FRANKFURT/PARIS/LONDON (dpa-AFX Broker) - Die Ungewissheit über die Folgen der Coronavirus-Krise für die Immobilienbranche belastet den Sektor weiter schwer. Wie schon am Vortag geriet der europäische Branchenindex auch zu Wochenschluss stark unter Druck und sackte bis zum späten Freitagvormittag um 3,5 Prozent ab. Damit summieren sich die Verluste seit Beginn des virusbedingten Marktcrashs am 24. Februar auf rund ein Drittel. Der Gesamtmarkt EU0009658202> hat in diesem Zeitraum knapp 27 Prozent eingebüßt.

Die Corona-Krise dürfte nach Einschätzung von Ökonomen den Anstieg der Mieten und Immobilienpreise dämpfen. Angesichts der Unsicherheit über die Folgen der Pandemie und der Ausgangsbeschränkungen dürfte der hiesige Wohnungsmarkt in den nächsten beiden Monaten zum Erliegen kommen, sagte Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft. "Besichtigungen finden kaum statt, und viele Käufer halten sich zurück, weil sie um ihre Jobs bangen oder schrumpfende Einkommen erwarten." Bei Google-Suchen zu Stichworten wie Kaufen, Mieten oder Wohnen seien schon Rückgänge zu beobachten, was Voigtländer als Indikator wertete. Auch Vermittler von Baufinanzierungen wie Hüttig & Rompf verzeichneten zuletzt einen Rückgang bei den Kundenanfragen.

Große Wohnungskonzerne haben Mietern bereits Zugeständnisse gemacht: So verzichtet LEG Immobilien im Zusammenhang mit der Corona-Krise vorerst auf Mietsteigerungen oder Kündigungen. Auch Vonovia sieht wegen der Pandemie bis auf Weiteres von höheren Mieten ab, und Deutsche Wohnen hat zugesagt, Zahlungen zu stunden.

Europaweit haben Immobilienkonzerne mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. So sprach Analyst Paul May von der britischen Investmentbank Barclays von einer grundlegenden Unsicherheit, die sich über die gesamte Branche ausbreite. In der aktuellen Situation sei es fast unmöglich, präzise mittel- und langfristige Prognosen zu berechnen. Zu diesem Zeitpunkt könne keiner sagen, wie stark die virusbedingten Einschnitte ausfallen werden, wie lange sie andauern oder auch wie stark sich die Branche nach dem Ende der Krise erholen könnte. "Wer hätte gedacht, dass die Immobilienbranche so kurzlebig sein kann, und dass der Zeitraum von einer Woche schon als langfristig gilt?", fragte sich May.

Allerdings betonte der Barclays-Analyst, dass gleichwohl unterschiedliche Annahmen zu einzelnen Unternehmen getroffen werden können, um die individuellen Auswirkungen der Krise besser abzuschätzen. Zu diesen Variablen zählten Prognosen zur langfristigen Mietentwicklung sowie Annahmen zu den gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten, den Bewertungsanpassungen und den künftigen Dividendenzahlungen. Hinzu kämmen Schätzungen zu den bei Vollvermietung theoretisch erzielbaren Mieteinnahmen für ein Objekt und generell zu den Risikoprämien der einzelnen Aktien, die sich etwa in Folge einer Verschlechterung des gesamtwirtschaftlichen Umfeldes erhöhen dürften.

Vor diesem Hintergrund zählten unter allen europäischen Branchentiteln die Aktien des britischen Immobilienunternehmens Hammerson mit einem Minus von rund 9 Prozent zu den größten Verlierern. Für die Anteilsscheine der auf Einkaufszentren spezialisierten französischen Unibail-Rodamco-Westfield ging es ebenfalls um 9 Prozent nach unten.

In Frankfurt büßten die Aktien von Aroundtown nach drei Gewinntagen in Folge nun fast 7 Prozent ein. Damit zählten sie zu den schwächsten Werten im Index der mittelgroßen Werte MDax. Kurzfristige Schwächen seien kein Anlass zur Sorge, schrieb Analyst Julius Stinauer von der Privatbank Hauck & Aufhäuser. Dank solider Bilanz und gut gefüllter Kasse böten sich für den Luxemburger Gewerbeimmobilien-Spezialisten nun auch einige Chancen./la/bek/jha/

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