LIPPSTADT (dpa-AFX) - Die Folgen der Coronavirus-Pandemie machen dem Autozulieferer Hella zu schaffen. Der MDax-Konzern aus dem westfälischen Lippstadt spürt die hohen Unsicherheiten im Markt und erwartet aus jetziger Sicht keine baldige Erholung. Trotzdem sieht Vorstandschef Rolf Breidenbach den Licht- und Elektronikspezialisten in der Krise gut aufgestellt. Was bei Hella los ist, wie Analysten die Aussichten bewerten und wie sich die Aktie ent wickelt hat.

DAS IST LOS IM UNTERNEHMEN:

Breidenbach steht vor einer schwierigen Aufgabe. Er muss das Unternehmen durch eine Phase steuern, in der völlig unklar ist, wann die Nachfrage wieder anzieht und ob die Produktion tatsächlich wieder dauerhaft hochgefahren werden kann. Die Corona-Krise hat Hella laut Breidenbach das herausforderndste Quartal seit der Finanzkrise vor zwölf Jahren beschert.

Hella musste wegen der Pandemie seine Werke in Europa und Amerika zwischenzeitlich herunterfahren. Zwar habe in China, von wo aus das Virus seinen Weg in die Welt nahm, mittlerweile wieder eine Erholung eingesetzt. Doch das Niveau von vor der Krise sei noch nicht erreicht, sagte Breidenbach kürzlich. Der Manager hat Hella in Anbetracht der Pandemie eine strikte Kostendisziplin verordnet. So sollen die Personal- und Sachkosten sowie geplante Investitionen deutlich sinken.

Jetzt rechnet der Licht- und Elektronikspezialist für das Ende Mai auslaufende Geschäftsjahr wegen hoher Abschreibungen im Zuge der Virus-Krise sogar mit einem Nettoverlust. Die Dividendenzahlung will der Konzern aussetzen. Bereits im dritten Geschäftsquartal waren Umsatz und Ergebnis im Vergleich zum Vorjahreszeitraum klar gesunken. Im März teilte der Konzern dann mit, dass er seine zuvor angepeilten Jahresziele aufgrund der Pandemie verfehlen dürfte.

Eigentlich hatte sich der Vorstand Erlöse in der Bandbreite von 6,5 bis 7,0 Milliarden Euro sowie eine bereinigte operative Ergebnismarge (bereinigte Ebit-Marge) von 6,5 bis 7,5 Prozent vorgenommen. Inzwischen rechnet Hella nur noch mit einem Umsatz zwischen 5,7 und 5,8 Milliarden Euro. Die bereinigte Ebit-Marge soll bei rund 4 Prozent liegen, nur gut halb so hoch wie ursprünglich im Bestfall erhofft.

Im vierten Quartal musste Hella zudem eine Wertminderung in Höhe von rund 500 Millionen Euro vornehmen. Als Gründe nannte das Unternehmen vor allem ein deutlich reduziertes Marktvolumen im Zuge der Corona-Pandemie sowie die Annahme, dass das weltweite Produktionsvolumen von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen auch mittel- bis langfristig signifikant unter den vor der Krise getroffenen Annahmen und Markterwartungen liege. Dies dürfte zu einer geringeren Auslastung des globalen Netzwerks führen, hieß es.

Der Start ins neue Geschäftsjahr dürfte ebenfalls schwierig werden. Auch deshalb, da Breidenbach mit Blick auf Nordamerika und Europa nicht davon ausgeht, dass sich die dortige Situation schnell wieder normalisiert.

