent. Friedman erhält keinen Bonus für 2018. Auch Finanzchef Richard McNamara sowie Jacob haben keinen Anspruch auf eine variable Vergütung.

ys/ra