Dennoch zeigte sich der Konzernlenker zuversichtlich, dass Hella die Krise meistern wird. Er sieht das Unternehmen weiterhin gut am Markt positioniert und verweist unter anderem auf das starke Auftragsbuch. Der Manager ist ohnehin überzeugt davon, dass die Zukunftsthemen Elektromobilität sowie autonomes und assistiertes Fahren den Westfalen dauerhaft in die Karten spielen werden.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Seit Bekanntgabe des präzisierten Ausblicks für das zu Ende gehende Geschäftsjahr 2019/2020 haben sich sieben der im dpa-AFX-Analyser erfassten Marktexperten näher mit Hella befasst. Die Zuversicht unter den Analysten überwiegt dabei ungeachtet der momentan schwierigen Lage des Licht- und Elektronikspezialisten eindeutig. So raten gleich alle sieben Experten zum Kauf der Papiere. Die meisten von ihnen attestieren dem Konzern noch einiges an Aufwärtspotenzial.

Mit einem Kursziel von 44 Euro hat die Privatbank Hauck & Aufhäuser den höchsten Wert auf dem Zettel. Ihr Analyst Christian Glowa beurteilte den Auftragseingang als stark angesichts der schwierigen Situation am Automarkt und sieht sich durch die vorgelegten Eckdaten in seiner Kaufempfehlung bestätigt. Ähnlich positiv gestimmt zeigt sich Marc-Rene Tonn von Warburg Research. Aus seiner Sicht hat der Autozulieferer im vierten Geschäftsquartal besser abgeschnitten als gedacht. Aufgrund der mittel- und langfristigen Perspektiven bleibt auch Tonn daher bei seiner Kaufempfehlung für die Hella-Aktie.

Gungun Verma von der US-Investmentbank Goldman Sachs schätzt, dass der Zulieferer von den jüngsten Anreizen der EU für sauberere Autos mit am stärksten profitieren wird. Hella könne beim Wachstum andere Zulieferer hinter sich lassen. Derweil sind die Lippstädter für DZ-Bank-Experte Michael Punzet auch weiterhin der "Top Pick" unter den von ihm beachteten Zulieferern. Er hob in diesem Zusammenhang die weiter steigenden Ausstattungsquoten bei Fahrerassistenzsystemen, eine stärkere Fokussierung der Hersteller auf das Thema E-Mobilität sowie ein gut gefülltes Auftragsbuch hervor.

Für Jose Asumendi von der US-Bank JPMorgan ist die gestrichene Dividende aus Anlegersicht sogar aus verschiedenen Gründen eine gute Nachricht. Hella bewahre damit seine Liquidität und belaste zudem den freien Barmittelzufluss weniger stark. Asumendi prognostiziert, dass das Geschäft nach der Viruskrise schnell wieder zu Wachstum zurückfindet.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Für Anleger ist die Entwicklung der Hella-Papiere wenig erfreulich. Allein im laufenden Jahr haben die Titel im Zuge des Corona-Crashes und der Marktturbulenzen rund ein Viertel an Wert eingebüßt. Auf längere Sicht sieht es kaum besser aus: In den zurückliegenden drei Jahren steht ein Minus von rund einem Fünftel zu Buche.

Nachdem die Papiere Anfang Januar zwischenzeitlich noch gut 50 Euro kosteten, sackten sie schon kurz danach deutlich ab und waren Anfang Februar nur noch 42 Euro wert. Ab Mitte Februar ging es wegen der Corona-Krise im Sturzflug in den Keller. Als Hella dann am 18. März seine vorläufigen Neunmonatszahlen vorlegte und einen deutlichen Umsatz- und Ergebnisrückgang vermeldete, war am Tag darauf mit nur noch gut 20 Euro der bisherige Tiefpunkt des Jahres erreicht, und die Papiere hatten ihren Wert binnen weniger Wochen mehr als halbiert.

Danach setzte eine langsame, trotz kleinerer Rücksetzer kontinuierliche Kurserholung ein. Zuletzt notierte die Aktie bei knapp 36 Euro. Damit hat sie seit Mitte März wieder um rund zwei Drittel zugelegt. Anfang Januar 2018 war das Papier zwischenzeitlich allerdings mit 60 Euro gehandelt worden. Davon ist es momentan Welten entfernt.

An der Börse kommt Hella aktuell auf eine Marktkapitalisierung von rund 4,2 Milliarden Euro und liegt damit im Mittelfeld des Index der mittelgroßen Unternehmen./eas/stw/he